Die Ukraine gibt die Hoffnung nicht auf, dass Deutschland doch noch Taurus-Raketen liefert. In der Bundesregierung herrscht Uneinigkeit darüber.

Digital Desk: Michael Bosch (mbo)

Bald zwei Jahre ist es her, dass Russland seinen Nachbarn überfallen hat. Ob die Ukraine dem Aggressor weiterhin standhält, hängt auch maßgeblich von der Unterstützung aus der EU und den USA ab.

 

In Deutschland wird in diesem Zusammenhang derzeit vor allem über die Taurus-Marschflugkörper debattiert. Ein Waffensystem mit großer Reichweite. An diesem Donnerstag, 22. Februar, geht es im Bundestag um weitere Hilfen. Abgestimmt werden soll auch über einen Antrag der Koalitionsfraktionen, in dem die Bundesregierung zur Lieferung von „zusätzlich erforderlichen weitreichenden Waffensystemen“ aufgerufen wird – die Taurus-Marschflugkörper werden allerdings nicht ausdrücklich genannt. Aufgeführt wird Taurus hingegen in einem Antrag der Unionsfraktion.

Der Kanzler zögert

Die FDP-Verteidigungspolitikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann, die schon lange eine Taurus-Lieferung fordert, hat deshalb angekündigt, auch für den Unions-Antrag zu stimmen. Offen war im Vorfeld allerdings, ob über diesen schon am Donnerstag abgestimmt wird. Er könnte auch zunächst in den zuständigen Ausschuss verwiesen werden.

Aus Kiew wird das Waffensystem ebenfalls seit vergangenen Mai gefordert. Zuletzt hatte Bürgermeister Vitali Klitschko die deutsche Militärhilfe gewürdigt, aber gleichzeitig die Dringlichkeit für weitere Hilfen unterstrichen. Für sein Land sei „eine der wichtigsten Fragen“, ob Deutschland die erbetenen Marschflugkörper vom Typ Taurus liefere, sagte Klitschko in einem Interview der Deutschen Presse-Agentur. „Wir verteidigen unser Land. Und deswegen brauchen wir Taurus. Wir können damit die Militärlogistik der Russen zerstören.“ Er erwarte von der Bundesregierung eine positive Entscheidung. Im Oktober hatte Kanzler Scholz eine Lieferung vorläufig abgelehnt – diese Haltung hat er auch weiterhin.

Was macht „Taurus“ besonders?

Dahinter steckt die Befürchtung, dass die Raketen russisches Territorium treffen und Deutschland damit in den Konflikt hineingezogen werden könnte. Den raketenförmigen Taurus KEPD-350 bezeichnet die Bundeswehr als einen „der modernsten Flugkörper der Luftwaffe“. Der Name Taurus steht als Abkürzung für die englischen Begriffe „Target Adaptive Unitary and Dispenser Robotic Ubiquity System“.

Als große Stärke des Systems nennt die Bundeswehr die „Bekämpfung von wichtigen Zielen über große Entfernung“. Das heißt: Da der Taurus KEPD-350 nach Herstellerangaben eine Reichweite von bis zu 500 Kilometern hat, müssen Piloten für das Abfeuern nicht in den feindlichen Luftraum eindringen. Das Waffensystem kann derzeit unter anderem mit dem Kampfflugzeug Tornado und mit dem Eurofighter zum Einsatz kommen. Die Ukraine könnte Medienberichten zufolge ihre Kampfflieger vom Typ Suchoi Su-24 oder Su-27 damit bestücken.

Taurus soll im Tiefflug den Gegner attackieren

Die rund fünf Meter langen und fast 1400 Kilogramm schweren Flugkörper sind mit einem eigenen Triebwerk und insgesamt vier voneinander unabhängigen Navigationssystemen ausgestattet. Im autonomen Tiefflug sollen sie in einer Höhe von weniger als 50 Metern nur schwer von der gegnerischen Flugabwehr getroffen werden können.

Beim Aufschlag können nach Angaben der Bundeswehr „stark gehärtete Zielstrukturen“ wie etwa Bunkeranlagen durchbrochen werden. Dort soll dann das 480 Kilogramm schwere Sprengkopfsystem Mephisto explodieren.

Hersteller von Taurus ist eine Tochterfirma unter anderem des deutschen Rüstungskonzerns MBDA. Die Luftwaffe greift seit 2005 auf das System zurück. Das Verteidigungsministerium bestellte damals nach Bundeswehr-Angaben 600 Flugkörper, ein Exemplar kostete etwa eine Million Euro.