Die Grünen in Baden-Württemberg wenden sich gegen die Haltung der Bundesregierung, weiter nach Afghanistan abzuschieben. Landeschef Oliver Hildenbrand spricht von Fehleinschätzung.
Stuttgart - Entschieden lehnt Oliver Hildenbrand, der Landesvorsitzende der Grünen in Baden-Württemberg, Abschiebungen nach Afghanistan ab. Die Bundesregierung plane „unbeirrt“ weitere Abschiebungen, dabei verschlechtere sich die Sicherheitslage in Afghanistan und die humanitäre Lage verschärfe sich dramatisch. Hildenbrand spricht von „fatalen Fehleinschätzungen“ der Bundesregierung. Er kritisiert: „Der Lagebericht des Auswärtigen Amtes zu Afghanistan ist mit Stand Mai 2021 völlig veraltet. Er berücksichtigt nicht die aktuellen Entwicklungen rund um den Abzug der Bundeswehr und der internationalen Truppen und ist somit für die Einschätzung der Lage absolut unbrauchbar.“
Realistische Einschätzung verlangt
Der Grünenlandeschef fordert: „ Die Bundesregierung muss Abschiebungen nach Afghanistan aussetzen und eine realistische Lageeinschätzung vornehmen. Auf Basis von veralteten und falschen Tatsachen über Abschiebungen von Menschen nach Afghanistan zu entscheiden, ist schlichtweg verantwortungslos.“
Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) und auch Unionskanzlerkandidat Armin Laschet haben einen Abschiebestopp nach Afghanistan bereits abgelehnt. SPD-Chef Norbert Walter-Borjans hatte dies scharf kritisiert. Vorsichtig äußerte sich die Sprecherin des Auswärtigen Amts, Maria Adebahr. „Wir sehen natürlich wie sich die Lage in Afghanistan rasant entwickelt“, Einschätzungen könnten auch ad hoc aktualisiert werden, sagte sie in Berlin.
UN fordern Schutz von Zivilisten
Die Vereinten Nationen haben unterdessen die Kriegsparteien in Afghanistan dazu aufgerufen, Zivilisten besser zu schützen. Die Bodenoffensive der militant-islamistischen Taliban und Luftangriffe der afghanischen Luftwaffe verursachten momentan den größten Schaden, teilte die UN-Mission in Afghanistan (Unama) am Dienstag auf Twitter mit. Sollten die Parteien nicht mehr für den Zivilschutz tun, drohten „katastrophale“ Auswirkungen.
Seit Beginn des Abzugs der US- und Nato-Truppen haben die Taliban mehrere Offensiven gestartet und dabei bedeutende Gebietsgewinne vor allem im ländlichen Raum erzielt. Aktuell verlagern sich die Gefechte zunehmend in die Städte. Schwere Kämpfe gibt es etwa im Herat im Westen sowie in Kandahar und Laschkargah im Süden.
Die UN hatten im Mai und Juni Rekordwerte verwundeter und getöteter Zivilisten dokumentiert und davor gewarnt, dass 2021 zum Jahr mit der höchsten Zahl an zivilen Opfern werden könnte.