Die Vorfeldmitarbeiter am Stuttgarter Airport fordern einen Tarifvertrag – die Betriebsräte haben Stellungnahmen gegenüber der Landesregierung abgegeben. Und gleichzeitig steigt ein Billiganbieter in die Passagierabfertigung ein.

Stuttgart - Die Mitarbeiter in den Tochterfirmen der Flughafen Stuttgart GmbH (FSG) und bei der Konkurrenz können nach Ansicht des SPD-Fraktionsvorsitzenden im Landtag, Claus Schmiedel, mit einer Verbesserung ihrer Arbeitsbedingungen rechnen. Wo es noch keine gebe, müssten Haustarifverträge mit einem höheren Grundlohn vereinbart werden. Das Fernziel sei ein einheitlicher Tarifvertrag für alle Bodenverkehrsdienste an deutschen Flughäfen.

 

Er habe mit der Arbeitsgemeinschaft deutscher Verkehrsflughäfen (ADV) Kontakt aufgenommen. Sie könnte eine Tarifgemeinschaft organisieren. Es gebe gute Gründe, die Mitarbeiter ordentlich zu bezahlen. Gemeinhin würden die Infrastruktureinrichtungen „als Belästigung wahrgenommen“. Das Gegenargument, man sei eine „Jobmaschine“, habe nur einen Nährwert, wenn dies keine Billigjobs seien.

Geschäftsführung verweist auf Preiskampf

Markus Kohler von der Gewerkschaft Komba, die es geschafft hat, dass es erstmals in allen drei Anbieterfirmen von Bodenverkehrsdiensten (BVD macht Gepäckabfertigung und Vorfeldarbeiten), Betriebsräte gibt, kündigte Versammlungen an, um das Mandat für die Aufnahme von Tarifverhandlungen zu erlangen. Der Betriebsrat beim Airport Ground Service (AGS) verspürt bereits Gegenwind: Weil er die pro abzufertigendem Flugzeug entlohnten Mitarbeiter auf die maximale Arbeitszeit von zehn Stunden hinweise, entgehen der Belegschaft Aufträge. Weil man aber mehr, nicht weniger Gehalt versprochen habe, „muss schnell ein erhöhter Grundlohn her“, sagt Kohler. „Sonst müssen die Betriebsräte aufgelöst werden.“ Die Niedriglöhne, unregelmäßigen Dienstzeiten und befristeten Arbeitsverhältnisse werden von Betriebsräten und der Gewerkschaft Komba kritisiert. Auf Bitten Schmiedels hatte die Landesregierung die Arbeitnehmervertreter um eine Einschätzung gebeten – mit ernüchterndem Resultat . Anders als der Flughafengeschäftsführer Georg Fundel bisher verlautbarte, sind die Mitarbeiter mit ihrer Situation offenbar unzufrieden – selbst jene im BVD, die nach dem Tarif des öffentlichen Diensts (TVöD) entlohnt werden. Nach der Forderung Schmiedels, gleicher Lohn für gleiche Arbeit, hatte Fundel auf den von den Fluggesellschaften angeheizten Preiskampf hingewiesen. Der Bodenverkehrsdienst sei nur mit dem Drei-Klassen-System finanzierbar: Die Grundlast arbeite die Stammbelegschaft beim BVD der Mutterfirma ab, unterstützt von den befristet Beschäftigten bei der Tochter Airport Ground Service (AGS). Für die „heißen Tage“ würden darüber hinaus Leiharbeiter verpflichtet.Der nun von Grün-Rot dominierte FSG- Aufsichtsrat anerkennt zwar den Preisdruck, sieht aber auch das positive Geschäftsergebnis. „Wo es notwendig ist“, heißt es deshalb vage, wolle man „die Geschäftsführung bitten, Änderungen vorzunehmen“. Die „Absichtserklärung“, einen Mindestlohn von 8,50 Euro einzuhalten, sei aber „nicht ausreichend“, machte Schmiedel jetzt aber noch einmal deutlich.

Türkischer Billiganbieter künftig am Stuttgarter Airport

Der Forderung nach besserer Bezahlung der Servicekräfte steht eine Verschärfung des Wettbewerbs gegenüber. Während deutsche Politiker auf EU-Ebene die totale Liberalisierung beim Bodenverkehrsdienst fordern, gibt es sie beim Check-in längst. „Mit verheerenden Konsequenzen“, klagen die Gewerkschaften – und verweisen auf den türkischen Billiganbieter Havas. Dieser fertigt auf den Fildern demnächst statt der Flughafentochter Stuttgart Ground Service (SGS) die Passagiere der Air France und KLM sowie wohl bald auch die von Sun Express und Turkish Airlines für weniger Geld ab. Entsprechend gering ist die Bezahlung. Fließend Deutsch und Englisch verlangt Havas nicht, es ist lediglich „von Vorteil“. Wichtig ist vor allem, dass das Personal „bereit und fähig“ ist, „vorübergehend nach Deutschland zu ziehen“.

