Der ehemalige Hauptkommissar Hans-Peter Schühlen führt Gruppen zu Stuttgarter Tatorten

Stuttgart - Für Hans-Peter Schühlen ist es ein echter Glückstag. Denn seine Erste Anekdote, die er den 27 Zuhörern seiner Krimitour unter dem Titel „Mord(s)-Geschichten aus Stuttgart“ am Samstag erzählt, ist noch keine 24 Stunden alt. Am Tag zuvor hatte der pensionierte Kriminalkommissar eine Gruppe Kollegen des Rauschgiftdezernats mit auf seine Reise zu den Tatorten in der Stuttgarter Innenstadt genommen. Vor dem Königsbau – einer der Stationen der Krimitour – herrschte helle Aufregung. Alarm schrillte, ein Ladendieb ergriff mit seiner Beute die Flucht. „Allerdings hatte er nicht mit uns gerechnet. Er lief uns quasi in die Arme“, erzählt Schühlen. Zwei junge Kollegen setzten zum Sprint an und machten den Mann dingfest. Für den Ladendieb, der einen Kopfhörer geklaut hatte, endete die Tour in Handschellen.

 

Der Cinema-Mord

Die anderen Fälle, die Hans-Peter Schühlen an diesem Tag schildert, sind weniger lustig. Denn dass es auch in einer so beschaulichen Stadt wie Stuttgart menschliche Abgründe gibt, weiß er aus erster Hand. Schühlen war 30 Jahre lang für Mord- und Brandermittlungen in Stuttgart zuständig. Seine zweistündigen Tour beginnt er in der Bolzstraße – mit einem tragischen Fall aus dem Jahr 1967. Am 1. Oktober überfiel gegen 19 Uhr ein unbekannter Mann den Kassenraum des Filmtheaters Cinema. „Kurz zuvor hatte ein 29-Jähriger mit seiner Verlobten das Kino betreten“, erzählt Schühlen. Als der Räuber, der es auf die Einnahmen des Kinos abgesehen hatte, in die Luft schoss, wollte der junge Mann der Kassiererin zu Hilfe kommen. „Das bezahlte er mit dem Leben.“ Der Täter schoss dem 29-Jährigen in die Brust. „Der Unbekannte konnte fliehen, hinterließ aber Spuren“, berichtet der Hauptkommissar weiter: einen auffälligen Koffer sowie Patronenhülsen des Kalibers Parabellum. Letztere wurden ihm schließlich zum Verhängnis. Nach seiner Ergreifung in Paris verurteilte das Gericht den Täter zu lebenslänglicher Haft. Das Beängstigende an dem Fall – der Mörder könnte immer noch unter uns sein. 1989 kehrte der Mann nicht aus einem Hafturlaub zurück. „Die Fahndung nach ihm existiert bis heute“.

Der erste Amoklauf

Nur wenige Meter weiter bleibt Schühlen vor dem Metropol-Kino stehen. Bis 1922 befand sich hier der Stuttgarter Hauptbahnhof. „Am 4. September 1913 stieg an dieser Stelle der Lehrer Ernst Wagner von seinem Fahrrad“, berichtet der Hauptkommissar. In der Tasche des Mannes, der als erster dokumentierter Amokläufer in die württembergische Kriminalgeschichte eingehen wird, befanden sich zwei Pistolen. Zur selben Zeit lagen in seinem Haus in Degerloch bereits die Leichen seiner Frau und seiner vier Kinder. „Am Bahnhof hat er sein Fahrrad nach Bietigheim verladen“, so Schühlen. Von dort fuhr er mit dem Rad weiter nach Mühlhausen an der Enz, wo er zuvor Lehrer war. „In Mühlhausen schoss er dann auf alle Männer, die er auf der Straße antraf.“ Am Ende waren acht Männer und ein Mädchen tot. Der Gruselfaktor: Die Polizei findet später ein 300-seitiges Buch, in dem er die Tat detailliert beschreibt.

Die „heiße Sanierung“

Tatort Kronprinzstraße. Hier erinnert Schühlen seine Zuhörer an den „größten Brand in der Stuttgarter Nachkriegsgeschichte“. Am 22. Juni 1992 ging das Möbelhaus Firnhaber in Flammen auf. Der Schaden war enorm: 50 Millionen D-Mark. „Sieben Stunden lang brannte es“, erzählt der 66-jährige Kommissar. Grund war eine „heiße Sanierung“, wie die Brandermittler sagen. Soll heißen: Zwei Betreiber einer Gaststätte, die im Firnhaber-Bau untergebracht war, hatten Geldsorgen und deshalb ihr Lokal mit Benzin angezündet. Das Ergebnis war verheerend.

Der Polizistenmord

Der Kriminalkommissar lotst seine Gruppe weiter in die Schmale Straße. Im dortigen ehemaligen Innenstadtrevier der Polizei hatte am 6. November 1977 ein Antiquitätenhändler auf den Polizisten Peter Blaschke geschossen, nachdem er zuvor in eine Alkoholkontrolle gekommen war. „1977 war für die Stuttgarter Polizei ein schlimmes Jahr“, erzählt der Kommissar, weil es bereits der vierte tote Kollege war. Drei waren beim Schleyer-Mord ums Leben gekommen.

Die Mord(s)-Tour von Kommissar Hans-Peter Schühlen, der viele Fälle auch in seinem Buch „Stuttgarter Tatorte“ beschrieben hat, kann bei Stuttgart Tourist gebucht werden. Gruppenführungen auch direkt beim Polizeimuseum.