Ein ganz besonderes Konzert: Die Elektropioniere Kraftwerk sind am Samstag in Karlsruhe aufgetreten und haben die Fassade des Schlosses zum Leuchten gebracht.

Es war ein bisschen wie eine Zeitreise - in beide Richtungen. Einmal schien der Karlsruher Schlossplatz im Raumschiff an Satelliten vorbeizuschweben. Dann wieder waren die 1970er Jahre unweigerlich gegenwärtig: Mit Klassikern wie „Autobahn“, „Mensch-Maschine“ und „Das Model“ hat die legendäre Elektropop-Band Kraftwerk am Samstagabend das Publikum begeistert.

 

Das Konzert war in mehrfacher Hinsicht etwas Besonderes: Zum einen war es das einzige Konzert von Kraftwerk in diesem Jahr in Deutschland. Zum anderen fand es unter freiem Himmel vor dem Karlsruher Schloss statt – die Fassade des Barockgebäudes angestrahlt von 16 Hochleistungsbeamern, als es endlich dunkel genug war.

Synthesizer-Beats und Multimedia-Show

Die projizierten eine Multimedia-Show auf die 170 Meter breite Front. Mal pulsierende Ziffern in Neongrün, mal das grellgelbe Atom-Symbol, mal die Fahrt über die Autobahn oder der Blick aus einem Raumschiff. Dazu dröhnten Synthesizer-Beats und eine verzerrte Stimme über die Parkanlage: „Am Heimcomputer sitz ich hier. Programmier die Zukunft mir.“ Einem kurzen Schauer trotzten Fans mit Regencapes und Regenschirmen.

Die 16 000 Tickets für das Konzert waren schnell ausverkauft. Hinzu kamen unzählige Zaungäste, die sich die Darbietung von Kraftwerk-Mitgründer Ralf Hütter und seinen Kollegen wenige Tage  vor seinem 77. Geburtstag nicht entgehen lassen wollten. Manch einer im Publikum mag ein Fan der ersten Stunde gewesen sein.

Freundschaftliche Verbundenheit zu Peter Weibel

Das Projekt Kraftwerk entstand 1970 im Umfeld der experimentellen Kunstszene in Düsseldorf. Die Band schrieb Musikgeschichte und war stilbildend für Richtungen wie Elektro, Synthiepop, Minimal und Techno. Von der ursprünglichen Besetzung ist nur noch Hütter dabei.

Der weltweite Ruhm, den sich die Künstler erarbeitet haben, zeigt sich in Auszeichnungen wie einem Grammy für das Lebenswerk im Jahr 2014. 2021 wurde die Band in die Ruhmeshalle des Rock & Roll, die Hall of Fame in Cleveland im US-Bundesstaat Ohio, aufgenommen.

Den Auftritt am Samstag verdankten die Fans dem Anfang März gestorbenen langjährigen künstlerisch-wissenschaftlichen Vorstand des Zentrums für Kunst und Medien Karlsruhe (ZKM), Peter Weibel. Mit Hütter pflegte er eine künstlerische wie freundschaftliche Verbundenheit.

2018 Kraftwerk und Astronaut Gerst in Stuttgart

Schon bei der Eröffnung des ZKM 1997 waren Kraftwerk zu Gast. Zuletzt traten sie zum 25-jährigen Jubiläum des ZKM 2014 in Karlsruhe auf. Und diesmal hätten die beiden Männer noch bis kurz vor Weibels Tod am Konzept für die Multimedia-Performance am Schloss gearbeitet. „Seinem wunderbaren Freund“ widmete Hütter dann am Ende auch die Performance, bevor er den Gästen eine gute Nacht wünschte. Der einzige Moment während der zwei Stunden, bei dem er jenseits der Titel zu hören war.

Dass Kraftwerk-Konzerte etwas Besonderes sein können, erleben Fans immer wieder. Vor fünf Jahren beispielsweise auf dem Stuttgarter Schlossplatz: Da schaltete sich Astronaut Alexander Gerst live von der Internationalen Raumstation ISS zu dem Konzert und spielte mit Hütter im Duett den Song „Spacelab“. Dafür hatte er sogar einen extra programmierten Tablet-PC mit Synthesizern mit ins All genommen.

Rechtsstreit um „Metall auf Metall“

In Verbindung mit Karlsruhe taucht auch immer wieder ein Rechtsstreit zwischen Kraftwerk und dem Musikproduzenten Moses Pelham auf. Es geht um eine zwei Sekunden lange Tonfolge aus dem Stück „Metall auf Metall“ von 1977. Pelham legte sie 20 Jahre später leicht verlangsamt in Endlosschleife unter den Song „Nur mir“ mit der Rapperin Sabrina Setlur. Im Juni befasste sich der Bundesgerichtshof zum wiederholten Male damit. In einem Monat will er seine Entscheidung verkünden.

Wer die Show am Samstagabend verpasst hat, kann zumindest Eindrücke davon während der Schlosslichtspiele bekommen. Vom 16. August bis 17. September wird das Barockschloss wieder allabendlich illuminiert. Dabei soll auch das sogenannte Projection Mapping des Kraftwerk-Konzertes als eigenständige Show im Programm zu sehen sein.