Bei den Kommunalwahlen in Frankreich triumphieren die Rechtspopulisten unter Marine Le Pen. Sie profitieren vom Ärger über die ungelösten Probleme des Landes, analysiert StZ-Frankreich-Korrespondent Axel Veiel.

Paris - Nun erobert der Front National also auch noch Frankreichs Rathäuser. Die Rechtspopulisten sind präsenter denn je. In 229 Städten haben sie bei den Kommunalwahlen die Zehnprozenthürde genommen und sind in die zweite Wahlrunde vorgedrungen. Bei den Präsidentschaftswahlen hatte die smarte Parteichefin Marine Le Pen mit 17,9 Prozent zuvor ebenfalls ein Rekordergebnis erzielt. Aber auch wenn die Dämme brechen, es ist keine braune Flut, die sich da über blühende Landschaften ergießt. Nicht der Faschismus gewinnt in Frankreich an Boden, der Frust ist es. Sie seien nicht „fachos“, sondern „fachés“, pflegen Wähler des Front National glaubhaft zu versichern – nicht Faschisten also, sondern schlicht verärgert.

 

Der Zorn gilt den Politikern der großen Volksparteien, von denen sich immer mehr Franzosen im Stich gelassen fühlen. Er gilt den regierenden Sozialisten, die keinen überzeugenden Ausweg aus der Wirtschaftskrise weisen und zumal der Arbeitslosigkeit nicht Herr werden. Er gilt den in Affären und Skandale verstrickten Rechtsbürgerlichen, die sich vor allem mit sich selbst beschäftigen und politische Alternativen schuldig bleiben. Hier Unfähigkeit, dort Selbstgefälligkeit – abschreckend ist beides. Lachende Dritte ist Marine Le Pen.

Der Front National siegt da, wo die anderen versagen

Wo die Probleme am drängendsten sind, haben die Rechtspopulisten denn auch am eindrucksvollsten triumphiert: in Hénin-Beaumont, der ehemaligen Kohlengrubenstadt, die von einem korrupten Sozialisten heruntergewirtschaftet wurde; in Fréjus, wo die Schulden pro Einwohner zu den höchsten zählen; in Marseille, wo bewaffnete Drogendealer ganze Viertel tyrannisieren. Und das war wohl erst der Anfang. Der Front National (FN) hat sein Potenzial längst nicht ausgeschöpft, denn es sind nicht nur die FN-Wähler, die den Glauben an die Politiker der linken oder rechten Mitte verloren haben. Fast 40 Prozent der Stimmberechtigten haben sich am Sonntag gar nicht erst in die Wahllokale bemüht – und dies, da die Kür des Bürgermeisters anstand, das laut Umfragen angesehenste politische Amt zu vergeben war.

Was für Frankreich gilt, trifft leider auch auf Europa zu. Nicht nur, dass der Front National laut Umfragen beste Chancen hat, als stärkste politische Kraft aus den EU-Wahlen hervorzugehen und im Straßburger Parlament lautstark für Schlagbäume, Zollgrenzen und die Abschaffung des Euro zu plädieren. Auch im Rest Europas sind Rechtspopulisten auf dem Vormarsch. Mit demselben Eifer, mit dem Marine Le Pen die Abschottung Frankreichs propagiert, schlägt sie Brücken zu Gesinnungsgenossen in anderen EU-Staaten. In Großbritannien, Österreich, Italien, den Niederlanden oder auch Schweden: überall findet die Parteichefin von Aufbruchstimmung beseelte Mitstreiter. Frust und Zorn machen blind.

Die Ablehnung anderer Parteien ist noch kein Programm

Jedenfalls können oder wollen die Anhänger Le Pens nicht sehen, dass die Rente mit 60, die Anhebung des Mindestlohns um 200 Euro und andere vom FN propagierte „Wirtschaftsreformen“ Frankreich in den Ruin treiben würden. Genauso wenig wollen die Gefolgsleute wahrhaben, dass sich Europas Staaten allenfalls geeint im internationalen Wettbewerb Gehör verschaffen können, dass der Rückfall in die Nationalstaatlichkeit die gegenwärtige Wirtschaftskrise nur verschärfen würde. Dagegen zu sein, die etablierten Parteien zu verdammen, das politische System, Europa und die Globalisierung ebenfalls, wie dies die Rechtspopulisten tun, ergibt noch lange keine konstruktive Politik. Die Gemeinden, die künftig von einem FN-Bürgermeister regiert werden, dürften dies bald schmerzlich zu spüren bekommen. Bleibt zu hoffen, dass den Regionen, dem Land, der EU diese Erfahrung erspart bleibt. Da sich das enttäuschte Volk nicht auswechseln lässt, müssten dazu jedoch die Politiker umdenken und sich wieder als – im Wortsinne – Vertreter des Volkes verstehen.