Sommergespräch mit Dieter Maurmaier und David Korte von der Ratsfraktion der Liberalen über die anstehende Dezernenten-Wahl, den Stillstand in der Verkehrspolitik, den Aufschwung der Stadthalle und die Hoffnung auf eine Aufbruchsstimmung für ganz Leonberg.

Leonberg: Thomas Slotwinski (slo)

Leonberg - Hoch hinaus wollen Dieter Maurmaier und David Korte von der Leonberger FDP beim Sommergespräch. Das findet auf Ebene 12 des ehemaligen Hofmeister-Parkhauses statt.

 

Herr Professor Maurmaier, Herr Korte, in den bisherigen Sommergesprächen haben CDU und Freie Wähler den Oberbürgermeister kritisiert. Zurecht?

Maurmaier: Herr Cohn ist angetreten, um vieles zu bewegen. Er hat Ideen, aber es fällt ihm bisweilen schwer, das zu kommunizieren. Daraus ergeben sich Konflikte.

Einen besonders harscher Konflikt hat sich mit seinem missglückten Versuch ergeben, die Dezernate neu zu verteilen.

Korte: Das Gutachten, das der OB zur inhaltlichen Begründung präsentiert hat, wirkte wie mit heißer Nadel gestrickt.

Maurmaier: In der Tat konnte Herr Cohn uns die Vorteile einer Dezernatsumverteilung nicht darlegen.

Im Gemeinderat hat eine Mehrheit eine Aussprache darüber abgewürgt.

Maurmaier: Wie das abgelaufen ist, finden wir nicht in Ordnung. Man muss doch die Argumente gegenseitig austauschen.

Als ein Grund für die Ablehnung wurde erklärt, dass die Wiederwahl der beiden amtierenden Bürgermeister Ulrich Vonderheid und Klaus Brenner nicht sicher sei. Würden Sie sie wählen?

Korte: Ein personeller Wechsel muss wohl überlegt werden, würde er doch große Reibungsverluste mit sich bringen.

Maurmaier: Beide Amtsinhaber sind für uns wählbar. Finanz- und Sozialbürgermeister Vonderheid hat sich beim Aufbau der Sozialstationen hervorgetan, Baubürgermeister Brenner hat vor allem die Großprojekte Rathaus-Neubau und Leobad-Sanierung gut bewältigt. Grundsätzlich sind wir aber für einen Wettbewerb offen. Die Stellen sind ausgeschrieben.

Der OB verhehlt nicht sein angespanntes Verhältnis zu Ulrich Vonderheid.

Maurmaier: Ich verstehe nicht, dass das so hervorgehoben wird. Unterschiedliche Meinungen an der Stadtspitze müssen nicht zwangsläufig schaden.

Geld wir auch im nächsten Jahr fehlen

Ein weiterer Streitpunkt sind die Finanzen. Die CDU kritisiert, dass eine Haushaltsklausur erst jetzt kommt.

Maurmaier: Wir wussten wegen Corona ja nicht, wo der Weg hinläuft. Jetzt sehen wir klarer. Deshalb habe ich mit dem späten Termin kein Problem.

Inhaltlich wird es vor allem ums Kürzen gehen, auch bei den Zuschüssen.

Korte: Die Vereine machen das Leben in Leonberg lebenswert. Wir müssen sie auch in schweren Zeiten unterstützen.

Maurmaier: Es geht ja nicht nur um das Streichen von Zuschüssen. Wir müssen den Haushalt ganzheitlich betrachten und dann sehen, was machbar ist. Klar ist, dass viel Geld in diesem und auch im nächsten Jahr fehlen wird.

Dissonanzen zwischen OB und Gemeinderat gibt es wegen des geplanten Baugebiets in der Berliner Straße.

Maurmaier: Wichtig ist, dass dort gebaut wird und 25 Prozent davon bezahlbar sind. Dass Herr Cohn uns nur einen einzigen Investor präsentiert hat, der hochwertig bauen will, hat uns nicht gefallen. Wir wollen einen Wettbewerb.

Korte: Wir hätten uns gewünscht, dass der OB früher mit dem Gemeinderat gesprochen hätte. So haben wir Zeit verloren.

Aufbruchstimmung als Dominoeffekt

Sie haben unser Interview in das alte Möbelhaus-Parkhaus mit Blick auf die Bosch-Baustelle gelegt.

Maurmaier: Der Neubau von Bosch steht symbolisch für einen Aufbruch: Hier entsteht ein modernes Gebäude, in dem die Verkehrssysteme der Zukunft entwickelt werden. Dieses Aufbruchsgefühl wünschen wir uns für die ganze Stadt.

Korte: Die positiven Schwingungen sollen sich mit einem Dominoeffekt auf die Stadtentwicklung übertragen.

