Auf ungewöhnlich stabilen Umlaufbahnen umkreisen sechs Planeten seit acht Milliarden Jahren den Stern HD110067. Dies hat ein internationales Forscherteam nun mit dem Nasa-Weltraumteleskop „Cheops“ jetzt untersucht. Das Besondere an dem planetarischen Sextett ist seine geradezu tänzerische Synchronisation.

Wochenend-Magazin: Markus Brauer (mb)

Sechs Planeten kreisen um den Stern HD110067 im Sternbild Haar der Berenike. Ihre Umlaufbahnen sind seit acht Milliarden Jahren ungewöhnlich stabil – deutlich länger, als unser Sonnensystem existiert.

 

Mit dem Weltraumteleskop „Cheops“ (CHaracterising ExOPlanet Satellite) der Europäischen Raumfahrtagentur Esa ergründet ein internationales Forscherteam die Geheimnisse dieses fernen Planetensystems.

"Cheops" untersucht helle, aber wenig aktive Sterne mit bereits nachgewiesenen Exoplaneten in der Größe zwischen einer Supererde und Neptun mittels ultrapräziser Photometrie. Foto: Esa
Am 18. Dezember 2019 startete eine Sojus-Rakete mit dem "Cheops"-Teleskop an Bord ins All.  Foto: Esa

Missionsziel von „Cheops“ ist es, Exoplaneten in der näheren Umgebung der Erde zu charakterisieren und zu untersuchen. Das Teleskop soll dafür etwa 400 Sterne mit bereits bekannten Planetensystemen aus einer Erdumlaufbahn beobachten.

Sechs synchrone Planeten umkreisen Stern HD110067

Tänzerischer Gleichschritt: orbitale Geometrie von Stern HD110067. Foto: Thibaut Roger/NCCR Planets

Dass gleich mehrere Planeten den etwa einhundert Lichtjahre entfernten Stern HD110067 umkreisen, wissen Astronomen schon seit einer Weile. Wie viele es tatsächlich sind und auf welchen Umlaufbahnen sie sich bewegen, war jedoch stets ein Rätsel. Bis jetzt.

Genaue Beobachtungen eines internationalen Forschungsteams mit dem europäischen Weltraumteleskop zeigen: Insgesamt sechs Planeten kreisen in vollkommener Resonanz – also im perfekten Gleichtakt – um Stern HD110067. Das ist höchst ungewöhnlich, denn es bedeutte, dass die Umlaufbahnen über etwa acht Milliarden Jahre hinweg stabil geblieben seien, berichten die Wissenschaftler im Fachblatt „Nature“ („A resonant sextuplet of sub-Neptunes transiting the bright star HD 110067“).

Stern HD110067 ist etwas kleiner als die Sonne

Diese Grafik illustriert Stern HD110067 und die ihn synchron umkreisenden sechs Planeten. Foto: Esa

Vor drei Jahren stieß das Weltraumteleskop „Tess“ der US-Raumfahrtbehörde Nasa auf schwache Helligkeitsänderungen bei dem Stern, der mit 80 Prozent des Durchmessers etwas kleiner ist als unsere Sonne. Mit über acht Milliarden Jahren ist er aber fast doppelt so alt.

Helligkeitsänderungen treten regelmäßig auf, wenn Planeten von der Erde aus gesehen vor dem Stern vorüberziehen und ihn deshalb etwas abdunkeln. Die meisten der über 5500 bekannten Planeten bei anderen Sternen haben sich durch solche sogenannten Transits verraten.

„Cheops“ beobachtet Sterne mit hoher Genauigkeit

Nach dem Start im Dezember 2019 wurden Anfang 2020 die ersten Tests durchgeführt. Dazu wurden unter anderem bekannte Sterne beobachtet, um die Leistungsfähigkeit der Instrumente im Orbit zu prüfen. Foto: Imago/Itar-Tass
Im Jahr 2021 entdeckte „Cheops“ sechs Exoplaneten im System des 200 Lichtjahre entfernten Sterns TOI-178. Fünf von ihnen umkreisen ihn in einer harmonischen Bahnresonanz. Foto: Imago/Itar-Tass

Mindestens zwei Planeten müssten HD110067 umkreisen, folgerten die Astronomen aus den „Tess“-Daten zunächst. Doch so recht wollten die Helligkeitsschwankungen nicht zu den möglichen Umlaufbahnen passen. Auch weitere Messungen mit „Tess“ im Jahr 2022 brachten kaum mehr Klarheit. Rafael Luque von der Universität Chicago und seine Kollegen haben den Stern deshalb mit Hilfe von „Cheops“ noch einmal genauer untersucht.

