Die Fraktionen überstimmen den Landrat. Die konservative Mehrheit lehnt das Sozialticket ab.

Böblingen: Kathrin Haasis (kat)

Kreis Böblingen - Einen Prozentpunkt weniger müssen die Kommunen im kommenden Jahr an den Kreis abtreten: Der Hebesatz wurde auf 32 Prozent gesenkt. Landrat Roland Bernhard wollte die Kreisumlage zwar bei ihrer bisherigen Höhe von 33 Prozent belassen, aber bei der Haushaltsverabschiedung wurde er überstimmt. Höhere Zuweisungen von Bund und Land sowie höhere Steuereinnahmen hatten dem Haushalt des Kreises ein Plus von fast sieben Millionen Euro beschert. Die Bürgermeister im Kreistag fanden diese Summe ausreichend genug, um weniger an das Landratsamt abtreten zu müssen.

 

Die CDU-Fraktion wollte die Kreisumlage sogar noch weiter absenken, weil sie mit höheren Steuereinnahmen gerechnet hatte, nahm dann aber Abstand von dem Plan. Immerhin ist die Kreisumlage nun auf dem tiefsten Stand seit zehn Jahren. Einnahmen von rund 460 Millionen Euro stehen im kommenden Jahr Ausgaben von etwa 463 Millionen Euro gegenüber. Den Haushalt verabschiedete der Kreistag ganz und gar nicht mehrheitlich: 53 Ja-Stimmen standen sechs Gegenstimmen und 20 Enthaltungen gegenüber.

Streit ums Sozialticket

Denn das Thema Sozialticket hatte das Gremium bei der Haushaltsverabschiedung entzweit. SPD, Grüne und die Linke hatten ihre Zustimmung zu dem Zahlenwerk an die Vergünstigung des öffentlichen Nahverkehrs für finanziell schlechter situierte Menschen geknüpft.

Sie scheiterten mit ihrer Strategie. Denn für das Sozialticket wollte die konservative Mehrheit kein Geld ausgeben. SPD und Grüne und die Linke hätte die Kreisumlage bei 33 Prozent belassen und dafür das kreisweit gültige Ticket eingeführt. Es sollte 21 000 Menschen im Kreis mobiler machen – bei geschätzten Kosten von 1,3 Millionen Euro im Jahr.

Nach den Fahrpreiserhöhungen vor drei Jahren hatte die SPD den Antrag auf das Sozialticket gestellt. Es sollte vor allem Menschen mit schwachen Einkommen die Möglichkeit der Teilnahme am öffentlichen Nahverkehr eröffnen.

Eigentlich sei die Region Stuttgart dafür zuständig, räumte die SPD ein, aber der Kreis könne einen ersten Schritt in diese Richtung machen. CDU, Freie Wähler und FDP hielten dagegen, dass es die Aufgabe des Bundes und nicht des Landkreises sei, ein solches Sozialticket einzuführen.

In der Region gibt es ein solches Ticket für sozial Schwache nur in Stuttgart und im Kreis Göppingen. In Göppingen nutzen es 1600 Menschen. „Mit einem solchen Bedarf und Aufwand haben wir bei der Einführung im Januar 2017 nicht gerechnet“, sagt Sebastian Hettwer vom dortigen Landratsamt.

Das Sozialticket

Berechtigte: Ein Sozialticket gibt es zum Beispiel schon in Stuttgart. Dort erhalten dieses Ticket Arbeitslose, Sozialhilfeempfänger, Menschen mit Hilfen zum Lebensunterhalt, Pflegebedürftige, Menschen in Eingliederungshilfeeinrichtungen, Asylbewerber sowie Bezieher von Wohngeld.

Bezug: Ein Sozialticket erhielten in Stuttgart alle Empfänger von Leistungen, die das Jobcenter bis zum 6. Dezember 2017 bewilligt hatte – die Bonuscard plus Kultur, die auch den kostenlosen oder ermäßigten Eintritt in Museen und zu Kulturveranstaltungen ermöglicht. Danach ist die Bonuscard bei Vorlage des Bewilligungsbescheides der Leistungen durch das Jobcenter beim Sozialamt der Stadt erhältlich.

Sozialticket: Der VVS hat errechnet, wie viel ein Nutzer von Bussen und Bahnen im Kreis Böblingen ausgeben müsste, wenn es analog zu Stuttgart dasselbe Sozialticket gäbe. Nach der VVS-Tarifreform würde er statt 86,50 Euro für zwei Zonen bei einem normalen Monatsticket 43,25 Euro bezahlen. Drei Zonen würden in dieser Ticketkategorie statt 115,20 Euro ebenfalls nur die Hälfte kosten.