Seit Jahren steckt der VfB Stuttgart in einer Führungskrise. Wieder einmal ist der Abstieg nur knapp verhindert worden. Lernt die Chefetage des Vereins nun endlich dazu? Ein Kommentar von Sportchef Peter Stolterfoht

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Peter Stolterfoht (sto)

Stuttgart - Die Rechnung lag auf dem Tisch. Alle Posten waren akkurat notiert, und unter dem Strich stand die Zahl 40 Millionen Euro. Diese Summe hätte dem VfB Stuttgart gefehlt, wenn er in die zweite Liga abgestiegen wäre. Das wäre also der Preis gewesen für die desolate Vereinspolitik in den vergangenen Jahren.

 

Weißes Trikot, roter Faden. Die Führungskrise zieht sich schon seit Jahren durch den Club. Seit der deutschen Meisterschaft 2007 präsentiert sich der VfB orientierungslos. Es begann mit den Differenzen zwischen dem damaligen Präsidenten Erwin Staudt und dem Aufsichtsratsvorsitzenden Dieter Hundt. Es folgten chaotische Zustände unter Staudts völlig ungeeignetem Nachfolger Gerd Mäuser. Der Verein stand vor der Zerreißprobe. Aber auch unter dem amtierenden Clubchef Bernd Wahler bekam der VfB Stuttgart keine richtige Struktur.

Diese kontinuierliche Führungsschwäche hätte fast zum Abstieg geführt. Seitdem aber ein klare Linie zu erkennen ist, hat sich der Verein berappelt und mit vereinten Kräften gerade noch den Abstieg verhindert. Hier wird somit offensichtlich, dass politische Entscheidungen der Clubführung das sportliche Ergebnis direkt beeinflussen. In der Endphase dieser Saison gab der Verein erstmals seit langer Zeit wieder ein gutes Bild ab. Der Sportvorstand Robin Dutt strahle Ruhe aus und gab das Motto vor, der Verein habe nur noch mit einer Stimme zu reden. Vor allem mit seiner, was nicht die schlechteste Taktik war.

Ohne Fußballsachverstand wird es nicht gehen

Ein wichtiges Zeichen, das auch bei der Mannschaft angekommen ist, war der Rauswurf des Aufsichtsratsmitglieds Hansi Müller, der gegen entsprechende Absprachen ausgeplaudert hatte, dass Alexander Zorniger Huub Stevens als Trainer beerben wird. Ebenso richtig war zuvor die Trennung vom Finanzvorstand Ulrich Ruf, der der Entwicklung beim VfB im Weg stand. Die Führung des Vereins hat sich darauf festgelegt, dass allein der Fußball im Mittelpunkt stehen darf, und der soll künftig nicht mehr von der Finanzpolitik gesteuert werden. Endlich hat sich beim VfB die Erkenntnis durchgesetzt, dass ein Fußballverein nicht allein nach buchhalterischen Regeln geführt werden darf.

Der VfB hat in letzter Sekunde den Abstieg verhindert, und er scheint jetzt tatsächlich auch einmal die Lehren aus der Vergangenheit zu ziehen. Ex-Profis wie Günther Schäfer rücken ins Sportmanagement. Davon verspricht man sich mehr Fußballsachverstand. Der fehlte dem Verein zuletzt. Ein Manko, das Robin Dutt aktiv angeht. Im Gegensatz zu seinem Vorgänger Fredi Bobic, der die Alleingänge bevorzugte. Das fehlende Korrektiv in der sportlichen Leitung ist auch ein Grund gewesen für den Niedergang des VfB.

Eine richtige Entscheidung war es zuletzt auch, dass sich Bernd Wahler aus den sportlichen Belangen herausgehalten hat. Fußball ist nicht sein Spezialgebiet. Er hörte anfangs auf zu viele Einflüsterer, was die ganze Sache nur noch komplizierter machte. Deshalb ist Bernd Wahler aber nicht automatisch der falsche Präsident für den VfB. Er hat viele und auch gute Ideen, die er in der Krise aber noch nicht umsetzen konnte. In Zukunft soll es beim VfB aber auch wieder um etwas anderes gehen als um die reine Schadensbegrenzung.

Dass der Club wieder eine Perspektive in der ersten Liga hat, liegt aber auch ganz maßgeblich an Huub Stevens, der die VfB-Rettung zum Geschäftsmodell gemacht hat. Der Niederländer wird nun von Alexander Zorniger abgelöst. Die Verpflichtung eines Erstliga-Neulings kann durchaus kritisch gesehen werden. Der VfB muss sich das Vertrauen in seine Entscheidungen erst wieder hart erarbeiten. Bis es soweit ist, wäre es geschickt, wenn sich Huub Stevens nichts Großes vornehmen würde. Es könnte ja sein, dass der VfB im Winter zum dritten Mal seine Hilfe braucht.