Loriot wird 100! Wie hochaktuell sein Klassiker „Pappa ante portas“ ist, zeigt ein Blick auf den heißesten Film des Jahres. Kennt man Loriot, bietet Greta Gerwigs „Barbie“ lediglich pinke Farbakzente.

Männer gegen Frauen, ein wunderbares Leinwand-Duo und ein Finale am Strand: Anlässlich des 100. Geburtstags von Loriot erweist sich Greta Gerwigs Sommer-Hit „Barbie“ als Echo von „Pappa ante portas“ (1991). Die ultrapinke Marshmallow-Welt um Margot Robbie und Ryan Gosling trifft auf Loriots „Mausgrau, Staubgrau, Aschgrau, Steingrau, Bleigrau, Zementgrau“ („Ödipussi“).

 

Heinrich Lohse (Vicco von Bülow alias Loriot) ist stolzer Leiter der Einkaufsabteilung bei der „Deutschen Röhren AG“. Weil er für 40 Jahre im Voraus 500.000 Blätter Schreibpapier bestellt, wird er vorzeitig in den Ruhestand versetzt. Seine Ankunft zuhause gleicht der eines Monsters in einem Gruselfilm. Frau Renate (Evelyn Hamann) reagiert entsetzt, als er mitten am Tag im Wohnzimmer steht. Er verteidigt sich: „Ich wohne hier“ - „Aber doch nicht jetzt, um diese Zeit!“

Ein Riss im Paradies

„Barbie“ erzählt von der Bedrohung des matriarchalen Paradieses, Loriot vom Chaos, in das Heinrich das traute Eigenheim stürzt. Bislang war das Zuhause tagsüber ein Ort der Harmonie. Während Margot Robbie plötzlich kalt duschen muss, ist Renate nun ihrem passionierten Pensionär ausgesetzt, der seine Zeitungssammlung im Wohnzimmer auslegt.

Die Pointe des Films scheint altbacken zu lauten: Männer sind für den Haushalt ungeeignet und sollten ihn lieber Frauen überlassen. Man kann kritisieren, dass Renate das Jobangebot bei Riegel K(l)otz ausschlägt, das sie auch nur erhalten hatte, weil der Schokoriegel-Industrielle Drögel sich in sie verguckt hatte („Mögen Sie Ernst zu mir sagen?“). Doch es geht Loriot keinesfalls um die Bestätigung von Klischees, sondern darum, sie durch Humor zu entlarven.

Der „alte, weiße Mann“

Loriot erheitert sich über den „alten, weißen Mann“, bevor dies in Mode war. Heinrich Lohse ist ein Fremdkörper im eigenen Heim. Er leidet unter dem Bedeutungsverlust und versucht diesen in seiner „neuen, mehr ins Private zielenden Tätigkeit“ zu kompensieren. Er ist weit entfernt von seinem Sohn, wie ein denkwürdiger Monolog beim Mittagstisch verrät: „Gerade wenn man jung ist, da ist der Körper … Das ist ganz natürlich … Also, das Körperliche, meine ich. Männer sind … Und Frauen auch. Überleg dir das mal. Gerade weil ich es gut mit dir meine. Haben wir uns verstanden?“ Nicht ganz.

Auf den Spuren von Loriot und Evelyn Hamann Foto: IMAGO

Beide Filmen nehmen das sogenannte „Mansplaining“ auf die Schippe, die männliche Vorliebe, Frauen die Welt zu erklären. Die Kens zeigen ihren Barbies, wie man einen Tennisschläger richtig hält und führen sie in die künstlerische Vision hinter „Der Pate“ ein. Heinrich Lohse ist das Vorbild für die allwissenden Sixpack-Kens.

Seinem Sohn Dieter erklärt er: „Michael Jackson! Der war Box-Weltmeister im Halbschwergewicht. Aber dann hat ihn Eddy Alersmeier nach Punkten geschlagen. Das war 1952. Komisch, für so was habe ich ein Gedächtnis.“ Der Putzkraft Frau Kleinert bringt er ihren Beruf bei und wirft die Bettdecken aus dem Fenster. Auch Renate geht er bereitwillig zur Hand: „Es ist heutzutage für eine Frau gar nicht mehr so leicht, einen modernen Privathaushalt zu führen.“ Für Heinrich ist es noch schwieriger.

Mann gegen Frau

Wie „Barbie“ inszeniert „Pappa ante portas“ den Kampf der Geschlechter. Angeschwipst doziert Heinrich im Geplauder mit Frau Kleinert von dem „alten Hass der Geschlechter“ und kommt zum Ergebnis, dass Mann und Frau „im Grunde Gegner“ sind. Doch er gibt zu: „Frauen haben auch ihr Gutes“. Die Geschlechterkeilerei ist so überzeichnet, dass sie jede Ernsthaftigkeit verliert.

Loriots Humor stellt biedermännliche Schrulligkeiten und bürgerlichen Sexismus bloß. Eben dies verbindet ihn mit „Barbies“ Pop-Feminismus. Der Film verliert jedoch nie seine Sympathie für den „alten, weißen Mann“ Heinrich. Nicht über ihn lacht er, sondern mit ihm. Der Film macht deutlich, dass „eine gewisse Abneigung“ zwischen den Geschlechtern keineswegs „natürlich“ ist, wie Heinrich behauptet. Sie ist ebenso absurd wie seine Bestellung von 150 Gläsern Senf.

Mausgraue Utopie

Mitten in seiner cognac-trunkenen Tirade spricht Heinrich – beinahe unbemerkt – die heimliche Essenz des Films aus: „Man sollte lieber versuchen die Unterschiede der Geschlechter auszugleichen.“ Mann und Frau müssen nur „irgendwas zusammen machen“. Heinrich und Renate musizieren gemeinsam, es klingt fürchterlich. Aber sie sind Seite an Seite, niemand spielt die erste Flöte. Loriot bietet die große Utopie der Geschlechterharmonie – „Barbie“ färbt sie nur ein.

„Pappa ante portas“ läuft am Montag, 6.11., um 21:45 Uhr im ARD.