Betriebsrat der Flughafen Stuttgart GmbH (FSG)

Das Personal wird immer älter

Der Betriebsrat der Flughafen Stuttgart GmbH (FSG) ist als einzige Arbeitnehmervertretung der Aufforderung der Landesregierung nicht gefolgt, eine Stellungnahme zur Beschäftigungssituation abzugeben. Die Mitarbeiter der FSG, auch jene im Bodenverkehrsdienst, werden nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) entlohnt. Die Personalvertretung hat auf die Frage nach der Qualität der Arbeitsbedingungen lediglich mitgeteilt, dass das Lohnniveau des TVöD nicht abgesenkt worden sei. Allerdings seien beim Bodenverkehrsdienst seit 1999 keine neuen Mitarbeiter mehr eingestellt worden. Dies habe „zu einer Überalterung des Stammpersonals geführt“. Die Arbeitsbedingungen seien durch die Flexibilisierung und Arbeitsverdichtung „nicht verbessert worden“. Die Reduzierung der Beschäftigtenzahl in einem Zeitraum von zehn Jahren von 1200 auf unter 1000 Mitarbeiter betrachtet der Betriebsrat „mit Sorge“.

Betriebsrat der Baden-Airpark GmbH

Mehr Erkrankungen und Arbeitsunfälle

Der Betriebsrat der Baden-Airpark GmbH beschreibt die Personalsituation als „prekär“. Die positive Entwicklung der Passagierzahlen würde immer erst mindestens mit einem Jahr Verspätung aufgefangen. Aufsichtsrat und Gesellschafter forderten aber sogar eine Senkung der Personalkosten. Wegen Sparmaßnahmen gebe es flugbezogene Schichtpläne, die durch Flugzeitänderungen und Verspätungen durcheinandergebracht würden. Pausenzeiten könnten nicht eingehalten werden, die Arbeitszeitkonten schnellten in die Höhe, weil auch an dienstfreien Tagen gearbeitet werden müsse. Arbeitsunfälle und Erkrankungen hätten zugenommen. Es steige die Anzahl nicht zu bewältigender Spitzenlasten, die vermehrt Zustände körperlicher und mentaler Erschöpfung hervorriefen. Der Dienstplan sei nur noch eine „Lückenfüllerei“. Der Versuch, Spitzenlasten mit Zeitarbeitern abzudecken, gelinge wegen des leeren Arbeitsmarkts nur mäßig.

Betriebsrat des Stuttgart Ground Service (SGS)

Zunehmender Überwachungsdruck

Der Betriebsrat des Stuttgart Ground Service (SGS) kritisiert, die Mitarbeiter in der Passagierabfertigung würden „schlecht ausgebildet an die Schalter und Gates geschickt“. Die Auswahlkriterien bei der Einstellung seien unzureichend, es gebe einen „zunehmenden Überwachungsdruck“, die Sozialräume seien schlecht, die Pausenregelung ebenfalls. Moniert werden die zwischen Sommer und Winter schwankenden Gehälter und „sozial unverträgliche familienunfreundliche Arbeitszeiten“. Der Betriebsrat kritisiert das niedrige Einkommen, außerdem gebe es nur noch befristete Verträge. Die Mitarbeiter müssten immer flexibler werden. Teilweise dauerten die Dienste nur drei Stunden, der Schichtrhythmus sei unregelmäßig, die Urlaubsplanung ungenügend.

Betriebsrat des Airport Ground Service (AGS)

„Die Mitarbeiter werden verheizt“

Der Betriebsrat des Airport Ground Service (AGS) erklärt im Namen seiner rund 200 Kollegen (davon mehr als die Hälfte befristet), der in einigen Abteilungen angewandete Gruppenleistungslohn sei problematisch, weil die Zeit, die der Beschäftigte am Flughafen anwesend sei, für die Entlohnung keine Rolle spiele. Bezahlt werde für jedes abgefertigte Flugzeug (Gruppenleistungslohn). Um den Lohn aufzubessern, würden die Teams bewusst klein gehalten, so könne man die Prämie durch weniger Beschäftigte teilen. Da im Winter weniger los sei, verdiene man bis zu 800 Euro weniger im Monat. Das unternehmerische Risiko werde voll auf die Belegschaft verlagert. Die Mitarbeiter würden teils erst einen Tag vorher eingeteilt. Kritisiert wird, dass das Personal nur auf ein halbes Jahr befristete Verträge erhalte. Diese garantierten nur 108 Stunden pro Monat, tatsächlich würden die Teilzeitkräfte bis zu 200 Stunden arbeiten. Die Belastungen stiegen durch die kurzen Bodenzeiten der Maschinen, die dazu immer größer würden, ohne dass es mehr Personal gebe. In Spitzenzeiten „ist der Stress dem Einzelnen nicht mehr zuzumuten“. Dies erhöhe die Sicherheitsrisiken für die Fluggäste und das Personal.