Es musste keine Turnhalle belegt werden, die Flüchtlingsunterkünfte sind einigermaßen in der Zeit erstellt worden: Der OB von Leinfelden-Echterdingen, Roland Klenk, schüttet im Gespräch mit unserer Zeitung Lob aus. Um die Verkehrsbelastung zu lockern, zeigt er sich offen für visionäre Ideen wie eine Seil- oder Schwebebahn.

Leinfelden-Echterdingen - Die Flüchtlingsfrage wird Leinfelden-Echterdingen auch 2018 beschäftigen. Davon ist OB Roland Klenk überzeugt. Im Gespräch mit unserer Zeitung spricht er aber auch über andere zentrale Themen wie die Verkehrsbelastung, den Stettener Feuerwehr-Standort und die Kinderbetreuung.

 
Herr Klenk, die Wiederwahl hat sie neu motiviert für Ihr Amt. Wo wird dieser frische Wind am meisten gebraucht?
Im kommenden Jahr müssen wir zentrale Entscheidungen in Sachen Kinderbetreuung treffen. Es gibt räumliche Fragen bei den Kindergärten zu lösen. Wir müssen entscheiden, wie es bei der Schulkindbetreuung weiter geht. Ich will auch Fortschritte bei der Frage sehen, welche Schulen Ganztagsschulen werden sollen. Wir müssen die Projekte Filderhalle und Turn- und Festhalle Musberg sauber zu Ende bringen. Und wir müssen im nächsten halben Jahr auch eine Entscheidung in Sachen Standort für die Stettener Feuerwehr hinbekommen.
Haldenareal oder Altes Rathaus – was ist Ihr Favorit?
Stand heute, sehe ich gute Argumente für den Standort am Alten Rathaus. Wichtig ist, dass dort ein genügend großer Platz für bürgerschaftliche Begegnungen – wie den Stettener Advent – entsteht. Ich möchte, dass in diese Diskussion mehr Sachlichkeit einkehrt. Und ich erwarte eine gewisse Bereitschaft gegenüber Neuem. Der Baugrund am Alten Rathaus ist gut. Die Feuerwehr hat sich für diesen Standort ausgesprochen. Wenn wir die Feuerwehr dort neu bauen, haben wir die Chance, das Haldenareal neu zu entwickeln, aber dieses Gelände auch in seinem Charme als Treffpunkt zu erhalten. Denn der Kindergarten und der Spielplatz werden dort ja bleiben.
Sie haben angekündigt, die guten Finanzen dafür zu nutzen, die Infrastruktur instand zu halten, also Kindergärten zu bauen und Schulen zu sanieren: Was werden hier die ersten Schritte sein?
Wir werden zunächst das Echterdinger Sternkinderhaus erweitern. Ich hoffe, dass wir bei der Kita Schelmenäcker in Leinfelden 2018 den Spatenstich hinbekommen. Auch das Gudrun-Mebs-Kinderhaus in Stetten ist nicht von ewigem Leben. Auch da müssen Entscheidungen fallen.
In Echterdingen soll eine Kita neu gebaut werden.
Der Bau einer weiteren Kita ist in der Pipeline. Sie soll im Gebiet Goldäcker am Rande der Bebauung entstehen. Der Vorteil: Die Stadt hat dort Baurecht. Entscheidungen dazu werden in der Klausurtagung des Gemeinderates Ende Februar fallen.
Und bei den Schulen?
Alle Schulen werden derzeit untersucht. Bei der Schönbuchschule sind wir da am Weitesten. Hier muss man überlegen, ob saniert oder neu gebaut wird. Unsere Schulen sind aber grundsätzlich nicht in einem schlechten Zustand. Wir haben da auch schon viel unternommen.
Die Fraktionen sprechen dennoch von einem Sanierungsstau an den Schulen. Ein bisschen mehr hätte man also tun müssen.
Wir hatten eine katastrophale Personalsituation in der Bauverwaltung: Abgänge, Krankheitsfälle, eine verzögerte Besetzung von vakanten Stellen. Der Gemeinderat hat reagiert. Zwei Stellen wurden geschaffen. Ich hoffe, dass diese Dinge 2018 so etwas zügiger angegangen werden können.
Es wird immer wieder die fehlende Personalausstattung beklagt, die Fraktionen wünschen sich jedoch eine maßvolle Einstellungspolitik. Wie ist dies zu lösen?
