Bundeskanzler sträubt sich bisher gegen die Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern an die Ukraine. Die Koalitionsfraktionen erhöhen nun den Druck. Was ist so besonders an dem Waffensystem, das von Kiew seit Monaten dingend erbeten wird.

Wochenend-Magazin: Markus Brauer (mb)

Die Ukraine fordert von der Bundesregierung Marschflugkörper vom Typ Taurus KEPD-350, um auch Munitionsdepots oder Kommandoposten der russischen Streitkräfte weit hinter der Frontlinie angreifen zu können. Die Ampelkoalition war dabei bislang zurückhaltend, weil die Geschosse auch russisches Territorium erreichen können. Doch was ist Taurus eigentlich für ein Waffensystem und was kann es?

 

Direkte FDP-Kritik an Kanzler Scholz

Seit Monaten gibt es ukrainische Forderungen nach Lieferung dieser Waffe. Kanzler Olaf Scholz (SPD) lehnt dies aber bisher ab. Die FDP-Verteidigungspolitikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann macht den Regierungspartner SPD dafür verantwortlich, dass Taurus-Marschflugkörper im Entwurf für einen gemeinsamen Antrag der Koalitionsfraktionen zu weitreichenden Waffensystemen für die Ukraine nicht namentlich erwähnt werden.

Eine solche Nennung sei „an der SPD-Fraktionsspitze und der Starrköpfigkeit des Kanzleramtes“ gescheitert, sagt die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Bundestag.

Bundeswehr besitzt 600 Exemplare

Vom Marschflugkörper Taurus KEPD-35 hat die Bundeswehr seit 2005 insgesamt 600 erhalten. Ein Exemplar kostete damals etwa eine Million Euro. Den Taurus KEPD-350 nennt die Bundeswehr den„modernsten Flugkörper der Luftwaffe“. Hersteller von Taurus ist eine Tochterfirma des Rüstungskonzerns MBDA.

Der Name steht als Abkürzung für die englischen Begriffe „Target Adaptive Unitary and Dispenser Robotic Ubiquity System“ und „Kinetic Energy Penetrator and Destroyer“.

Zielbekämpfung aus 500 Kilometern Entfernung

Taurus KEPD-350 Foto: Bundeswehr/dpa-Infografik

Als große Stärke des fünf Meter langen Marschflugkörpers wird die „Bekämpfung von wichtigen Zielen über große Entfernung“ bezeichnet. Da der Taurus KEPD-350 nach Herstellerangaben eine Reichweite von bis zu 500 Kilometern hat, müssen Piloten für das Abfeuern nicht in den feindlichen Luftraum eindringen. Das Waffensystem kann unter anderem mit dem Kampfflugzeug Tornado und mit dem Eurofighter zum Einsatz kommen.

Die rund fünf Meter langen und fast 1400 Kilogramm schweren Flugkörper sind mit einem eigenen Triebwerk und insgesamt vier voneinander unabhängigen Navigationssystemen ausgestattet.

Der Taurus orientiert sich dabei im autonomen Tiefflug anhand von Daten über die Geländebeschaffenheit und gleicht seinen Standort über Bild- und Infrarotsensoren sowie GPS-Navigationsdaten ab. Taurus kann dabei feindliches Radar mit hoher Geschwindigkeit und unbemerkt von der gegnerischen Flugabwehr in weniger als 50 Meter Höhe unterfliegen.

Einsatz gegen Bunker im Hinterland

Der Taurus KEPD 350 ist ein deutscher Mittelstrecken-Luft-Boden Marschflugkörper. Er hat eine Reichweite von 500 Kilometern. Der Einsatz erfolgt von Flugzeugen wie dem Tornado oder dem Eurofighter aus. Foto: Imago/Sven Eckelkamp

Beim Aufschlag können nach Angaben der Bundeswehr „stark gehärtete Zielstrukturen“ durchbrochen werden. Genannt werden in diesem Zusammenhang unter anderem Bunkeranlagen. Beim Aufschlag sprengt eine erste Ladung eine Lücke in die Wand oder Decke der Ziele.

Ein Taurus KEPD-350 im Flug. Foto: Bundeswehr/dpa

Durch diese dringt dann das 480 Kilogramm schwere Sprengkopfsystem Mephisto ein und explodiert. Der Name Mephisto steht als Abkürzung für „Multi-Effect Penetrator High Sophisticated and Target Optimized“.

Mit der Reichweite von mehr als 500 Kilometern könnten die Marschflugkörper auch russisches Staatsgebiet von der Ukraine aus erreichen und etwa dortige Waffendepots und Kommandozentren zerstören. Der mögliche Beschuss von russischem Staatsgebiet ist auch ein Grund für Scholz, der Lieferung bisher nicht zuzustimmen. Kiew sicherte allerdings bereits zu, westliche Waffen nicht für Angriffe auf russisches Gebiet einzusetzen.