Judith Giesel bleibt aus lauter Wendezeiten-Nostalgie ihrer Zigarettenmarke treu. Und diese sorgt immer wieder für Gesprächsstoff.

Lokales: Sybille Neth (sne)

Stuttgart - In der Endphase der DDR hatte sie jahrelang keine Zigarette mehr angerührt, denn da erwartete Judith Giesel ihr erstes Kind. Sie jobbte in ihrer ostdeutschen Heimatstadt Sondershausen in der dortigen Kulturakademie in der Küche. „Da arbeitete so eine coole Oma, ein echtes Unikum“, erzählt sie. Mit der saß die werdende Mutter in den Pausen oft zusammen. „Sie war eine der vielen damals irgendwie gestrandeten Figuren, die nicht mehr in ihrem Beruf arbeiten konnten“, vermutet die Sozialpädagogin. „Sie war eine Frau der Tat. Das hat mir imponiert“ – und sie rauchte West-Zigarettten! Ernte 23. Die schickte ihr die Verwandtschaft per Post.

 

Identitätskrise vor dem Tabakregal

Judith Giesel blieb nach der Wiedervereinigung im Osten und nachdem auch ihr zweites Kind nicht mehr gestillt wurde, habe sie überlegt, dass sie eigentlich jetzt wieder rauchen könne. Aber was? Die ostdeutsche Identitätskrise machte auch vor dem Tabakregal nicht halt. Die Ost-Marken wie „Neue Juwelen“, „Alte Juwelen“ oder „Caro“ gab es nicht mehr. Da erschien die orangefarbene Schachtel, die die coole Küchenhilfe bei sich trug, vor ihrem geistigen Auge, und als Hommage an die interessante Frau entschied sich Judith Giesel für deren Marke.

Die Schachtel sorgt für Erinnerungen

Heute amüsiert sich die Leiterin der Beratungsstelle Kompass über Reaktionen, die sie damit häufig provoziert: „Da höre ich Geschichten von früher: Mein Onkel war Fernfahrer und rauchte sie oder mein Vater kaufte sie im Urlaub an der Ostsee, weil es dort seine Hausmarke nicht gab.“