Im Rahmen des rechtlich Möglichen haben die Stadt und das Land zugesagt, bei Thema Staatsbürgerschaft so kulant wie nur irgend möglich zu sein. Das ist kein Gnadenakt, sondern gut so, meint StZ-Redakteur Cedric Rehman.

Stuttgart - Der Verlust der Staatsbürgerschaft ist ein einschneidender Vorgang. Das Grundgesetzt verbietet in Artikel 16 den Entzug dieses Bürgerrechts. Aus gutem Grund, denn die Verfassungsrechtler in der jungen Bundesrepublik erinnerten sich nur zu gut an die Willkür, die kritische Geister wie Thomas Mann oder Bertolt Brecht im Exil zu Staatenlosen machte.

 

Doch vor gut einem Jahrzehnt wurde in der Parteienküche für die Gruppe von Staatsangehörigen mit ausländischen Eltern ein Kompromiss gebraut. Er erlaubt, den im Grundgesetz eigentlich nicht vorgesehenen Entzug der deutschen Staatsbürgerschaft, wenn Deutsche mit doppelter Staatsbürgerschaft sich bis zum 23. Lebensjahr nicht explizit für den deutschen Pass entscheiden. Es ist müßig, über die Motive von damals zu diskutieren. Vor allem über den Verlustschmerz der CDU, die dem alten Abstammungsrecht nachtrauerte und noch vor nicht allzu langer Zeit nichts von einem Einwanderungsland Deutschland wissen wollte. Undenkbar heute in der Partei Angela Merkels.

Die Gesellschaft ist weiter

Denkbar hingegen ist, dass sich die Einbürgerungsbehörden in Stuttgart und anderswo nicht lange mit einer umstrittenen Regelung plagen müssen, von der sie bloß befürchten, dass sie Ressourcen und damit Steuergeld verschlingt. Die Gesellschaft ist längst weiter als dieses Gesetz aus dem Jahr 2000. Es entspricht nicht mehr einem öffentlichen Diskurs, der den Zusammenhang zwischen Einwanderung und Wohlstand endlich erkannt hat. Der Standpunkt der Stuttgarter Einbürgerungsbehörde lässt keinen Raum für Zweifel: Sie will nicht ruhen, bis sich alle junge Männer und Frauen mit doppelter Staatsbürgerschaft zu einer Entscheidung möglichst für den deutschen Pass durchringen. Es schmerzt die Beamten, dass Bürger ihre Bürgerrechte verlieren könnten, nur weil sie eine Frist versäumen. Denn sie wissen: es geht nicht um die Mitgliedschaft in einem Fitnessstudio. Im Rahmen des rechtlich Möglichen haben Stadt und Land deshalb zugesagt, so kulant wie nur irgend möglich zu sein. Das ist kein Gnadenakt, sondern gut so.