Ich verstehe den Gemeinderat. Es hilft aber nichts. Die Zufriedenheit der Bürger hängt zu großen Teilen von der Leistungsfähigkeit der Verwaltung ab. Die Fraktionen vergeben zudem sehr viele Aufträge. Es gibt Gesetzesänderungen. Das alles löst Arbeit aus. Irgendjemand muss die machen.
Sie setzen bei der Integration auf eine dezentrale Unterbringung, das Projekt L.-E. mietet und die Mithilfe aus der Bevölkerung. Was ist zu tun, wenn dies nicht ausreicht?
Wir sind derzeit unsicher, was wir bei der Anschlussunterbringung noch tun müssen. Momentan können wir hoffen, dass wir 2018 keine zusätzlichen Gebäude brauchen. Wie die Frage des Familiennachzuges entschieden wird, wird auch für uns von großer Bedeutung sein. Ich unterschätze dieses Thema nicht. Ich kann aber nicht präventiv zwei Wohnheime bauen. Die Bevölkerung sieht in jedem Fall, dass wir nicht mit aller Gewalt die Unterkünfte bauen, die wir mal projektiert haben.
Stichwort Örlesweg?
Am Musberger Örlesweg zu bauen, ist bis heute nicht notwendig. Ich kann aber nicht garantieren, dass wir diese Unterkunft nicht im nächsten Jahr angehen müssen. Solange wir nicht wieder festen Boden unter den Füßen haben, kann ich auch das Renault-Gelände nicht für die Anschlussunterbringung aufgeben. Auch wenn ich dort lieber einen guten Betrieb ansiedeln würde.
Was passiert mit dem Areal, wenn es der Kreis nicht mehr braucht?
Die Zelte kommen weg, da wollen wir niemanden unterbringen. Wir prüfen aber, ob wir die Container übernehmen können.
Fühlen Sie sich in der Flüchtlingsfrage von Bund, Land und Kreis allein gelassen?
Es hat alles viel zu lange gedauert. Wenn die Kommunen, die Bürgerschaft, die Feuerwehr und das Rote Kreuz nicht da gewesen wären, hätten wir einen Zustand erlebt, den ich hier nicht beschreiben will. Die große Politik ist mit offenem Mund dagestanden, hat mit Erstauen einer Entwicklung zugeschaut. Geld zur Verfügung zu stellen ist einfach. Räume, Kleidung, Essen, Zuwendung und Sprachkurse: Das ist alles auf kommunaler Ebene gelaufen. Und ich muss sagen, da dürfen wir uns selbst loben. Natürlich hat es ein paar harte Bürgerversammlungen gegeben. Es musste aber keine Turnhalle belegt werden, die Unterkünfte sind einigermaßen in der Zeit erstellt worden. Ich bin stolz auf die Gesamtleistung der Stadt.
Auch wenn es unter den Flüchtlingshelfergruppen immer mal wieder Zoff gibt?
Ja. Das sind alles hochengagierte Menschen, die es nicht verstehen können, dass es trotz ihres Engagement manchmal nicht so läuft, wie sie es sich vorgestellt haben.
Ein anderes Thema: Mit welcher Flächenpolitik wird die Kommune in die kommenden Jahre gehen. Ist die Balance zwischen Bebauung und Freiflächenerhalt, zwischen Stadt und Natur im Ballungsraum überhaupt zu schaffen?
Das ist eine der Grundfragen der Stadt. Bisher haben wir es geschafft. Ich bin zuversichtlich, dass wir es auch künftig schaffen können. Eines der zentralen Rechte des Menschen ist das Recht auf Wohnraum. Viele Menschen stehen wenig bezahlbarem Wohnraum gegenüber. Meine Fantasie versagt, wie wir das lösen sollen, ohne dass weitere Quadratmeter in Anspruch genommen werden. Wir gehen aber nicht irgendwo ins Grüne rein, sondern knüpfen an die bestehende Bebauung an.
Veränderung braucht also ihren Raum?
Ja, alle Welt spricht derzeit von einer Abkehr vom Verbrennungsmotor. Weite Bereiche der Industrie in der Region Stuttgart stehen deshalb vor großen Herausforderungen. Wenn Daimler in Leinfelden-Echterdingen Parkplätze mit elektrischen Ladestationen baut, dann ist das ein klares Zeichen. Das Neue drängt ans Tageslicht, sucht sich seinen Platz.
Was bedeutet dies für L.-E.?
