Konzerte in Gefahr Veranstalter schlagen Alarm

Depeche Mode, früher im Oz, später traten sie im Stadion auf. Foto: Lichtgut/ Oliver Willikonsky

Die Pandemie wirkt nach. Die Veranstalter beklagen, dass die Besucher noch immer lieber zu Hause bleiben als zu Konzerten zu gehen. Sie fürchten, dass ihre Branche zugrunde geht. Und bitten um Hilfen vom Land.

Im Oz traten sie erstmals auf. In grauer Vorzeit, damals 1982, als sie noch keine große Nummer waren. „Kraftwerk meets Bay City Rollers“, schrieb der Musik-Express über Depeche Mode, das Publikum nahm den Auftritt in dem Stuttgarter Club eher gleichgültig zur Kenntnis. 40 Jahre später gehen die Karten für ihre Shows weg wie geschnitten Brot. Darf es noch ein bisschen mehr sein? 200 Euro muss zahlen, wer Depeche Mode in der Waldbühne in Berlin sehen will.

 

Je bekannter, desto besser der Verkauf

Für Bruce Springsteen in Hockenheim oder Hamburg muss man noch was drauflegen. Für normale Tickets wohlgemerkt, nicht die Platinum-Version, wo man womöglich noch einen Handschlag vom Star bekommt. Es gilt die Faustregel: Je bekannter der Star, desto größer die Präsenz in Sozialen Netzwerken, desto besser verkaufen sich die Karten. Desto mehr Geld kann man verlangen. Die erste Garde, die verkaufe sich bestens, sagt Christian Doll, Geschäftsführer von C2-Records und stellvertretender Präsident des Bundesverbands der Konzert- und Veranstaltungswirtschaft (BDKV). Doch eine Preisklasse darunter wird es schwierig. „Trotz der herausragenden Jahresergebnisse der großen Konzerne unserer Branche ist die Situation bei den kleineren und mittleren Veranstaltern, bei Klassikreihen, Festivals, bei Konzerten von Nachwuchskünstlern und außerhalb der Ballungsgebiete sehr angespannt“, schreibt Johannes Everke, Geschäftsführer des BDKV, ans Wirtschaftsministerium des Landes, „wir befürchten ein Einbrechen des Wirtschaftszweigs, was neben den Unternehmen und den mit ihnen verbundenen Arbeitsplätzen die Breite und Vielfalt unseres Kulturlebens stark gefährdet oder schädigt.“

Furcht um die Branche

Warum gibt es keinen Sonderfonds mehr?

Der Adressat ist dabei kein Zufall. Man möchte Geld vom Land. „Wir würden uns eine Neuauflage der Wirtschaftlichkeitshilfe zugunsten der Unternehmen in Baden-Württemberg wünschen, wie sie das Land Hamburg bereits umgesetzt hat und das Land Niedersachsen plant“, schreibt Everke. Bis 2022 hatte der Bund einen Sonderfonds aufgelegt: Dieser deckte bis zu 90 Prozent der Kosten bei Konzerten bis 2000 Zuschauern. Für Veranstalter wie Doll bedeutete dies zwar einen hohen Aufwand, sie mussten jede Veranstaltung anmelden und einzeln abrechnen. Aber es bedeutete, „dass die Veranstaltungen stattfanden“, man habe zwar kein Geld verdient, aber auch nichts draufgelegt.

Was nutzte der Sonderfonds?

So konnten Touren stattfinden, statt sie absagen zu müssen; die Veranstaltungsstätten wurden genutzt und bezahlt; die Künstler verdienten Geld; und all die helfenden Hände von der Garderobe bis zu Ordnern, Technikern hatten ein regelmäßiges Einkommen. Nun hat die Bundesregierung den Sonderfonds ersetzt durch einen Energiefonds, der aber komme, wenn überhaupt, den Veranstaltungsstätten zugute, sagt Doll. Deshalb hat Hamburg bereits reagiert und einen eigenen Sonderfonds aufgelegt, Niedersachsen will folgen. Und Baden-Württemberg? Da hofft Doll auf zügige Hilfe. „In der Regel haben wir 40 bis 70 Prozent Auslastung bei Veranstaltungen.“ Im Schnitt brauche man aber mehr als 80 Prozent Auslastung, um Geld zu verdienen.

Der Vorverkauf funktioniert nicht mehr

Woran das liegt? Viele bleiben immer noch zu Hause, die allgemeine Teuerung lässt weniger Budget für Unterhaltung, die Neugier auf kleinere und neuere Bands scheint nicht mehr so groß. Gerade dort entscheide man sich spontan für den Kartenkauf, „im Vorverkauf setzen wir weniger Karten ab“, sagt Doll. Damit fehle den Veranstaltern aber die Sicherheit, sagt Everke, „schließlich gehen sie bei der Zusammenstellung einer Tournee oder der Buchung aller Dienstleister und Gewerke in Vorleistung und ins wirtschaftliche Risiko“. Ohne ausreichende Einnahmen durch den Vorverkauf sagt man lieber die Tour ab, um nicht noch mehr draufzulegen. Was dazu führt, dass die Kunden ihr Vertrauen verlieren, erst recht nicht mehr im Voraus Karten kaufen, die Künstler keine Gelegenheit haben, sich auszuprobieren und bekannt zu machen, und all die Arbeitnehmer rund um Veranstaltungen anderswo Jobs suchen, in denen sie verlässlich Geld verdienen.

Ein Teufelskreis

„Das ist ein Teufelskreis“, sagt Doll. Um den zu durchbrechen, Sicherheit und Planbarkeit zu bekommen, wäre ein Sonderfonds sehr hilfreich, sagt Doll. Eine bundesweit einheitliche Unterstützung wäre am sinnvollsten, sagt er, „denn unsere Tourneen enden ja nicht an den Grenzen der Bundesländer“. Da dies aber nicht in Sicht sei, hoffe er mit seinen Wünschen von der Landesregierung erhört zu werden. Damit man auch von den heutigen Newcomern so eine Geschichte wie von Depeche Mode erzählen kann. Weißt Du noch, damals im Oz.

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