Dirk Braune, Wolfgang Faißt und Richard Sigel wollen am 11. Mai den Rems-Murr-Landrat Johannes Fuchs beerben – eine StZ-Podiumsdiskussion mit Lesern inklusive Probeabstimmung mit deutlichem Ergebnis.

Rems-Murr/ Ludwigsburg: Martin Tschepe (art)

Korb - Ich kann meinem Vorredner nur beipflichten.“ „Das sehe ich auch so.“ Diese und ähnliche Sätze sind bei der Podiumsdiskussion der Stuttgarter Zeitung mit den drei Kandidaten, die sich am 11. Mai zur Wahl des Nachfolgers von Landrat Johannes Fuchs stellen, oft zu hören. Im Gewölbekeller des Korber Weinguts Zimmerle versucht der Leiter der Rems-Murr-Redaktion, Frank Rodenhausen, die Aspiranten auch mit originellen Fragen aus der Reserve zu locken – was indes nur manchmal gelingt, aber nicht am Moderator liegt, sondern am Profil der drei Männer. Viele Beobachter sind sich bald einig: Alle drei bringen gute Voraussetzungen mit, um Landrat zu werden. Das macht die Wahl, die die Kreisräte treffen müssen, so schwierig zu kalkulieren.

 

Gegen Ende der Diskussion mit knapp drei Dutzend Lesern, zu der auch die Vorsitzenden der Kreistagsfraktionen eingeladen waren, fragt eine Frau ernüchtert: „Wo sind die Unterschiede?“ Richard Sigel (37 Jahre), Dezernent beim Landratsamt in Böblingen, antwortet: Er sei Jurist, „aber kein Paragrafenreiter“. Als junger Familienvater seien ihm die Themen der rund 1700 Landratsamtsmitarbeiter „nahe“. Dirk Braune (50), der Leiter der Rems-Murr-Kreisbaugruppe, sagt: Er sei „pragmatischer und zupackender“ und habe „die Gabe, Menschen zu überzeugen“. Er habe stets ein offenes Ohr und offene Türen. Wolfgang Faißt (53), Bürgermeister von Renningen und seit ein paar Tagen Landesvorsitzender der Freien Wähler, erklärt: Er sei der einzige Kandidat, der eine öffentliche Verwaltung und ein kommunales Gremium – nämlich den Renninger Gemeinderat – leite. Er sei „ein Gestalter, kein Verwalter“ und zudem der einzige Kandidat, der auch Kreisrat ist.

Alle drei sind gegen eine Privatisierung der Kliniken

Im Laufe der knapp zweistündigen Diskussion erklärt Sigel, dass er früher in der freien Wirtschaft tätig gewesen sei, bei der Landesbank Baden-Württemberg. Braune sagt, er wolle als neuer Landrat „die wirtschaftliche mit der sozialen Komponente verbinden“. Faißt sagt, auch er sei in Wirtschaftsthemen zu Hause, die Stadt Renningen habe erst kürzlich mit der Ansiedlung des Bosch-Entwicklungszentrums „einen großen Coup“ gelandet. Alle drei Kandidaten erklären sinngemäß: die Mitarbeiter des Landratsamts und der Rems-Murr-Krankenhäuser seien das wichtigste Kapital. Sie sprechen sich mit Blick auf die finanzielle Schieflage der Klinken – das Topthema für den neuen Landrat – klar gegen eine mögliche Privatisierung der Hospitäler aus. Alle drei sagen dazu auf die Frage eines besorgten Lesers: „Nein.“

Auch eine Schließung der Schorndorfer Klinik, des kleineren der zwei Rems-Murr-Krankenhäuser, komme nicht in Frage, auch nicht in zehn Jahren, antworten alle drei unisono. Denn „Winnenden hätte zu wenig Betten“, sagt Braune. Eine Aussage des Kandidaten Faißt sorgt für Überraschung: Man sollte auch darüber nachdenken, mögliche Doppelstrukturen mit Kliniken in den Nachbarkreisen abzubauen. Denn das Hospital in Winnenden ist doch auch gebaut worden, um diesen Häusern Patienten abzuluchsen. Einige Zuhörer sagen später, auch Braune sei ihnen aufgefallen, weil er auf Distanz zu Landrat Fuchs geht und Sätze sagt wie diese: Vieles im Landratsamt sei nicht zeitgemäß. „Es liegt auch am Chef, ob Dinge einfach gehen.“

Klares Ergebnis der Probeabstimmung im Kellergewölbe

Eine freilich keinesfalls repräsentative Probeabstimmung zu vorgerückter Stunde und bei einem Gläschen Wein, an der sich alle Zuhörer im Keller beteiligen dürfen, aber nicht müssen, bringt schließlich ein recht eindeutiges Ergebnis: Sigel 24 Stimmen, Braune sieben, Faißt sechs. Ein Spaßvogel macht einen originellen Vorschlag, auf seinem Zettel steht „Angela Merkel“.

