Sollte der Südwestrundfunk tatsächlich die Orchester zusammenlegen, hätte das schlimme Folgen für das kulturelle Leben. Ein Kommentar.

Stuttgart - Sylvain Cambreling ist keiner, der gerne laut spricht. Aber jüngst wurde er deutlich: Die Pläne des Südwestrundfunks, seine großen Orchester zusammenzuführen, seien eine „inkompetente Entscheidung“ und überhaupt „Blödsinn“. Bis 2011 ist der Franzose Chefdirigent des SWR-Sinfonieorchesters Baden-Baden und Freiburg gewesen, und ihm gefällt nicht, dass es jetzt mit dem Radio-Sinfonieorchester Stuttgart fusionieren soll. Dies geht inzwischen vielen so, vom Bundestagspräsidenten bis zum Abonnenten.

 

Der SWR will sparen, vorauseilend, denn keiner weiß, wie die Einnahmenlage im Jahr 2020 aussieht. Die Spielräume des öffentlich-rechtlichen Rundfunks werden auf jeden Fall enger. Noch ist er sendefreudig wie nie: Spartenkanäle, Zielgruppen, Regional- und dritte Programme werden bedient. Christoph Sonntag macht Kabarett, und Johann Lafer kocht im Auftrag des SWR. Sport geht immer und muss sein, mehr Zuschauer als ins Stadion gehen nur noch in die Theater, Opernhäuser und Konzertsäle. So viel zur Quote. Doch für ihr Dasein müssen sich die Kulturleute rechtfertigen – so hat man oft den Eindruck.

Als ob eine Gesellschaft, die allein dem Regulativ des flottierenden Geldes unterworfen ist, besser führe, produktiver, gesünder, stabiler und gerechter wäre. Doch regierte allein das Kapital, sähe es auf den Kanälen weniger bunt und vielfältig aus. Das Bundesverfassungsgericht hat den Kulturauftrag der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten bestätigt, selbst wenn sie nicht immer die Mehrheit aller Zuschauer und Zuhörer finden. Deswegen und wegen manch anderer Gründe – wie einer unabhängigen Berichterstattung – sind Rundfunkgebühren zu rechtfertigen.

Spitzenreiter als Musikland

Die Art und Weise, wie der SWR nun spart, entspricht der Logik von Funktionären. Der Rundfunkrat, der Mitte Juni in der Frage entscheidet, wie die Orchester zu den Sparvorgaben beitragen können, setzt sich aus nach Proporz bestimmten Vertretern von Politik, Verbänden und Vereinen zusammen. Ein Drittel kommt aus Rheinland-Pfalz. Dessen Vertreter argumentieren, dass „ihr“ Rundfunkorchester bereits 2007 mit dem in Saarbrücken fusioniert wurde. Daher müssten nun Württemberg und Baden bluten. Das erinnert an Kinder in der Sandkiste: Haust du mir die Sandburg zusammen, schnapp ich mir deine Förmchen.

Baden-Württemberg ist auch als Musikland Spitzenreiter. Jeder siebte Einwohner ist in einem Musikverein organisiert, beim Wettbewerb „Jugend musiziert“ liegt der Südwesten meist auf den vorderen Rängen, der Staat setzt auf Ausbildungsexzellenz: Fünf Musikhochschulen schicken ihre Absolventen in die Orchester. Zwei erstklassige Orchester gibt es im Land, die nach Japan, China und zur Konzertreihe „Proms in London“ eingeladen werden: die SWR-Orchester in Stuttgart und Baden-Baden/Freiburg. Sie haben treue Abonnenten und Zuhörer, jedes Konzert wird im Radio gesendet, die Neue Musik hat durch sie in Donaueschingen und beim Stuttgarter Eclat-Festival engagierte Anwälte, beide sind in der Kinder- und Jugendarbeit aktiv.

Das und viel mehr würde zerstört, vereinigte man die zweihundert Musiker in einem Orchester und dampfte dieses dann auf 120 Mitglieder ein. Der Verlust hätte schlimme Folgen für das kulturelle Leben, die Konzertangebote entweder in Stuttgart oder in Freiburg. Fehlte eine prominente Musikinstitution mit all ihren Multiplikationsfaktoren, hieße das weniger Musiker, weniger Instrumentallehrer, weniger Kammermusikaktivitäten, weniger Hochschulexzellenz, weniger Arbeit in Schulen.

Und am Ende würde die Fusion ein Fanal sein, beim WDR, beim NDR, erneut in München und in Berlin, wo es jeweils zwei Orchester gibt. Der SWR als Musterfall: neue Ver- und Abschmelzungsdebatten kämen in Gang und würden den Hebel an die Grundfesten kultureller Vielfalt setzen.