In einer neu gegründeten Selbsthilfegruppe tauschen sich Menschen aus, die wegen Gluten in Lebensmitteln Probleme mit dem Dünndarm haben.

Böblingen - Carolin Roller geht nicht in die Kantine zum Essen. Die 26 Jahre alte Wirtschaftsinformatikerin, seit einem Jahr bei der Firma Daimler beschäftigt, bringt ihr Essen mit. „Ich koche und backe selbst gerne“, sagt die Böblingerin. Sie ist von einer chronischen Autoimmunerkrankung des Dünndarms betroffen, sie leidet unter Zöliakie. Besser gesagt: Sie litt darunter. Bereits vor 15 Jahren wurde bei ihr die Krankheit diagnostiziert, die auf einer Unverträglichkeit gegen das Klebereiweiß Gluten beruht, das in verschiedenen Getreidesorten wie Weizen, Roggen, Dinkel und Gerste enthalten ist. Carolin Roller hat ihre Ernährung umgestellt – und seitdem geht es ihr gut. Wie sie das geschafft hat, will sie nun an andere Betroffene weitergeben. In dieser Woche gründete sie eine Selbsthilfegruppe.

 

Auch Brot bäckt sie selbst

15 an Zöliakie leidende Menschen im Alter zwischen 20 und Mitte 50 möchten künftig gemeinsame Sache machen und sich austauschen. „Wir sind natürlich offen für weitere Teilnehmer“, sagt die junge Frau, die so gerne Süßes ist. Muffins, Kekse, Rühr- und Obstkuchen, ja sogar Torten kommen aus ihrem eigenen Ofen. Auch das Brot bäckt sie selbst. „Ich kaufe nur selten glutenfreie Lebensmittel, weil sie teuer sind“, erklärt die versierte Hausfrau.

Das ist freilich sehr ambitioniert, weil sie sich bei den Zutaten Alternativen ausdenken muss. Denn auch nicht alle herkömmliche Gemüsebrühe kann sie verwenden. Auch nicht Soßenbinder. Selbst die meisten Kartoffelchips sind nicht glutenfrei. Und bei Gewürzmischungen heißt es aufgepasst. Für Restaurantbesuche gilt das im übrigen ebenso. Die Bratkartoffeln, die sie gerne verzehrt, werden manchmal mit Mehl bestäubt, damit sie brauner werden und eine Kruste erhalten. Doch Gemüse lässt sich in Wasser kochen, Soßen können selbst hergestellt werden. Ein Schlüsselerlebnis hatte die Familie Roller, als sie nach der Entdeckung der Krankheit den ersten Gulasch gekocht hatten. Ohne Brühe oder Soßenzusatz aus dem Supermarkt schmeckte er anders als gewohnt. „Das kann nicht die Zukunft sein, haben wir uns damals gesagt“, berichtet Carolin Roller und arbeitet fortan an Rezepten.

Geänderter Speiseplan

Bei ihrer Mutter war die Erkrankung im Jahr 2002 festgestellt worden. Als ein Klinikarzt danach durch eine Darmspiegelung und einen Bluttest bei dem damals neunjährigen Mädchen dieselbe Diagnose traf, musste die Familie ihren Speiseplan ändern: „Auch mein Vater machte mit“, erinnert sich die heute 26-Jährige. „Ich hatte als Kind häufig Bauchschmerzen“. Ihr sei es einfach nicht gut gegangen.

Verwendet wurden fortan glutenfreies Mais-, Kartoffel – und Reismehl, zur Verdickung Johannissbrotkernmehl und als Stärkemittel Mais- oder Kartoffelstärke. Doch auf die richtige Mischung kommt man vor allem durch Ausprobieren. Ist der Teig beispielsweise nicht feucht genug, „kann man ein Ei dazu tun“, sagt die Freizeitbäckerin. Sie kennt noch weitere Tricks. Man könne beispielsweise auch zehn Prozent weniger Mehl als angegeben in den Rührteig geben.

Restaurantbesuche geplant

Ihr Wissen möchte sie nun anderen weitergeben, die ebenfalls unter der Krankheit leiden: Deshalb hat sie im Sommer ein Wochenende lang eine Fortbildung bei der Deutschen Zöliakiegesellschaft zur Kontaktperson absolviert. „Ich hätte es gut gefunden, wenn ich als junges Mädchen mit meiner Krankheit nicht allein gewesen wäre“, sagt sie. Carolin Roller will nun alle zwei Monate für ein Treffen der Selbsthilfegruppe sorgen. „Wir wollen Restaurants besuchen, in denen es glutenfreie Speisen gibt“, sagt sie. Außerdem wird sie Koch- und Backkurse organisieren.

Im Kreis gibt es rund 180 Selbsthilfegruppen

Zöliakie:
Bei den Betroffenen – in Deutschland sind es mehr als 800 000 – führt Gluten zu einer Entzündung des Dünndarms und einer Rückbildung der Darmzotten. Nährstoffe können nicht in ausreichender Menge aufgenommen werden. Die Folge sind Mangelerscheinungen. Sie zeigen sich in unterschiedlichen Symptomen. Dies führt dazu, dass Betroffene oft einen langen Leidensweg hinter sich haben, bis die Diagnose gestellt wird. Die einzige Therapie ist die strenge und lebenslange glutenfreie Ernährung. Durch den Verzicht auf das Klebereiweiß regenerieren sich die Darmzotten und Darmschleimhaut allmählich.

Selbsthilfe
: Im Kreis gibt es rund 180 Gruppen, in denen sich Menschen mit den unterschiedlichsten Krankheiten und Leiden austauschen. Unterstützt werden sie vom Gesundheitsamt. Für Gruppenleiter werden Fortbildungskurse vermittelt, bei der Suche nach einem geeigneten Treffpunkt wird geholfen.

Kontakt:
Das Büro im Gesundheitsamt ist unter der Telefonnummer 0 70 31/6 63 17 51 oder unter per E-Mail unter selbsthilfebuero@lrabb.de zu erreichen, die Zöliakie-Gruppe unter bbn.dzg@web.de.