Seit Monaten wusste Landtagschef Guido Wolf (CDU) vom Verdacht eines Lecks im EnBW-Ausschuss. Reagiert hat er darauf nicht. Die Brisanz sei ihm nicht klar gewesen.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Im Zusammenhang mit dem EnBW-Deal von Ex-Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) gerät ein weiterer führender Christdemokrat ins Zwielicht: Der Landtagspräsident Guido Wolf hat schon im Herbst Hinweise auf ein mögliches Leck im Untersuchungsausschuss zum EnBW-Deal erhalten, aber nicht darauf reagiert. Nachdem die SPD den Vorgang öffentlich gemacht hatte, bestätigte Wolf ein entsprechendes Schreiben des Justizministers. Zugleich rechtfertigte er seine Untätigkeit mit der vagen Information und der gebotenen Vertraulichkeit. Er habe sich „zu jedem Zeitpunkt korrekt verhalten“.

 

Noch am Vortag hatte der CDU-Vizelandeschef Winfried Mack Schlagzeilen gemacht, weil er eine Informationsmail des Ausschusses regelwidrig an Mappus weitergeleitet hatte. Macks Rückzug als stellvertretendes Mitglied des Gremiums wurde bereits von den neuen Vorwürfen gegen Wolf überlagert. Der SPD-Obmann Sascha Binder machte öffentlich, dass Justizminister Rainer Stickelberger (SPD) den Parlamentschef bereits im Oktober 2012 auf ein mögliches Leck hingewiesen hatte. Bekannt wurde dieses jedoch erst im Februar 2013, als der Vorsitzende Ulrich Müller (CDU) wegen der verbotenen Weitergabe von Dokumenten an Mappus überraschend zurücktrat.

Ein halbes Jahr lang nicht reagiert

Stickelberger hatte Wolf über den Verdacht unterrichtet, dass ein Ausschussmitglied Unterlagen des Gremiums regelwidrig weitergegeben habe. Dies habe die Staatsanwaltschaft „im Rahmen eines anderen Ermittlungsverfahrens“ festgestellt. Die Unterlagen waren, wie man heute weiß, bei der Razzia bei Mappus entdeckt worden. Eine Straftat liege zwar nicht vor, aber möglicherweise ein Verstoß gegen das Gesetz für Untersuchungsausschüsse, schrieb der Justizminister „persönlich/vertraulich“ an Wolf. Doch der Brief blieb ohne offizielle Konsequenzen, die Öffentlichkeit erfuhr erst jetzt durch die SPD-Recherchen davon.

Aus Sicht Sascha Binders wäre es die Pflicht des Parlamentschefs gewesen, den Hinweisen nachzugehen. Trotz der gebotenen Vertraulichkeit hätte er die Mitglieder des Präsidiums, die Fraktionsvorsitzenden oder die Spitzenvertreter im Ausschuss informieren können. Dadurch, dass das unterblieben sei, habe Wolf „die Arbeit des Ausschusses behindert“, rügte Binder. Schließlich hätten sich Zeugen mit den unerlaubt weitergegebenen Informationen anders vorbereiten können. SPD und Grüne wollen Wolf nun als Zeugen befragen.

Wolf will die Brisanz des Tipps nicht erkannt haben

Auch der Grünen-Obmann Hans-Ulrich Sckerl sieht durch Wolfs Untätigkeit „die Arbeit des Ausschusses beschädigt“. Über dessen Motive zeigte er sich ebenso ratlos wie Binder: „Wir hoffen nicht, dass ihm der Schutz der eigenen Leute wichtiger war als das Parlament.“

In einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz sagte Wolf, er habe „in dieser Sache ein reines Gewissen“. Er habe damals überlegt, „was will mir dieses Schreiben eigentlich sagen“, und sei nach der Beratung mit Landtagsdirektor Hubert Wicker (CDU) zu dem Schluss gekommen, „nichts weiter zu veranlassen“. Maßgeblich sei für ihn die Information gewesen, dass die Staatsanwaltschaft keinen Grund für Ermittlungen sah; der Verdacht eines Verstoßes gegen das Ausschussgesetz habe sich daraus „nicht zwingend“ ergeben. Zudem sei das Schreiben „derart vage formuliert“ gewesen, dass sich ihm eine mögliche Brisanz nicht erschlossen habe. Er habe mit niemandem über das Schreiben gesprochen und es „völlig aus den Augen verloren“. Erst beim überraschenden Rücktritt Müllers wegen der Kungelei mit Mappus sei es ihm wieder in den Sinn gekommen.

Stickelberger wehrt CDU-Attacke ab

Die Landtags-CDU nahm Wolf in Schutz. Man könne ihm nicht vorwerfen, dass er sich streng an die verlangte Vertraulichkeit gehalten habe, sagten Fraktionschef Peter Hauk und der Obmann Alexander Throm. Zugleich kündigten sie an, Justizminister Stickelberger als Zeugen im Ausschuss zu fragen, warum er nicht den Regierungsbeauftragten im Ausschuss informiert habe. Dies „wäre lediglich ein Umweg gewesen“, erwiderte Stickelberger. Die „Sicherung der Ordnung“ im Ausschuss obliege nicht der Regierung, sondern dem Landtag. „Im Interesse eines vertrauensvollen Zusammenwirkens“ habe er den Parlamentschef direkt informiert, damit dieser prüfen könne, „ob und gegebenenfalls welche Maßnahmen er in seinem Verantwortungsbereich ergreift“.