Kampf gegen Burger, Pizza und Bequemlichkeit: das Startup Kesselkocher liefert frische Zutaten aus der Region an Hobbyköche in Stuttgart, die keine Lust auf Einkaufen haben. Wir haben den neuen Lieferservice getestet.

Digital Desk: Jörg Breithut (jbr)

Stuttgart - Mit dem Feierabend kommt der Hunger. Doch das selbst gekochte Abendessen hat einen mächtigen Gegner: die Bequemlichkeit. Meist fehlt die Idee für ein leckeres Rezept, der Kühlschrank ist leer und der Supermarkt viel zu weit weg. Sprich: der Griff zum schnellen Döner steht kurz bevor. Der Aufwand für ein selbst gekochtes Essen ist vielen Freizeitköchen unter der Woche einfach zu groß. Hilke Heitmann und Tanja Andrin aus Stuttgart haben dieses Problem erkannt – und daraus ein Geschäftsmodell entwickelt. Sie liefern das Rezept und die Zutaten einfach direkt nach Hause.

 

Als Kesselkocher, wie sie ihr Startup nennen, übernehmen sie die unbequeme Arbeit für alle, die zwar gerne kochen, aber keine Lust oder Zeit haben Lebensmittel einzukaufen. Bei Kesselkocher müssen nur die Rezepte bis donnerstagabends über ein Formular auf der Website bestellt werden, geliefert wird immer am darauffolgenden Montag. Bisher gilt das Angebot nur für einen überschaubaren Bereich in Stuttgart. Lediglich die Stadtteile Mitte, Süd, West und Degerloch werden beliefert. Alle anderen Gebiete wie der Norden und der Osten der Stadt sind außerhalb des Liefergebiets. Wenn der Service gut laufen sollte, dann werde das Gebiet vergrößert, sagt Hilke Heitmann. Manche Ausnahmen macht das Koch-Duo schon jetzt. Auf Anfrage liefern die beiden auch Lebensmittel nach Bad Cannstatt.

Der Blick in die Tüte

Wir testen den Service und bestellen drei Mahlzeiten für je zwei Personen: Schweinelendchen mit Champignon-Zucchini-Ragout, Couscous mit Schmorgemüse und Gnocchi mit Spargel in Salbeibutter stehen auf dem Programm. 40 Euro kostet das Paket. Als gewünschten Lieferzeitraum geben wir 19 bis 21 Uhr an, um 20 Uhr wird das Essen geliefert. Die braune Papiertüte ist prall gefüllt mit frischen Zutaten, darunter Zwiebeln, Zucchini, Salbeiblätter, selbst gemachte Gnocchi, ein Bündel Spargel. Auch ein Fläschchen Weißwein haben die Kesselkocher dazugepackt, weil ein kleiner Schluck zum Ablöschen des Schmorgemüses benötigt wird. Ein paar Standardzutaten wie Salz, Pfeffer, Zucker, Öl und Butter müssen bereits im eigenen Vorratsschrank liegen, die restlichen Zutaten stecken in der Tüte.

Qualität ist dem Duo aus Stuttgart wichtig. Hilke Heitmann und Tanja Andrin arbeiten mit festen Lieferanten zusammen, kaufen das Gemüse bei Bauern aus der Region und das Fleisch direkt beim Metzger. „Da wissen wir, dass die Qualität stimmt“, sagt Hilke Heitmann. „Wir legen viel Wert auf gesunde Nahrungsmittel.“ Der Blick in die Tüte bestätigt das. Lediglich das Brot fällt etwas aus der Reihe: zwischen frischen Karotten und Champignons liegt ein in Plastik verpacktes Aufback-Baguette aus dem Supermarkt. Eine Folge des Frische-Versprechens. Schließlich sollen alle Zutaten eine Woche lang haltbar sein. Ein frisches Brot vom Bäcker hätte die Woche wohl nicht überstanden, meint Hilke Heitmann.

Zur Übung schon mal ein Spiegelei würzen

Wir erhitzen das Öl in der Pfanne und zerschnippeln die Champignons. Das Kochen nach Rezept klappt gut. Die Anleitung ist einfach gehalten, es dauert bei allen drei Rezepten maximal eine halbe Stunde, bis das Essen zubereitet ist. Beim Zerhacken und Anbraten bestätigt sich, dass die Zutaten eine hohe Qualität haben. Die Salbeiblätter duften frisch, die Champignons schmecken kräftig. Vor allem das Fleisch ist sorgsam ausgewählt: es brutzelt in der Pfanne, ohne dabei Wasser zu verlieren.

Das Ergebnis kann sich sehen lassen. Das Essen schmeckt klasse. Die Zutaten sind fein komponiert, mit viel frischem Gemüse sind die Gerichte durchweg gesund. Das Fleisch ist butterzart. Doch nicht nur das: die Portionen sind großzügig bemessen und machen satt.

Es empfiehlt sich allerdings, zumindest ein bisschen Kocherfahrung mitzubringen. Wer noch nie eine Pasta gekocht oder sich selbst ein Spiegelei gewürzt hat, ist an mancher Stelle überfordert. Die Rezepte lassen hin und wieder viel kreativen Spielraum. So heißt es recht vage im Gnocchi-Rezept: „Mit Salz und Pfeffer würzen, mit Sesam und Parmesan mischen und servieren.“ Doch wie viel denn nun? Ein Teelöffel oder doch zwei Esslöffel? Das bleibt dem Koch überlassen. Eine weitere Hürde taucht bei der Zubereitung der Schweinelendchen auf: im Rezept steht, dass das Fleisch im Ofen bei 150 Grad gegart werden soll. Wie lange es dauert oder woran zu erkennen ist, ob das Fleisch fertig ist, geht aus der Anleitung nicht hervor. Ein bisschen Erfahrung sei nicht schlecht, sagt Hilke Heitmann. „Aber wir bemühen uns, dass jeder mit den Rezepten klarkommt.“