Wir haben derzeit sehr hohe Einnahmen durch die Gewerbesteuer: 56 Millionen Euro werden es wohl 2018 sein. Das ist die Hälfte des gesamten Etats. Wir müssen dafür sorgen, dass wir die Grundlage dafür erhalten. Wir dürfen also nicht nur Bauland entwickeln. Die Rötlesäcker müssen ein Ziel für unsere Stadt sein. Dort stelle ich mir eine Art Modell-Gewerbegebiet vor: Wohnen, Arbeiten, Verkehr, Energiegewinnung – alles auf einem Campus .
Thema Stuttgart 21: Da könnte es Veränderungen geben. Gibt es schon Informationen, was dies für die Stadt bedeuten könnte?
Nein, das ist momentan noch zu früh. Wichtig ist für unsere Stadt, dass sie ans internationale Schnellstreckennetz angebunden wird – durch einen Halt hier oben. Dass dieser am Flughafen und der Messe liegen sollte, ist selbstredend.
Eine neue Ortseinfahrt in Echterdingen, Sanierung der Marktstraße, erste Mobilitätspunkte: Die Große Kreisstadt hat sich 2018 in Sachen Mobilität viele große und kleine Aufgaben vorgenommen. Hinzu kommt die Weiterentwicklung des Gebietes Schelmenäcker. Wie ist dies alles zu bewältigen?
Dieser ganze Strauß besteht aus vielen Pflänzchen und ein paar Orchideen. Wenn wir jedes Jahr etwa eine Viertelmillion Euro in kleine Maßnahmen stecken, dann werden wir in vier Jahren deutlich besser dastehen. Die großen Brocken brauchen Zeit. Wenn ich den Spatenstich zur Verlängerung der Stadtbahn U5 noch erlebe, wäre das wunderbar. Auch die Osttangente, die ich für sehr wichtig halte, braucht ihre Zeit. Wir werden auch zu entscheiden haben, ob wir an die Nord-Süd-Straße erneut rangehen. Wir fragen uns alle berechtigterweise, was die weitere Ansiedlung von Daimler in L.-E. für uns bedeutet. Nicht alle neuen Einpendler werden mit Bus und Bahn kommen. Ich halte deshalb einen Termin beim Regierungspräsidenten für dringend notwendig. Frau Noller und ich wollen dort unsere Lage schildern. Wirkliche Lösungen können nur rechts und links der Autobahn entwickelt werden. Ohne Stuttgart und die Region geht da nichts.
Ist der zunehmende Verkehr überhaupt noch in den Griff zu bekommen?
Also, da muss man erst einmal das Problem wirklich lösen wollen. Eine wichtige Rolle dabei spielen die Stuttgarter Straßenbahnen. Aber auch Ideen, die auf den ersten Blick als Spinnereien identifiziert werden, müssen gedacht werden dürfen. Eine Seilbahn, die vom Möhringer Freibad kreuzungsfrei in die Gewerbegebiete führt: Ich sage, warum nicht. Am Düsseldorfer Flughafen gibt es eine Art Schwebebahn. Mit der geht es vom S-Bahnhof ruckzuck in die Terminals.
Könnte es so etwas Visionäres auch in L.-E. geben? Geht es künftig mit der Schwebebahn von Stadtteil zu Stadtteil?
Das ist freilich weit in die Zukunft gegriffen. Ich glaube aber, wir müssen solche Dinge konkret denken. Wir schaffen es mit den Straßen nicht. Die Schiene wird nicht alles lösen können.
Es geht hier ja auch um ein Umdenken. Werden Sie 2018 mehr Bus, Bahn und Fahrrad fahren?
Hier bin ich kein Vorbild. Das liegt daran, dass ich tagsüber in der Regel mehrere Termine habe und das ist mit dem ÖPNV nicht zu schaffen. Auch mein Dienstwagen ist noch ein Diesel – ich will aber über Alternativen nachdenken.
Welche Vorsätze haben Sie sich für 2018 noch gesetzt?
Herr Kalbfell und ich wollen im Frühjahr mit den Kulturschaffenden der Stadt zusammensitzen, um zu hören, was gewünscht wird.
Und privat?
Ich habe mir vorgenommen, meinen Freundeskreis mehr zu pflegen und mich um meine Gesundheit zu kümmern. Ich werde aufs Rad steigen. Ich habe ein Pedelec. Damit habe ich die Gewissheit, den nächsten Berg auch hochzukommen.