Zwei Wahlschlappen binnen einer Woche, das trifft die Linkspartei hart. Will Oskar Lafontaine dennoch Vorsitzender werden?

Stuttgart - W

 

ochenlang hat die Linke-Führung versucht, die schwelende Personaldebatte in der Partei zu unterdrücken. Die Begründung lautete stets: um bei den Landtagswahlen in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen erfolgreich zu sein, sei eine Konzentration auf die Inhalte notwendig. Spätestens am Sonntagabend um 18 Uhr war klar, dass diese Strategie auf ganzer Linie gescheitert ist.

Innerhalb von einer Woche flog die Linke zum zweiten Mal aus einem westdeutschen Landtag. In Nordrhein-Westfalen kam es mit weniger als 3 Prozent sogar noch schlimmer als von den meisten in der Partei erwartet. Fünf Jahre nach der Gründung der gesamtdeutschen Linken scheint die Westausdehnung der Partei ein jähes Ende gefunden zu haben. Der Triumph bei der Bundestagswahl 2009 mit fast 12 Prozent der Stimmen ist nur noch eine blasse Erinnerung. In Umfragen kommt die Partei heute bundesweit teilweise nur noch auf die Hälfte. Der Parteivorsitzende Klaus Ernst machte „Schüsse aufs eigene Tor“ und eine „Medienblockade“ für die Wahlniederlage verantwortlich.

„Kooperative Führung“

Eine Entscheidung über seine eigene politische Zukunft wollte er noch nicht bekannt geben. Er werde sich für eine „kooperative Führung“ einsetzen, sagte er am Sonntag lediglich. Am 2. und 3. Juni soll auf einem Parteitag in Göttingen ein neuer Vorstand mit einem Mann und einer Frau an der Spitze gewählt werden. Die bisherige Vorsitzende Gesine Lötzsch ist vor wenigen Wochen aus privaten Gründen zurückgetreten.Die Entscheidung Ernsts über eine erneute Kandidatur hängt vor allem davon ab, was der Gründungsvater der Linken vorhat: Oskar Lafontaine. Der 69-Jährige verfolgte die verheerenden Hochrechnungen zu Hause im Saarland vor dem Fernseher. Am Dienstag wird er zu einer Sitzung des geschäftsführenden Bundesvorstands mit den Landesvorsitzenden erwartet. Spätestens dann dürfte er seine Entscheidung verkünden.

Die Partei wartet seit Wochen gebannt auf diesen Moment. Bis jetzt gibt es mit dem stellvertretenden Vorsitzenden Dietmar Bartsch nur einen Kandidaten für den Parteivorsitz. Den 54-jährigen Pragmatiker aus Mecklenburg-Vorpommern und den 69-jährigen Lafontaine verbindet eine schwierige Vergangenheit. Bartsch wurde 2009 vom damaligen Parteivorsitzenden Lafontaine wegen des Verdachts der gezielten Intrige aus dem Amt des Bundesgeschäftsführers gedrängt.

Normalisiert hat sich das Verhältnis der beiden nie. Bartsch hat bisher keine Anstalten gemacht, einer Kandidatur Lafontaines zu weichen und freiwillig in die zweite Reihe zurückzutreten. „Meine Kandidatur steht“, bekräftigte er auch am Sonntagabend wieder.

Kampfkandidatur beim Parteitag in Göttingen

Es könnte also auf eine Kampfkandidatur beim Parteitag in Göttingen hinauslaufen, in der nicht nur über zwei Personen, sondern auch über zwei politische Strategien abgestimmt würde. Der Pragmatiker Bartsch steht für eine Öffnung zu SPD und Grünen mit dem Ziel einer Regierungsbeteiligung. Lafontaine steht für einen straffen Oppositionskurs und Abgrenzung zu anderen linken Parteien.

Bartsch kann auf starken Rückhalt in ostdeutschen Landesverbänden bauen. Lafontaine hat dagegen durch sein Zögern und Taktieren in den vergangenen Wochen Sympathien verspielt. Beim Parteitag in Erfurt im vergangenen Jahr hatte es Lafontaine noch fast im Alleingang geschafft, die große Mehrheit der Delegierten hinter dem neuen Parteiprogramm zu versammeln. Inzwischen geht es vielen gegen den Strich, dass sich die Linke so abhängig vom Wort eines Einzelnen macht.

Eine Kampfkandidatur birgt erhebliche Risiken für die Partei. Hinter vorgehaltener Hand wird sogar schon vor einer Spaltung gewarnt. Bis Dienstag ist noch Zeit, nach einer Alternative zu suchen.