Im Moment tut sich nicht so viel, gerade beim zentralen Vorhaben Postareal.

Maurmaier: Das bedauern wir. Der Investor hat die Vorschläge aus dem Gemeinderat eingearbeitet. Die aktuelle Version der Planung ist in Ordnung, es kann losgehen.

Es geht ja nicht nur um ein neues Quartier zwischen Altstadt und Leo-Center, sondern auch um eine mögliche Verkleinerung der Eltinger Straße.

Maurmaier: Bevor wir nicht über ein ganzheitliches Verkehrskonzept diskutieren, bringt eine Debatte um eine Spur weniger auf der Eltinger Straße nichts. Der OB hatte das Thema Verkehr vor drei Jahren in den Mittelpunkt seines Wahlkampfes gestellt. Aber es geht nicht voran, nicht mal bei den einfach zu realisierenden Zebrastreifen an den Kreisverkehren.

Korte: Dabei gibt es ja schon beschlossene Pläne, zum Beispiel für ein Radwegenetz. Ob man so radikal in den Straßenverkehr eingreifen muss wie in Stuttgart, weiß ich nicht. Aber wir können ja die Radpendler nicht auf Feldwege schicken.

Das Hauptproblem ist die verstopfte Innenstadt. Kann die von den Freien Wählern gewollte Umgehungsstraße helfen?

Maurmaier: Davon halte ich relativ wenig. Das wäre ein riesiger Eingriff in die Natur. Und den Fernverkehr, der bei Staus in die Stadt fährt, kriegen wir mit einer neuen Straße nicht weg. Unsere Umgehung ist die Autobahn.

Da ist es doch jetzt schon eng.

Maurmaier: Durch die temporäre Freigabe von Standstreifen lässt sich im Bedarfsfall zusätzlicher Platz schaffen.

Entlastung soll zudem ein verbessertes Busangebot bringen. Wegen der Corona-bedingten Finanzausfälle befürchten die Freien Wähler aber, dass das kaum zu finanzieren sein wird.

Maurmaier: Neue Gebiete, zum Beispiel das Kino, sollten einen guten Busanschluss haben. Ansonsten sollten wir abwarten, wie nach Corona der Bedarf ist. Also nicht auf die Bremse treten, aber erst einmal den Fuß vom Gaspedal nehmen.

Neue Chancen für die Stadthalle

Wie geht es mit der Stadthalle weiter?

Korte: Mit dem erfolgreichen Festival Leonpalooza hat der Veranstaltungsmanager Nils Strassburg gezeigt, dass viel mehr geht als in der Vergangenheit.

Maurmaier: Deshalb sollten wir jetzt Geld für eine Sanierung in die Hand nehmen, um dann in Ruhe Zukunftsperspektiven diskutieren zu können. Unser Fraktionsmitglied Kurt Kindermann hat ja Ideen für ein ganzes Kulturviertel vorgelegt.

Mit der Schuhfabrik als Teil davon?

Maurmaier: So viel Zeit werden wir nicht haben, da das Gebäude in einem desolaten Zustand ist. Wir müssen uns mit dem Gedanken anfreunden, dass eine Sanierung schwierig ist und womöglich nur der Abriss bleibt. Was nicht bedeutet, dass die Künstler dann obdachlos wären. In der Altstadt gibt es Ausweichmöglichkeiten.

Stichwort Altstadt: Ihre alte Forderung nach einem autofreien Marktplatz ist nur halb erfüllt.

Maurmaier: Deshalb ist sie weiterhin aktuell. Dafür brauchen wir aber eine verbesserte Tiefgarage.

Korte: Es überrascht mich, dass dort keine Ladestation für E-Autos vorgesehen ist. Das hätte sie attraktiver gemacht.

Das Krankenhaus soll den Standort für einen Rettungshubschrauber verlieren.

Maurmaier: Durch die Hubschrauber-Station ist unsere Klinik auch Notarzt-Standort, was sie stärkt. Die jetzt begonnene Sanierung und der Plan eines Gesundheitscampus müssen weitergeführt werden.

Korte: Die benachbarte Strahlentherapie ist ein erster Grundstein dafür. Corona hat überdies gezeigt, wie wichtig kleine Häuser sind. Ohne sie hätten wir die hohe Zahl an Notfallbetten nicht gehabt.

Herr Korte, Sie sind jetzt ein Jahr im Gemeinderat. Wie lautet ihr Fazit?

Korte: Die Zeit war sehr lehrreich. Ich bin über die gute Zusammenarbeit zwischen den Fraktionen positiv überrascht. Für die nächste Wahl sollten jüngere Kandidaten auf aussichtsreiche Plätze kommen, bringen diese gerade bei den Themen Wohnen und Verkehr andere Sichtweisen ein.

Das Gespräch führte Thomas K. Slotwinski