Das am 18. Dezember 2019 anBord einer russischen Sojus-Rakete gestartete Weltraumteleskop überwacht im Gegensatz zu „Tess“ nicht die Helligkeit vieler Sterne auf einmal, sondern beobachtet mit hoher Genauigkeit einzelne Sterne. Bei diesen sind bereits Planeten bekannt, so dss man detaillierte Informationen über diese Systeme erhält. „So konnten wir ganz gezielt nach Signalen suchen, die zu potenziellen Umlaufbahnen passen“, erläutert Luque. Und damit hatte sein Team Erfolg.

Planeten-Laufbahnen sind seit acht Milliarden Jahren stabil

Präzise wie ein Schweizer Uhrwerk umkreisen die sechs Exoplaneten ihren Heimatstern. Foto: Dr. Hugh Osborn/Universität /Bern

Anhand der „Cheops“-Daten konnten die Forscher zunächst drei Planeten mit Umlaufzeiten von 20,5 Tagen, 13,7 Tagen sowie 9,1 Tagen nachweisen. Das war höchst ungewöhnlich, denn diese Perioden stehen jeweils im ganzzahligen Verhältnis von 3:2 zueinander. „Resonanzen“ nennen die Himmelsforscher solche Beziehungen. Computermodelle der Entstehung von Planetensystemen zeigen, dass Planeten häufig auf Umlaufbahnen entstehen, die in Resonanz zueinander stehen.

Doch solche Zustände sind fragil und können durch vielerlei Einflüsse – beispielsweise einen nah vorüberziehenden Stern oder Einschläge von Asteroiden – aus dem Gleichgewicht gebracht werden. „Die Architektur dieses Planetensystems ist demnach jedoch seit seiner Geburt nahezu unverändert geblieben“, betont Luque.

Damit liefert das ungewöhnliche System einen Einblick in seine Entstehungsgeschichte, der bei anderen Sternen mit ihren durch Störungen veränderten Orbits nicht mehr möglich ist.

Ein Trick enthüllt das Geheimnis des Planeten-Sextetts

Neben den Transits der drei so entlarvten Planeten blieben in den Daten von „Cheops“ aber immer noch einige zunächst unerklärliche Helligkeitsänderungen des Sterns zurück.

Nun jedoch konnten die Astronomen einen Trick anwenden: Da die Architektur des Systems noch im ursprünglichen Zustand ist, sollten sich auch weitere Planeten in Resonanz zueinander bewegen. Auf diese Weise konnten sie schließlich alle Beobachtungen mit drei weiteren Planeten mit Umlaufzeiten von 30,8 Tagen, 41,1 Tagen und 54,8 Tagen erklären.

Sechs Mini-Neptune und keine Super-Erden

Blick auf den Planeten Neptun von seinem Mond Triton aus. Foto: Imago/Agefotostock

Die sechs Planeten sind alle zwischen zwei- und dreimal so groß wie die Erde. Zusätzliche Beobachtungen mit dem „Very Large Telescope“ der Europäischen Südsternwarte in Chile lieferten den Astronomen außerdem genauere Informationen über die Massen der Planeten.

Dabei zeigte sich eine weitere Besonderheit dieses fernen Planetensystems: Offenbar handelt es sich bei den sechs Begleitern von Stern HD110067 nicht um „Super-Erden“, also größere Gesteinsplaneten, sondern um eine Art Miniaturausgaben des Planeten Neptun mit ausgedehnten Atmosphären.

Damit sei das System von Stern HD110067 ein ideales Beobachtungsobjekt für das amerikanische Weltraumteleskop „James Webb“, betonen die Forscher. Mit seinem großen Spiegel könne es die Zusammensetzung der Planeten-Atmosphären bestimmen und den Forschern so wertvolle Informationen über die Natur solcher Planeten liefern.