Die baden-württembergische FDP ringt nach dem Desaster von Villingen bei ihrem Stuttgarter Landesparteitag am Wochenende um Geschlossenheit. Dies bereitet freilich viel Mühe.

Stuttgart - Alle trugen sie saubere Hemden und Blusen, die Herren präsentierten sich in zumeist tadellosen Anzügen mit fleckfreien Krawatten, auch die Damen zeigten sich sorgsam zurechtgemacht. Vorsichtshalber aber hatten die Jungen Liberalen (Julis) eine Waschmaschine aufgestellt. Beim FDP-Landesparteitag am Samstag legte der Juli-Landesvorsitzende Jens Brandenburg den Delegierten den „liberalen Waschservice“ ans Herz, eigens bereit gestellt „für alle, die noch schmutzige Wäsche zu waschen haben“.

 

Die Waschmaschine war nur eine Attrappe aus Pappe, doch der für misslingenden Klamauk bekannte FDP-Nachwuchs schaffte es diesmal mit Witz und Würze, den Katastrophenparteitag vom vergangenen November warnend in Erinnerung zu rufen, ohne gleich eine neue Schlammschlacht zu eröffnen. Vor zwei Monaten hatten sich die baden-württembergischen Freidemokraten in Villingen-Schwenningen beim gescheiterten Comeback-Versuch ihres früheren Landeschefs und Vizeministerpräsidenten Walter Döring auf abstoßende Weise gegenseitig verunglimpft – schmutzige Wäsche, wohin man auch blickte. Am Samstag in Stuttgart mühten sich die Liberalen, ihre Restenergie in Attacken auf den politischen Gegner zu investieren.

Attacken gegen den Entwicklungsminister

Freilich konnten sich auch die Südwest-Liberalen bei ihrem Treffen nicht ganz der Debatte um Bundesparteichef Philipp Rösler entziehen. Im Vorfeld der Dreikönigskundgebung sind Freidemokraten jedweder landsmannschaftlicher Zugehörigkeit stets besonders nervös. Und so hatte sich ausgerechnet der baden-württembergische Spitzenkandidat für die Bundestagswahl, Entwicklungsminister Dirk Niebel, engagiert am Interviewreigen zur Zukunft Röslers beteiligt; dies mit der Bemerkung, es sei doch als Ausweis innerparteilichen Demokratie zu werten, wenn Rösler auf einem Parteitag Mitbewerber um das Amt des Parteichefs fände.

Diese demokratietheoretisch und marktliberal astreine Aussage – Konkurrenz belebt das Geschäft – fand jedoch im aktuellen parteipolitischen Kontext das Missfallen Röslers, der seinerseits Niebel vorwarf, mehr Interviews vorweisen zu können als Auftritte im niedersächsischen Landtagswahlkampf. Auch im baden-württembergischen FDP-Landesvorstand wurde Niebel rüde gerügt, Wahrheiten zum falschen Zeitpunkt zu verkünden – aus niederen, weil eigensüchtigen Motiven. Juli-Landeschef Brandenburg attackierte den Bundesminister mit den Worten, dessen Rolle als Mitglied der FDP-Führung bestehe darin, der Partei Profil zu geben, nicht aber den Führungsstreit anzufachen.

„Die Kommentatoren wollen nur Übles“

Die Wahrheit über Niebel lautet: der Mann ist in der FDP, auf deren Bundesvorsitz er schielt, derzeit wenig gelitten. Entsprechend fahrig und in weiten Teilen sinnfrei fiel denn auch seine Rede auf dem Landesparteitag aus. Es ist schon ein bisschen tragisch: den Parteitag in Villingen-Schwenningen hatte Niebel – nachdem sich die FDP-Landeschefin Birgit Homburger und deren Vorgänger Walter Döring gegenseitig aus dem Rennen geworfen hatten – noch als Spitzenkandidat für die Bundestagswahl, somit als Hoffnungsträger verlassen. Nun wirkt auch Bundesminister Niebel schon wieder grau und verbraucht. Sein Rat an die FDP-Delegierten lautete: „Vergessen Sie die politischen Kommentatoren.“ Die wollten der Partei nur Übles. Dass es in der Partei Diskussionen gebe, sei doch ganz normal. „Keine Diskussionen gibt es nur in Diktaturen und vielleicht auf SPD-Parteitagen.“ Vielleicht ist es aber auch so, dass Niebel noch nie auf einem SPD-Parteitag war.

Walter Döring jedenfalls fahndete auf dem Parteitag nach der „wirklichen FDP“, nach der es, so sein Eindruck, eine starke Sehnsucht gebe. Gerade auch angesichts des ermatteten Zustands der Landes-CDU. Was bräuchte es für eine „wirkliche FDP“? Ganz klar, so Döring: „authentische Typen“ und „ein paar klare Inhalte“. Ähnlich ließen sich die Jungliberalen vernehmen. „Wir brauchen ein klares inhaltliches Profil mit Wiedererkennungswert“, sagte deren Chef Brandenburg. Kein Sammelsurium, sondern wenige, dafür starke Themen. Für ihn sind das: Schuldenabbau, ein stabiler Euro, Bürgerrechte. Diese Auswahl war ungeschickt, weil das zentrale Thema des Parteitags doch die Bildungspolitik sein sollte.

Leitantrag zur Bildungspolitik

Tatsächlich verabschiedeten die Delegierten einen Leitantrag, in dem sie die von der grün-roten Landesregierung konzipierte Gemeinschaftsschule als „Einheitsschule“ verwarfen. „Es geht um die Zerschlagung eines erfolgreichen Bildungssystems“, kritisierte FDP-Landeschefin Homburger. In dem Leitantrag lehnt die FDP die von Grün-Rot bis zum Jahr 2020 projektierte Streichung von 11 600 Lehrerstellen ab. Die FDP begnügt sich trotz des Schülerrückgangs mit 6000 Lehrerstellen weniger.

Das Problem: weil schon die CDU-FDP-Regierung in ihrer mittelfristigen Finanzplanung den Wegfall von etwas mehr als 5000 Lehrerstellen vorgesehen hatten, brächte der FDP-Vorschlag den Landeshaushalt der Nettonullverschuldung kaum näher. Mangelnde finanzpolitische Seriosität aber war der Hauptvorwurf, den FDP-Landeschefin Homburger an die Landesregierung richtete: „Grün-Rot steuert Baden-Württemberg in den Schuldensumpf.“ Überhaupt handle sich bei SPD und Grünen angesichts deren steuerpolitischen Vorstellungen um eine „raffgierige Truppe“. Zumindest in Sachen Verbalradikalismus lässt die FDP die Parteienkonkurrenz derzeit weit hinter sich.