Im Magazin der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Stuttgart befinden sich unzählige interessante Kunstobjekte. Mit ihnen könnte man ein Museum füllen. Doch es fehlt der Platz, um sie auszustellen.

Stuttgart-Nord - Die Wände der Flure im Altbau der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste (AKB) Stuttgart sind weitgehend weiß. Ab und zu klebt ein Plakate dran. „Die kommen aber weg“, sagt der Kunsthistoriker Nils Büttner. Zusammen mit seiner Frau Ulrike, ebenfalls Kunsthistorikerin, gehört er zu den wenigen Eingeweihten, die wissen, was an Kunst im Keller lagert. Die beiden leiten Archiv und Sammlung der Akademie. Dass an den Wänden kaum Kunst zu sehen ist, hat eine einfache Erklärung. Büttner: „Die Studierenden sollen unvoreingenommen an ihr Studium herangehen können.“

 

Ganz anders sieht es in Büttners Büro aus: Auf dem Boden kurvt ein kleiner Roboter auf die Besucher zu, der aussieht wie ein großer Teekessel. Entworfen hat ihn Anne Bergner. Sie ist Professorin für Industriedesign an der Akademie. An der Wand hängt ein Selbstporträt in Öl des Malers, Grafikers und Architekten Bernhard Pankok (1872 – 1943). Von der Decke über dem Besprechungstisch baumelt der Heilige Geist: Nicht zu übersehen ist, dass die Skulptur der Bildhauerin Justyna Koecke männlichen Geschlechts ist. Koecke ist ebenfalls Dozentin an der Akademie am Killesberg. Das pessimistisch wirkende Bild eines Stundenten zeigt zwei junge Menschen, die vom Killesberg auf ein Stuttgart blicken, das einem Gefangenenlager gleicht. Und Platz nehmen die Besucher auf Stühlen, die Adolf Gustav Schneck (1883 – 1971), Herbert Hirche (1910 – 2002) und andere bedeutende Möbeldesigner entworfen haben. Sie alle haben an der AKB unterrichtet.

Die Auswahl der Objekte im Büro verdeutlicht die Aufgabe, die die gesamte Sammlung hat: „Das Lehren und Lernen an der Akademie soll in allen Fachbereichen dokumentiert werden“, sagt Büttner. Sein Büro gibt nur einen winzigen Ausschnitt des Bestands wieder: Von 1880 bis heute im Magazin verborgen sind rund 3300 Kunstobjekte: Großformatiges von Adolf Hölzel (1853 – 1834) Kleinformatiges von Willi Baumeister (1889 – 1955) und Alfred Hrdlicka (1928 – 2009) bis zum Dosenöffner von Hans Erich Slany (1926 – 2013). Der fehlt in kaum einer Küche und wird von der Firma Leifheit produziert. Die Plakatsammlung umfasst von 1950 bis heute rund 2600 Objekte. Dazu kommen noch unzählige Regalmeter aus Nachlässen von Professoren der AKB.: Allein der Nachlass von Kurt Weidemann (1922 – 2011) umfasst 60 Regalmeter. Und der Bestand wäschst von Jahr zu Jahr. Gerade eben angekauft: ein Küchenkalender, der als Geschirrhandtuch dient, mit Angaben zu Obst und Gemüse der jeweiligen Saison in Rot oder Blau auf Weiß. Entworfen von Lena Bryan. Die 24-Jährige studiert Industriedesign. Ihr Handtuch gibt’s nur in limitierter Auflage und kann für 20 Euro gekauft werden.

Selbst einen Rubens (1577 – 1640) hat die AKB zu bieten. „Dahinter steckt eine mehr als kuriose Geschichte“, stellt Rubens-Experte Büttner fest. Ein Kunstsammler hat das Gemälde, das Porträt einer Frau, erworben. Da erhebliche Zweifel daran bestanden, dass es echt ist, hat er es der AKB zur Prüfung gebracht. Büttner: „Beim Röntgen hat sich herausgestellt, das im Originalzustand neben der Dame noch zwei weitere Figuren und ein Tablett mit dem Kopf von Johannes dem Täufer gemalt waren“. Fazit der Prüfung: Das Porträt ist ein echter Rubens. Die anderen Figuren wurden bereits im 17. Jahrhundert übermalt, weil das Gemälde vermutlich Schimmelschäden aufwies. Der Sammler hat noch erfahren, welchen Schatz er erworben hat. Büttner. „Kurz darauf ist er gestorben, sehr glücklich über die Expertise.“

So viel Kunst unter einem Dach – und kaum jemand bekommt sie zu sehen: Das bedauern auch die Büttners. „Wir haben keinen Platz. Es fehlt uns an Ausstellungsfläche“, stellt Ulrike Büttner fest. Und ihr Mann ergänzt: „Wir könnten ein Museum bestücken, sowohl was die Zahl und Vielfalt, aber natürlich auch, was die künstlerische Qualität unserer Objekte betrifft.“ Dass die Werke und Objekte der mit der Akademie verbundenen Künstler nirgends zu sehen sind, ist für die Büttners auch ein Indiz dafür, dass der Prophet nichts im eigenen Land gilt oder aber, dass es an Sachverstand fehlt, die Qualität der Schätze im Keller zu erkennen.

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