Mit der Einigung im Diesel-Streit und den Vereinbarungen beim Einwanderungsgesetz will die Koalition will zeigen, dass sie noch handlungsfähig ist. Doch ein bitterer Beigeschmack bleibt, kommentiert unser Autor Thomas Maron.

Berlin - Diesmal haben Union und SPD nicht nur eine Nachtsitzung lang über strittige Fragen gerungen. Diesmal haben sie dabei statt einer Koalitionskrise tatsächlich auch Ergebnisse vorzuweisen. Es gibt Einigungen, wie mit dem Diesel umzugehen ist und auch, dies ziemlich überraschend, über Eckpunkte eines Einwanderungsgesetzes. Die Koalition will zeigen, dass sie noch handlungsfähig ist, dass sie mehr kann, als nur streiten.

 

Nach all den Querelen der vergangenen Monate ist das eine wohltuende Abwechslung. Ein bitterer Beigeschmack bleibt, vor allem bei der Diesel-Einigung, denn nicht die prinzipielle Einsicht in die Notwendigkeit, den von Industrie und zaudernden Politikern verschaukelten Diesel-Fahrern beizuspringen, hat nach Jahren der Tatenlosigkeit die Regierung am Ende zu hastigem Handeln bewegt. Es ist allein die Angst vor dem Wähler und der Blick auf desaströse Umfragewerte die eine Lösung erzwangen. In Bayern und Hessen wird bald gewählt, und wie es aussieht, steht Union und SPD dort alles andere als ein goldener Herbst bevor, eher ein sibirischer Winter.

Vertrauen verspielt

Politik und Industrie haben jede Menge Vertrauen verspielt. Und mit dem nun verabschiedeten Konzept sind auch nach wie vor nicht alle Probleme gelöst, zumal das Ja-Wort der Autohersteller zu diesen Lösungen offenbar noch aussteht. Es ist zwar ein Fortschritt, dass die Besitzer von Diesel-Fahrzeugen jetzt wissen, welche Handlungsmöglichkeiten ihnen die Politik in die Hand legen will.

Aber die angestrebte Nachrüstlösung für Euro-Fünf-Fahrzeuge in besonders betroffenen Gebieten wie Stuttgart steht weder schon zur Verfügung, noch ist die Finanzierung endgültig geklärt, noch können sich Kunden bisher auf umfassende Garantieversprechen und Gewährleistungsansprüche verlassen, auch nicht nach dieser langen Nacht im Kanzleramt. Und die Umtauschprämie, auch wenn sie üppig ausfällt, wird in vielen Fällen nicht ausreichen, um Diesel-Fahrer mit schmalem Portemonnaie in die Lage zu versetzen, den womöglich noch gar nicht so alten in einen neuen oder ausreichend ausgerüsteten gebrauchten Wagen zu tauschen.

Viele Autofahrer werden außerdem trotz der Einigung der Koalitionäre daran zweifeln, ob man den Autobauern überhaupt noch trauen kann. Und nicht nur denen. Der Glaube an die Verlässlichkeit des Rechtsstaates, der auch Bürger ohne eigene Lobby vor üblen Tricks schützt, hat angesichts des Umgangs mit der Diesel-Krise empfindlich gelitten. In Zeiten, in denen die Demokratie vielen nicht mehr heilig und von Populisten aus unterschiedlichen Richtungen angegriffen wird, ist dies eine schlimme Sache und es bleibt zu hoffen, dass Union und SPD, aber auch die Autoindustrie, daraus dauerhaft ihre Lehren ziehen.

 

Krisengewinner am rechten Rand

Für den gesellschaftlichen Zusammenhalt nicht minder wichtig wäre es, wenn die Auseinandersetzungen über die Flüchtlingspolitik in Deutschland endlich aus dem sumpfigen Terrain der Angstmacher auf eine sachliche, rationale Ebene gehoben werden könnte, weil das den Krisengewinnern am rechten Rand Nährboden entzieht. Ein Einwanderungsgesetz mit verlässlichen Regeln, wie es die Koalition nun anstrebt, ist dazu ein wichtiger erster Schritt. Der Staat muss definieren, welche Menschen jenseits des Rechts auf Asyl bleiben können.

Weil sie bereit sind, sich an Regeln und Gesetze zu halten, ihren Lebensunterhalt selbst bestreiten, diese Gesellschaft voran bringen können und über Wissen verfügen, das in den Betrieben und Forschungseinrichtungen dringend gebraucht wird. Das muss im Umkehrschluss auch bedeuten, dass man künftig schneller erkennen kann, wer in Deutschland keine Zukunft hat. Dass die CSU in dieser Frage jetzt überhaupt zu erstaunlichen Zugeständnissen bereit ist, macht Hoffnung auf einen seriöseren Umgang mit dem sensiblen Thema.

In München scheint endlich die Einsicht einzukehren, dass im Falle einer erneuten Eskalation des Streits über die Flüchtlingspolitik bei der Landtagswahl in Bayern kein Fallschirm mehr den Absturz mildern könnte. Nun sind in dem Papier der Koalition lediglich Eckpunkte für ein Einwanderungsgesetz vereinbart worden. Die Tücke wird im Detail lauern. Aber darüber lässt sich ja vielleicht endlich mal in Ruhe reden – nach der Bayernwahl.