Nach dem Wahlsonntag schauen alle nach Frankreich, doch ein Blick nach Griechenland ist beunruhigender, meint StZ-Chefredakteur Joachim Dorfs.

Chefredaktion: Joachim Dorfs (jd)

Stuttgart - Nach dem Super-Wahlsonntag schaut Deutschland auf Frankreich, den künftigen Präsidenten Francois Hollande und seine Warnung an Bundeskanzlerin Angela Merkel, den bereits von praktisch allen EU-Ländern unterzeichneten Fiskalpakt neu aufrollen zu wollen. Ist dies das viel beschworene Ende der Sparpolitik, von den einen ersehnt, von den anderen befürchtet? Kaum. Hollande wird es gelingen, die Akzente in der deutsch-französischen, der europäischen Politik zu verschieben. Er wird Zugeständnisse aus Berlin erhalten, die die Wachstumskräfte in Europa beleben sollen – von einer Aufstockung der Mittel für die Europäische Investitionsbank bis hin zu einer Umwidmung von EU-Geldern. Das ist gut und richtig. Doch zu den wenigen deutschen Wörtern, die es in die französische Sprache geschafft haben, gehört auch die „Realpolitik“. Die großen Versprechungen, die Hollande im Wahlkampf gemacht hat, wird er nur zu einem sehr begrenzten Teil umsetzen können. Große Ausgabenprogramme französischer Provenienz wird es nicht geben können, weil ein Teil der Effekte sofort durch höhere Zinsen wieder kassiert werden würde. Das weiß auch der künftige starke Mann Frankreichs.

 

Die Zukunft Griechenlands ist völlig unkalkulierbar

Die wirkliche Gefahr droht daher nicht nur Deutschland, sondern ganz Europa aus einer ganz anderen Ecke. Denn nach den Wahlen am Sonntag ist die Zukunft Griechenlands völlig unkalkulierbar. Nun spielen die Hellenen im Konzert der Großen zwar kaum mehr als die Triangel. Doch in den vergangenen zwölf Monaten war immer wieder zu besichtigen, welch dramatische Folgen Misstöne in Form eines ins Trudeln geratenen Euro-Land auf die Gemeinschaftswährung haben können. Wenn sich Griechenland von Europa abwendet, wenn es beschließt, die Zahlungen auszusetzen und die Drachme wieder einzuführen, dann muss das nicht zwingend katastrophale Folgen für die europäische Wirtschaft haben – aber es kann.

Gesucht: Eine neue Achse Berlin-Paris

Die Europäische Union hat immer dann gut funktioniert, wenn Deutschland und Frankreich an einem Strang gezogen haben. Womöglich steht die EU gerade vor einer ihrer größten Herausforderungen. Angela Merkel und Francois Hollande haben zu Beginn ihrer Zweierbeziehung keine Zeit für Befindlichkeiten. Sie müssen ihre Differenzen sehr schnell überwinden.