Der Innenminister schließt nicht mehr die Augen vor der Brutalität der Rechtsextremen. Ihr Blutzoll der letzten 20 Jahre ist höher als die der linken RAF.

Berlin - Man kann sich hinter Zahlen verstecken. Doch das hat Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) bei der Vorstellung des Jahresberichts über politisch motivierte Gewalt nicht getan. Er hat die hohe Zahl der aus dem linken Milieu verübten Gewalttaten nicht ins Zentrum seiner Analyse gestellt. Jeder Steinewerfer bei den Mai-Krawallen fließt in die Statistik ein – und lässt die Zahl der linken Taten auf Rekordniveau schnellen. Schockierender jedoch ist die Rechnung, die Friedrich beim Blick auf die letzten 20 Jahre aufmachte: Kein politisches Spektrum sei für so viele Todesopfer verantwortlich wie das braune, seit 1990 habe es 60 Todesopfer durch rechte Gewalt gegeben. Die Zahl der von Rechtsextremisten Getöten überschreitet damit die Zahl derjenigen, die einst dem Linksterrorismus der Roten-Armee-Fraktion (RAF) zum Opfer fielen. Der Minister benennt die Gefahr.

 

Welchen Schluss er aber daraus zieht, außer den staatlichen Verfolgungsdruck zu erhöhen, das bleibt offen. Aus Sachsen und Brandenburg wird dieser Tage berichtet, wie unverfroren eine freie Neonaziszene auftritt, Anschläge auf Redaktionen und Büros von Linke-Politikern verübt. Wer dachte, die grausamen Morde der „NSU“ hätten die Szene zur Umkehr oder Besinnung gebracht, sieht sich getäuscht. Der braune Sumpf ist sehr aktiv. Die politische Antwort der Gesellschaft steht noch aus.