Ein BND-Mitarbeiter hat für die USA spioniert. Er war ein kleines Licht. Aber der BND-Skandal belegt, dass Amerika die eigenen Partner gering schätzt, meint der StZ-Redakteur Stefan Geiger in seinem Kommentar.

Stuttgart - Noch ist nicht mit letzter Sicherheit nachgewiesen, dass der Doppelspion im Bundesnachrichtendienst tatsächlich für den US-Geheimdienst gearbeitet hat. Es ist aber inzwischen höchstwahrscheinlich. Doch darauf kommt es gar nicht mehr an. Entscheidend ist, dass inzwischen alle in der Bundesrepublik, bis hinauf zur Bundeskanzlerin und zum Bundespräsidenten, den USA ein solches Vorgehen zutrauen. Die größte Macht der Welt, das einst große Vorbild in Sachen Demokratie, lässt die engsten Verbündeten, die wichtigsten Freunde ausspionieren, für einen Judaslohn von 25 000 Euro – das ist das Bild, welches inzwischen nicht nur die Bevölkerung, auch die politische Elite in Deutschland von den USA hat.

 

In der Sache ist der Spionagefall nicht sehr bedeutsam. Die Amerikaner wissen selbst am besten, was ihre Spitzel von der NSA so alles tun. Das, was im so geheimen Untersuchungsausschuss gesagt wird, können sie Tage später in den deutschen Zeitungen nachlesen. Vom kleinen BND-Mann können sie nicht mehr erfahren als: der Lauscher an der Wand hört seine eigene Schand. Der Preis sagt alles. Den Betrag von 25 000 Euro zahlen deutsche Schlapphüte bei Gelegenheit an kleine Rechtsextremisten, die dann die Behörde an der Nase herumführen. So unwichtig muss den Amerikanern der BND-Mann gewesen sein. Dafür haben sie offenbar die deutsch-amerikanische Freundschaft aufs Spiel gesetzt. Dieser Spionagefall ist lediglich ein Symbol. Er dokumentiert die Geringschätzung demokratischer Institutionen und die Verachtung des kleineren Partners.

Es gibt viel Schlimmeres. Das Abhören des Handys der Kanzlerin ist klassische Spionage im Kernbereich. Diese Aktion belegt, dass es den Verantwortlichen in den USA, anders als sie behaupten, keineswegs nur darum geht, Terroristen zu fangen. Sie wollen sich mit der Spionage unter vermeintlichen Freunden politische und wirtschaftliche Vorteile verschaffen, ihre Vormacht weiter ausbauen.

Tendenziell wird alles ausgespäht

Noch dramatischer als das Abhören einer einzelnen Politikerin ist das systematische Ausspähen der Bevölkerung nicht nur einzelner, tendenziell aller Staaten dieser Erde. Gerade wurde bekannt, dass die Amerikaner jene als Verdächtige speichern, die nur versuchen, ihre eigenen Daten zu schützen. Ins Visier der US-Dienste geriet so ein deutscher Student, der einen Server für anonyme Internetnutzung betreibt. Die Empörung darüber war fälschlicherweise geringer als die über das Anwerben des kleinen, lächerlichen BND-Mannes. Auch der Generalbundesanwalt hat noch keinen Anlass gesehen, deshalb ein Ermittlungsverfahren einzuleiten.

Die „Washington Post“ berichtet soeben, was die NSA so alles sammelt: Informationen über Liebesgeschichten, unerlaubte Beziehungen, psychische Probleme, finanzielle Sorgen von nicht besonders wichtigen Menschen – das klassische Erpressungspotenzial eben. Es ist das ganz gewöhnliche, bösartige und erbärmliche Geschäft der Spionage. Die Opfer sind diesmal aber nicht mehr nur herausgehobene Repräsentanten verfeindeter Staaten oder Ideologien. Jedermann kann es sein.

Trotz allem darf man nie vergessen: die USA sind eine funktionierende Demokratie und eine freiheitlich organisierte Gesellschaft, die vom internationalen Terrorismus herausgefordert wird. Die Regeln der Spionage und die Folgen der Spionage haben freilich eigene Gesetze, die weitgehend unabhängig sind von der Qualität der Staaten, die sie betreiben. Das verhängnisvolle System der Dienste wird angetrieben von Größenwahn und Verfolgungswahn. Das ist umso gefährlicher bei einer Weltmacht, die als einzige übrig geblieben und deshalb nicht mehr in die heilsamen Zwänge der Machtbalance eingebunden ist. Die USA verraten ihre eigenen Ideale und gefährden so sich selbst. Man muss ihnen das sagen.