Weihnachtsoratorium statt Wahlkampf: Noch scheint die Landtagswahl weit weg zu sein. Die Politiker haben Zeit sich zu besinnen - zum Beispiel darauf, mit wem sie nach dem 14. März gern regieren möchten.

Stuttgart - An Heiligabend sind es nur noch 80 Tage bis zur Landtagswahl - dem eigentlichen Start ins Superwahljahr 2021. In Baden-Württemberg entscheidet sich am 14. März, ob der Grüne Winfried Kretschmann nach zehn Jahren weiterregieren darf, im Bund am 26. September, wer Kanzlerin Angela Merkel nach 16 Jahren nachfolgt. Doch die Corona-Krise legt das Land weitgehend lahm. Wenn über Impfdosen, mutiertes Virus und die Folgen des Lockdowns diskutiert wird, haben es andere Themen schwer. Und so tanken die politischen Promis im Südwesten über Weihnachten Kraft für ein herausforderndes Jahr 2021 und haben Zeit über ein paar große Fragen nachzudenken.

 

Weihnachtsoratorium statt Wahlkampf

Kretschmann (72) stellt sich wegen der Corona-Krise auf ein „ganz anderes Weihnachten“ ein. Er wird mit seiner Frau Gerlinde in Laiz (Kreis Sigmaringen) allein feiern müssen. „Ein komisches Gefühl, denn die letzten vierzig Jahre waren immer unsere Kinder da und die letzten Jahre auch die Enkelkinder dabei.“ Auf den Kirchgang will er nicht verzichten. „Meine Frau hat uns angemeldet zum Gottesdienst und wenn wir drankommen, werden wir ihn auch besuchen.“ Überhaupt biete „dieses Weihnachten vielleicht auch noch mehr als sonst die Möglichkeit zur Besinnung, zur Einkehr“. Und: Er will das Weihnachtsoratorium hören.

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So ganz wird er Corona jedoch wohl nicht aus dem Kopf kriegen. Denn für ihn geht es im Nu wieder los. Schon am 5. Januar schalten sich die Ministerpräsidenten wieder mit Bundeskanzlerin Angela Merkel zusammen, um über die Lage nach dem Lockdown zu beraten. Über Koalitionen will er in der Krise am liebsten gar nicht reden. Als die Grünen-Chefs Sandra Detzer und Oliver Hildenbrand die CDU einen „Klotz am Bein“ nannten und Grün-Rot ins Spiel brachten, passte das Kretschmann gar nicht in den Kram. Er führt in Umfragen vor der CDU (35:30 Prozent) und will auch für Konservative wählbar bleiben.

CDU will „entfesseln“ - aber wen genau?

Derweil muss sich Kretschmanns Kultusministerin Susanne Eisenmann etwas einfallen lassen. In Umfragen liegt die CDU-Spitzenkandidatin bei den persönlichen Werten weit hinter ihm. Das Thema wird sich auch an Weihnachten zuhause nicht aussparen lassen. Zwar feiert auch Eisenmann (56) im engsten Familienkreis, doch ihr Mann, Christoph Dahl, war Sprecher von Ex-Ministerpräsident Günther Oettinger. Ein bisschen Durchschnaufen muss aber sein. Den Familien im Land wünscht sie „ein paar erholsame Tage“ und gibt Tipps für die ruhige Zeit: Spaziergänge, ein Buch lesen oder „Mensch ärgere Dich nicht“ spielen.

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Um am Wahlabend als erste ins „Häuschen“ zu kommen, will die CDU das Land „entfesseln“ - doch Eisenmann wirkt als Ministerin in der Corona-Krise an das Thema Schulen gefesselt. Austeilen in Richtung Grüne mag sie auch noch nicht so recht. Die erste Weiche für das Wahljahr wird am 16. Januar gestellt, wenn die Bundes-CDU einen neuen Chef kürt. Sollte der Favorit der Südwest-CDU, Friedrich Merz, durchfallen, wäre das ein ziemlicher Fehlstart ins neue Jahr. Eine Woche später müsste die hiesige CDU dann beim virtuellen Landesparteitag zur Aufholjagd blasen.

Warmlaufen statt Abtauchen

Ganz entspannt will sich Thomas Strobl (60) zuhause in Heilbronn das virtuelle Weihnachtskonzert des Landespolizeiorchesters zu Gemüte führen. Da Eisenmann den Vize-Regierungschef im Rennen um die Spitzenkandidatur ausgebootet hat, hält sich Strobl im Wahlkampf zurück. Aber abtauchen kann er zum Jahresende nicht. „Über Silvester und Neujahr sind meine Frau und ich häufig sportlich unterwegs beim Tauchen. Das entfällt dieses Jahr natürlich auch“, sagte Strobl der dpa. Doch Sport muss sein: „Ich freue mich zum Beispiel darauf, mit meiner Frau am Besten jeden Tag lange und schöne Winterläufe zu machen – gerne bei klirrender Kälte, warm eingepackt.“ Warmlaufen kann nicht schaden, schließlich muss er als CDU-Landeschef nach der Wahl mögliche Koalitionsgespräche führen.

Grün-rote Weihnachtsfantasien

Für die SPD im Südwesten sehen die Wahlforscher derzeit eher schwarz. Auf ganze zehn Prozent sind die Genossen geschrumpft. Doch Partei- und Fraktionschef Andreas Stoch (51) hofft - auch an Weihnachten -, dass seine SPD an der nächsten Regierung beteiligt ist. „Ich werde mir an Weihnachten unseren schön geschmückten Christbaum ansehen, der natürlich schön grün ist, an dem das Schönste jedoch die hellbrennenden roten Kerzen und die roten Kugeln sind.“ Es ist kein Geheimnis, dass der Ex-Kultusminister auf Grün-Rot setzt.

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Doch ob es dafür reicht? Die Umfragen legen derzeit eher nahe, dass eine Ampel aus Grünen, SPD und FDP möglich wäre. Der liberale Spitzenkandidat Hans-Ulrich Rülke (59) ließ in der „Welt“ nun verlauten: „Eine Ampel könnte eine umweltfreundliche Verkehrswende vorantreiben, bei der die Arbeitsplätze erhalten bleiben.“ Und was macht er Weihnachten? Das verbringe er daheim in Pforzheim mit sechs Personen aus zwei Haushalten. „Und da ich ein äußerst gesetzestreuer Bürger bin, denke ich an diesem Tag nicht an die Ampel, denn das wären mindestens drei Haushalte mit nicht verwandten Personen und keiner ist unter 14, dafür aber zu viele aus der Risikogruppe.“