Die kleinste große Koalition aller Zeiten würde auch die schwierigste. Aber nicht nur für die larmoyante SPD, meint StZ-Autor Armin Käfer.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Armin Käfer (kä)

Stuttgart - Politik ist kein Kinderspielplatz – auch wenn die Ausdrucksweise der Branche bisweilen danach klingt. Weil die SPD sich vor der nächsten Groko fürchtet, als wäre es ein Kroko, hoffen manche Genossen jetzt auf eine Koko. Das Kürzel ist eine Art Zauberwort für den Versuch, irgendwie zu regieren, sich aber zu möglichst wenig zu verpflichten. Koko bedeutet auch Etikettenschwindel. In einer „kooperierenden Koalition“ (wofür Koko steht) wäre die Kooperation äußerst begrenzt und von vornherein als Auslaufmodell gedacht. Diese Form von Kreativität lässt nichts Gutes erwarten für die an diesem Mittwoch anstehende Vorbesprechung zu den Vorgesprächen über eventuelle Verhandlungen wegen einer neuen Regierung.

 

Der Weg zu Merkels Groko Nummer 3 ist keine Rutschbahn

Der Weg zur großen Koalition Nummer drei unter Angela Merkels Regie ist keine Rutschbahn – auch wenn die meisten Beteiligten befürchten, dass es für sie weiter bergab gehen könnte. Das Ziel ist nicht mit einem Schwung zu erreichen. Sozialdemokraten sind fleißig dabei, Hindernisse aufstellen und Abzweigungen einzuplanen. Nach diesen schielen auch manche Unionisten. Sie suchen nach einem Pfad, der möglichst rasch in eine Zeit führt, in der Merkel schon Geschichte ist. Der Weg zur nächsten Groko wird ein Parcours, von dem keiner weiß, ob er zu bewältigen sein wird.

Diese Groko, die für Merkel nur eine Verlegenheitslösung ist und für die SPD ein Schreckgespenst, unterscheidet sich von allen, die ihr vorausgingen. Es ist die kleinste große Koalition aller Zeiten. Und wenn sie für die Volksparteien wirklich so unverträglich ist, wie viele befürchten, wenn sie deren Schwindsucht beschleunigt, vor allem die SPD weiter verzwergen lässt und stattdessen die Randexistenzen des parlamentarischen Betriebs stärkt, dann könnte es vorläufig auch die letzte große Koalition gewesen sein. Nach den nächsten Wahlen reicht ihre Größe womöglich nicht mehr aus für eine regierungsfähige Mehrheit im Bundestag. Doch das ist ebenso wenig ein Automatismus wie das Gelingen einer neuerlichen Groko.

Eine Koalition der Verlierer

Dieses Bündnis wäre eine Koalition der Verlierer – eine Notgemeinschaft angeschlagener Führungsfiguren. Die Verhältnisse in allen beteiligten Parteien sind fragil. Das gilt mit Abstrichen selbst für die CDU. Auch Merkels Autorität schmilzt. Darauf deuten unbotmäßige Minister und unduldsame Parteifreunde hin, bei denen allein der Name und drei Sätze des ehemaligen Merkel-Konkurrenten Friedrich Merz schon Fantasien wecken. Die 80 Tage seit der Wahl waren wie eine Zeitmaschine: CSU-Chef Horst Seehofer und sein SPD-Kollege Martin Schulz haben ihre Zukunft schon hinter sich. Und auch Merkel nähert sich diesem Moment.

Union und SPD driften auseinander statt aufeinander zu. Ihr Vorrat an Gemeinsamkeiten ist ziemlich aufgezehrt. Die halb unwilligen, halb alternativlosen Verhandlungspartner leiden auf je eigene Weise an einer Identitätskrise, für die eine große Koalition kaum die richtige Therapie ist.

Merkel regiert ihrem Ende als Kanzlerin entgegen

Gleichwohl bleibt ihnen wenig anderes übrig, als es noch einmal miteinander zu versuchen. Daran hat nicht nur die Kanzlerin größtes Interesse, weil ihr Abonnement auf die Macht sich so kommod verlängern ließe. Auch sozialdemokratische Abgeordnete sollten nichts mehr als eine Neuwahl fürchten. Es gibt viel zu tun: Europa wartet auf Pläne für einen Neustart nach dem Brexit, Frankreichs Präsident Macron auf Antworten zu seinen Reformvorschlägen, elf Millionen Schüler warten auf mehr Bildungsgerechtigkeit, Hunderttausende armer Rentner auf ein der Lebensleistung angemessenes Altersruhegeld.

Die kleinste Groko wäre zweifelsohne auch die schwierigste Groko aller Zeiten. Allerdings gilt das nicht nur für die larmoyanten Sozialdemokraten. Angela Merkel regiert ihrem Ende als Kanzlerin entgegen. Das ließe sich auch als Chance verstehen.