Parlamentspräsident Guido Wolf (CDU) sieht den Landtag auf einem guten Weg zum Bürgerparlament. Allerdings gibt es da noch ein paar Hindernisse zu überwinden.

Stuttgart - Das hat es noch nicht gegeben: am Donnerstag ist Landtagspräsident Guido Wolf (CDU) vor die Presse getreten, um zusammen mit seinen Stellvertretern Brigitte Lösch (Grüne) und Wolfgang Drexler (SPD) eine Erfolgsbilanz der eigenen Arbeit vorzulegen. Nach allem Herkommen agieren Parlamentsspitzen zurückhaltender. Aber womöglich hatte die außergewöhnliche Aktion ja mit Wolfs Bemühen um die CDU-Spitzenkandidatur für die kommende Landtagswahl zu tun – ein paar Happen öffentliche Aufmerksamkeit können nicht schaden. Im Herbst stellt sich Wolf zusammen mit dem CDU-Landeschef Thomas Strobl einer Mitgliederbefragung, und in Sachen Bekanntheit dürfte Strobl auch in der eigenen Partei noch vor dem Landtagspräsidenten liegen.

 

Wolf indes knüpfte in der Pressekonferenz an die 2008 beschlossene und mit Beginn der aktuellen Legislaturperiode 2011 in Kraft getretenen Parlamentsreform an. Diese regelte nicht nur die Abgeordnetenbezüge neu (deutlich höhere Diäten bei tendenziell niedrigeren Altersbezügen), sondern sollte auch die Parlamentsarbeit intensivieren. Unter anderem dadurch, dass sich der Landtag zum Vollzeitparlament erklärte. Zuvor hatten sich die Abgeordneten als Teilzeitparlamentarier verstanden. Der genaue Unterschied blieb indes von Anfang an vage. Und so konnte oder wollte Wolf bei der Pressekonferenz nicht einmal sagen, ob sich die Zahl der Abgeordneten mit Nebenjobs unter Vollzeitbedingungen vermindert oder gar erhöht hat.

Trommeln für die Demokratie

Gleichwohl zeigte sich der Landtagspräsident überzeugt, dass die Abgeordneten nun „noch mehr Zeit einsetzen, um die schwierigen politischen Fragen zu klären und zu erklären“. Das Parlament begreife sich nicht als geschlossene Veranstaltung, sondern als Plattform, um die Bürger zu erreichen. „Nichts ist schlimmer, als wenn Demokratie stattfindet, und keiner interessiert sich dafür.“ Tatsächlich haben sich Wolf sowie dessen Mitstreiter Brigitte Lösch und Wolfgang Drexler im Trommeln für die Demokratie und im Werben für die mitunter zähen Mechanismen der Parlamentsarbeit als rührig erwiesen. Diesen Befund legt zumindest eine penible Auflistung der Aktivitäten des Landtagspräsidenten und seiner Stellvertreter nahe. So haben die drei 140 Schulen besucht – eine „gute Möglichkeit die Politikverdrossenheit zu überwinden“, befand Vizepräsidentin Lösch. Auch die internationalen Kontakte wurden gepflegt, zum Beispiel mit einer Absichtserklärung zur Zusammenarbeit mit der polnischen Woiwodschaft Lodz.

Die Besucherzahl im Landtag soll von bisher 35 000 Interessierten pro Jahr nach dem Umbau des Parlamentsgebäudes auf bis zu 60 000 steigen. Mit dem Bau eines neuen, unterirdisch angelegten Bürger- und Medienzentrums wird Anfang 2015 begonnen; 2017 soll es fertig sein. Der sanierte Plenarsaal kann voraussichtlich nach der Landtagswahl im Frühjahr 2016 bezogen werden. Derzeit tagt das Parlament im Kunstgebäude am Schlossplatz. Die Sanierung des Landtagsgebäudes kostet 52 Millionen Euro, das Bürger- und Medienzentrum schlägt mit 17,5 Millionen Euro zu Buche.

Eingeschlafene Füße

Auf die Frage, ob ihm bei vielen Reden im Landtag nicht die Füße einschliefen, versetzte Wolf, es sei „wichtiger, was sich im Hirn abspielt“, da denke er ausnahmsweise von oben nach unten, ansonsten setze er im politischen Bereich auf eine Meinungsbildung von unten nach oben. Dass viele Abgeordneten ihre Reden bei Aktuellen Debatten mehr oder weniger ablesen, stört auch Wolf. Sanktionieren, etwa durch Wortentzug, will er derlei Vergehen indes nicht. Dabei fordert die Geschäftsordnung des Landtags bei derlei Debatten die freie Rede. Vizepräsident Drexler sagte, eine Debatte könne nur entstehen, „wenn ich mich mit dem Vorredner auseinandersetze“.

Von der Idee, den Landtag zu verkleinern, um die Bedeutung der Abgeordneten zu steigern, hält Wolf nichts. Auf die Frage, ob die Föderalismusreform die Landtage gestärkt habe, sagte er, die Landesparlamente bräuchten mehr Kompetenzen. Sein Vize Drexler plädierte dafür, die Steuerverteilung zu Gunsten der Länder zu ändern, schließlich hätten diese auch zusätzliche Aufgaben wie den Ausbau der Ganztagsschulen und die frühkindliche Erziehung übernommen. Eine klare Aufgabentrennung zwischen Bund und Ländern stärke die Landesparlamente.