Kaum jemand verrät seinen Favoriten

Als die offizielle Gesprächsrunde nach knapp zwei Stunden zu Ende ist, nutzen die Kandidaten die Möglichkeit, mit den Gästen ins Gespräch zu kommen. Auch die Vorsitzenden der Kreistagsfraktionen tauschen sich aus.

Der Chef der CDU-Fraktion, Reinhold Sczuka, meint: „Die Veranstaltung hat mich in meiner Wahrnehmung bestärkt.“ Er selbst habe einen Favoriten, konkreter wird Sczuka aber nicht. Er lobt, dass alle wichtigen Themen angesprochen worden seien, sieht aber noch weitere Herausforderungen – „wie wir den Unterhalt der Kreisstraßen sichern, welche Aufgaben in der Jugendhilfe der Kreis selbst wahrnehmen soll und welche die freien Träger“.

Der Vorsitzende der SPD-Fraktion, Martin Kaufmann, lobt die angenehme Atmosphäre und das gute Essen. Es sei gut, dass sich auch Menschen von außerhalb des Kreistags die Gelegenheit geboten habe, die Kandidaten kennenzulernen. Sonst zeigt er sich wenig gesprächig. „Ich habe einen Favoriten, aber die Wahl ist am 11. Mai – sie ist geheim.“

Wolfgang Faißt kann auf die Freien Wähler bauen

Der Aspirant Wolfgang Faißt kann auf die Unterstützung von Andreas Hesky und seiner Freien-Wähler-Fraktion zählen. Nicht nur wegen seiner Freien-Wähler-Mitgliedschaft. „Er hat sich gut präsentiert und gezeigt, dass er mit Menschen umgehen kann“, sagt Hesky. Prinzipiell würde er das Amt aber allen dreien zutrauen.

Einige Unterschiede zwischen den Kandidaten kann Christel Brodersen von den Grünen ausmachen – „zum Beispiel, wo sie sparen würden. Wenn man nur einen Vorschlag machen darf, werden Prioritäten deutlich.“ Die für die Grünen wichtigen öffentlichen Verkehrsmittel habe nur Richard Sigel angesprochen – ob sie ihn wählen wird, will Brodersen nicht verraten.

Ulrich Lenk sieht Sigel vorne

Für Ulrich Lenk, den Vorsitzenden der FDP-FW-Fraktion, sind die Unterschiede zwischen den Bewerbern „nicht riesengroß“. Er bedauert, dass das Thema Bildung, etwa die Zukunft der beruflichen Schulen, in der Diskussion etwas untergegangen sei – und nennt seinen Favoriten: „In meinem Ranking liegt Dr. Sigel vorne.“

Auch Vertreter der AfD und der Linken, die beide keinen Fraktionsstatus haben, waren gekommen. „Kein Kandidat steckt wirklich tief in der Materie, aber die Herren haben ihr Bestes gegeben“, meint die AfD-Sprecherin Gisela Medek. Christian Hinrichsen von der Linken ist noch unentschieden: „Ich glaube, dass die Wahl im zweiten Wahlgang noch nicht entschieden sein könnte.“ Für ihn würde die Haltung der Bewerber bei sozialen Themen den Ausschlag geben.

„Nur Sigel müsste sich über zwei Amtszeiten beweisen.“

Egal, wer das Amt am 11. Mai bekommt: Susanne Hauser, eine ehemalige Mitarbeiterin des Landratsamts, wünscht sich, dass der neue Landrat auch mit den niedereren Rängen stärkeren Umgang pflegt: „An Neujahr Schokolade zu verteilen, reicht nicht.“

Der ehemalige FDP-FW-Kreisrat Bernd Brischke darf seine Stimme nicht mehr abgeben – und bedauert das auch nicht. Aber wenn er es dürfte, dann würde Brischke Richard Sigel wählen, weil dieser wegen seines jungen Alters „der Einzige ist, der sich über zwei Amtszeiten beweisen müsste.“