Landes-CDU nach der OB-Wahl Spätfolgen von Teufels Spaltung

Die Spaltung der Landes-CDU hat sich auch in Stuttgart gespiegelt: frühere Anhänger von Stefan Mappus waren für Turner, einstige Oettinger-Leute hielten sich zurück.
Stuttgart - Angela Merkel sah fast so aus, als würde sie die Vergeblichkeit ihres Einsatzes bereits erahnen. Nur mühsam konnte die Kanzlerin die Mundwinkel oben halten, als sie nach dem ersten Wahlgang persönlich in Stuttgart für Sebastian Turner warb. Weder das Wetter – es schüttete wie aus Kübeln – noch das Pfeifkonzert der Stuttgart-21-Gegner waren angetan, die Laune der CDU-Chefin zu heben.
Auch die Plakate dürften sie nicht erheitert haben, sofern sie überhaupt Notiz davon nahm. „Deine Buben – aus dene wird nix “ stand auf einem, dazu die Konterfeis von Guttenberg, Wulff, Mappus und Turner. „Muttis Lieblinge – alle weg“, hieß es auf einem anderen. Darunter prangten Fotos des Ex-Ministerpräsidenten und des Noch-OB-Kandidaten, deren Name jeweils ein durchgestrichenes Ortsschuld zierte.
Die Altlast Mappus macht der CDU zu schaffen
Eigentlich darf sich Merkel nicht wundern, dass ihre Wahlempfehlungen im Südwesten ein gemischtes Echo auslösen. Erst vor anderthalb Jahren hatte sie sich massiv für Stefan Mappus engagiert, dem sie zuvor – durchs Wegloben von Günther Oettinger nach Brüssel – den Weg in die Villa Reitzenstein geebnet hatte. Heute würden viele Christdemokraten den Namen des Pforzheimers am liebsten aus der Parteigeschichte tilgen. Die Nachwehen seiner kurzen Regierungszeit – vorneweg wegen EnBW-Deal und schwarzem Donnerstag – machen der Südwest-CDU immer noch schwer zu schaffen, was auch die OB-Wahlkämpfer zu spüren bekamen. Nachdem im Fall Mappus der Eindruck entstanden war, er sei von einem Banker ferngesteuert worden, schien mit dem Multimillionär Turner ein Vertreter des großen Geldes gleich selbst nach der Macht zu greifen.
Vergeblich war nicht nur Merkels Auftritt auf dem Marktplatz, vergeblich war auch die reihenweise Verpflichtung ehemaliger CDU-Prominenz in den letzten zwei Wochen – von Hamburgs Ex-Bürgermeister Ole von Beust über Ex-Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth bis zu Ex-Ministerpräsident Erwin Teufel. „Wer gute Ideen für das Land hat, wird auch gute Ideen für die Stadt haben“, empfahl Teufel den Schöpfer der Imagekampagne „Wir können alles – außer hochdeutsch.“ Selbst im Wahlkampf für seinen Ziehsohn Mappus hatte sich Teufel zurückgehalten, für Turner aber ging er noch einmal in die Bütt – passenderweise im Seniorenstift.
Einstige Mappus-Leute waren für Turner
Den beiden war wahrscheinlich nicht bewusst, dass Teufel vor Jahren eines von Turners Problemen maßgeblich mit verursacht hatte: den mangelnden Rückhalt für den Kandidaten in Teilen der Stuttgarter CDU. In den Lagern des Stadtverbandes spiegelte sich ziemlich exakt die Spaltung der Landespartei wider, die seit dem Duell zwischen Günther Oettinger und Annette Schavan um die Teufel-Nachfolge besteht. Die Rheinländerin hatte der Alt-Premier einst nach Baden-Württemberg geholt, um Oettinger als Nachfolger zu verhindern. Das ging bekanntlich schief, doch die Fronten bestehen bis heute fort. In Turners Lager waren auffällig viele Unterstützer und Zuarbeiter von Mappus aktiv, sein parteiinterner Rivale Andreas Renner konnte dagegen eher auf die Oettinger-Anhänger zählen. Genauso wenig wie die Mitgliederbefragung auf Landesebene hat sich der Mitgliederentscheid in der Stadtpartei als befriedend erwiesen – im Gegenteil. Die CDU hätte also Anlass, über dieses Instrument nachzudenken.
Die Kanzlerin soll trotz Niederlage zufrieden sein
Doch zunächst waren alle Offiziellen bemüht, die Niederlage in Stuttgart zu relativieren. Erst der Machtverlust im Land, dann auch noch in der Landeshauptstadt – in der CDU werde in einem solchen Fall „Katastrophenstimmung“ ausbrechen, hatte der Politikwissenschaftler Hans-Georg Wehling vorhergesagt. Die Parteioberen gaben sich indes alle Mühe, diesen Eindruck zu vermeiden. Weder der Landesvorsitzende Thomas Strobl noch der Landtagsfraktionschef Peter Hauk ließen sich am Wahlabend vor den Kameras blicken. Die „bittere Enttäuschung“ (Strobl) sollte nicht zu sehr mit der Landespartei verbunden werden; die hatte sich im OB-Wahlkampf ohnehin eher zurückgehalten.
Mit Blick auf die Bundestagswahl kann es Angela Merkel nicht kaltlassen, wie demoralisiert die Südwest-CDU – eine ihrer wichtigsten Stützen – derzeit da steht. Ob die Kanzlerin mit dem Stuttgarter Ergebnis wirklich „nicht unzufrieden“ ist, wie der CDU-Kreischef Stefan Kaufmann behauptet hatte? Er habe zwar noch keinen direkten Kontakt zu ihr gehabt, berichtete Sebastian Turner. Aber aus ihrem Umfeld höre er, dass sie sein „überdurchschnittliches Abschneiden“ durchaus positiv sehe.
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