Candice Breitz ist eine spannende Videokünstlerin. Trotzdem verärgert ihre Ausstellung in der Kunsthalle Baden-Baden. Warum?

Kultur: Adrienne Braun (adr)

Oft sind es Sätze, die wie nebenbei fallen. Sie kommen daher, als hätten sie kaum Bedeutung – und doch wiegen sie mitunter bleischwer. Da sagt einer zum Beispiel „Weiße sind auch nur Menschen“ – und wie nebenbei rollt ein Film ab über Schwarz und Weiß und Rassismusvorwürfe. Man kann sich den Mann förmlich vorstellen, der sich kokett bemitleidet, weiße Privilegien zu genießen.

 

Weiße können sehr selbstgefällig sein

Candice Breitz hat Sätze wie diese gesammelt. Denn auch wenn manche behaupten, es sei ihnen „egal, welche Hautfarbe du hast“, so ist es eben doch an vielen Stellen durchaus ein Thema, ob jemand hell- oder dunkelhäutig auf die Welt gekommen ist. Gerade auch in Johannesburg, wo Candice Breitz – als Weiße – aufwuchs, ist Rassismus tief verwurzelt. Also hat sie Nachrichtensprechern, Fernsehmoderatoren und Prominenten schonungslos aufs Maul geschaut und wie mit dem Seziermesser herausgeschnitten, was diese zu Schwarz und Weiß in irgendwelche Mikros gesprochen haben – mal zynisch, mal selbstgefällig und dabei oft ziemlich rassistisch.

Abba-Fans beim Gruppenfoto

2016 widmete sich das Kunstmuseum Stuttgart umfassend dem Werk von Candice Breitz, die sich gerne bei Fernsehen, Kino und Popkultur bedient. Jetzt hat die Kunsthalle Baden-Baden die Künstlerin eingeladen, die längst in Berlin lebt und sich immer wieder mit der Frage beschäftigt, wie sich Hautfarbe, Geschlecht oder Nationalität auswirken auf einen Menschen. Denn es sind viele Faktoren, die die Identität des Ichs beeinflussen. Diese Faktoren klopft Candice Breitz immer wieder auf originelle Weise ab. Mal hat sie für ein Projekt Abba-Fans zum Gruppenfoto geladen, mal aus Hollywoodschmonzetten stereotype Weiblichkeitsbilder aneinandermontiert.

Die Frau spricht mit Männerstimme

Found-Footage-Montage nennt sich das Vorgehen, bei dem man sich fremdes Material aneignet und neu montiert. Auch für ihre jüngste Video-Installation „Whiteface“ hat sie die Statements aus Fernsehsendungen zusammengeschnitten, allerdings neue Bilder dazu gedreht. Sie selbst ist es nun, die Sätze sagt wie: „Es ist unmöglich, einer weißen Person gegenüber rassistisch zu sein.“ Die Verwirrung ist perfekt, denn es ist nicht nur irritierend, dass sie hier mit Männerstimmen spricht, sondern Candice Breitz zeigt sich in verschiedenen Rollen, gibt sich als Mann mit Frauenperücke oder wirkt androgyn. Damit führt sie einem unmittelbar vor Augen, wie selbstverständlich man beim Betrachten das Gegenüber kategorisiert und in eine Schublade stecken will.

Rassismus ist keine Einzelmeinung

Das eigene Unbehagen verrät, wie schnell man die Orientierung verliert, wenn gängige Rollenmuster nicht greifen. „Na gut, nennt mich einen Nazi“, scheint Candice Breitz nun zu sagen oder: „Ich entschuldige mich nicht für die Apartheid“, aber da man die Promis nicht sieht, von denen die Sätze stammen, werden diese plötzlich ins Allgemeine gerückt. Viele könnten sie gesagt haben, es ist keine Einzelmeinung, sondern ein verbreitetes Denkmuster.

Die Direktoren nehmen ihren Auftrag nicht ernst

Das entspricht dem, was sich Çagla Ilk und Misal Adnan Yildiz, die Direktoren der Kunsthalle, auf die Fahnen geschrieben haben. Sie wollen „traditionelle Denkweisen und gesellschaftliche Hierarchien infrage stellen“. Vor drei Jahren haben die beiden die Leitung übernommen, bisher aber kein Profil für die Kunsthalle Baden-Baden entwickelt. Mit Candice Breitz hat man nun eine interessante internationale Position ins Haus geholt – und doch enttäuscht die Schau, weil nur zwei Arbeiten gezeigt werden – zu wenig für das große Ausstellungshaus.

Deshalb werden in den diversen Kabinetten noch mal Ausschnitte aus „Whiteface“ separat auf Monitoren gezeigt. So richtig ernst scheinen die Direktoren ihren Auftrag nicht zu nehmen: Sie bespielen die Kunsthalle wie nebenbei mit einem Miniprogramm, das in einen kleinen Kunstraum passt. So versinkt die einst so erfolgreiche Kunsthalle, die zuletzt wieder überregionale Strahlkraft hatte, immer mehr in der Bedeutungslosigkeit.

Weiße als Fremdkörper zwischen Schwarzen

Bedenkenswert ist die Botschaft von Breitz dennoch. Ihren Film „Extra“ hat sie am Set von „Generations“ gedreht, Südafrikas beliebtester Soap Opera, in der fast ausschließlich schwarze Schauspielerinnen und Schauspieler auftreten. Im Film und auf begleitenden Fotos hat sich die Künstlerin wie ein Fremdkörper in die Szenen geschlichen und sitzt unbemerkt im Büro oder im Wohnzimmer einer Familie. Auch wenn in Südafrika die Apartheid offiziell abgeschafft ist, scheint ein Miteinander von Schwarz und Weiß noch immer nicht selbstverständlich.

Whiteface: bis 2. April, geöffnet von Dienstag bis Sonntag von 10 bis 18 Uhr