Um die Maisenburg ranken sich zahlreiche Legenden. Es gibt keine Grundmauern mehr, ihr genauer Standort bleibt letztlich ein Geheimnis. Unsere Serie über Lost Places in der Region

Ein geheimer Tunnel unter den Burgmauern, ein Berg, um den es spukt, ein Goldschatz, der von einem Geisterhund bewacht wird – viele Mythen ranken sich um die verwunschene Maisenburg bei Renningen. Dabei ist so gut wie nichts über sie bekannt, ja nicht einmal der exakte Standort, da selbst die Grundmauern nicht mehr stehen. Trotzdem zieht das Areal im Nordosten der Stadt bis heute immer wieder interessierte Besucher an und beflügelt die Fantasie der Menschen.

 

Am intensivsten hat sich der Oberlehrer Emil Höschele in seiner Dorfchronik mit der Renninger Historie auseinandergesetzt. Sie ist Mitte des 20. Jahrhunderts erschienen und gilt auch heute noch als geschichtlich fundiert. Darin beschreibt er die Maisenburg als „kleine Burg über dem steilen Nordwestabhang des Maisenberges“. Es geht um die Anhöhe oberhalb des Wasserbachs.

Wo stand die Burg?

Wo die Burg genau stand, ist bis heute unbekannt. Foto: Simon Granville

Für eine Burg wäre das ein idealer Standort. Denkt man sich den Wald weg, der sich heute dort erstreckt, überblickt man von dort aus das ganze sogenannte Wassenbachtal, in dem sich „zwei alte, vielbegangene Wege kreuzten“: einer von Malmsheim, einer von Gebersheim nach Magstadt. „Von der Burg aus konnten aber auch die Höhen westlich von Renningen, über die die Rheinstraße führte, beobachtet werden.“ Und es gibt noch weitere Hinweise auf den Standort der Anlage. Emil Höschele berichtet von einem Graben und Wall, die zu seiner Zeit wohl noch erhalten waren. „Ältere Renninger erzählen von einem Rüstloch, durch das sie in ihrer Jugend Steine hinuntergeworfen hätten.“ Nach der alten Oberamtsbeschreibung von 1852 soll früher sogar noch ein Gewölbe zu sehen gewesen sein.

Tatsächlich kann man in dem Gelände selbst heute noch einige Steinanhäufungen ausmachen. „Von denen kann man schon annehmen, dass sie von der einstigen Wallanlage stammen“, sagt Mathias Graner, ehemaliger Stadtarchivar von Renningen. Zumindest wäre es an dieser Stelle unwahrscheinlich, dass es sich um Aufschüttungen von Landwirten handelt, die einst die Steine von ihren Äckern in der Natur entsorgt haben. „Aber belastbare archäologische Untersuchungen gab es dazu nie“, betont er. Der genaue Standort bleibt somit ein Geheimnis. Die „Hinweistafel“, die die Renninger Schlüsselgesellschaft vor vielen Jahren auf dem Areal aufstellen ließ, ist historisch jedenfalls nicht fundiert und sagt auch nichts über den wahren Standort der Maisenburg aus.

Wer lebte dort?

Was die Erbauer und Besitzer der Burg angeht, ist Emil Höschele ebenfalls auf Vermutungen angewiesen. Eine Theorie beruft sich auf die Maiser, „ein Adelsgeschlecht, das seinen Sitz in Malmsheim hatte und auch in Renningen begütert war“. Auch der Sitz eines Ortsadligen kommt in Betracht. Es gibt sogar Vermutungen, dass die Maisenburg „ein altes Raubritternest“ war.

Der Legende nach führte ein Tunnel von der Burg ins Dorf. Foto: Simon Granville

Und was gilt nun? Sicher kann wohl nur gesagt werden, dass die Burg existiert hat, erklärt Matthias Graner. Selbst ohne entsprechende Untersuchungen oder Ausgrabungen könne man aufgrund der vorliegenden Quellen davon ausgehen. Alles darüber hinaus ist reine Spekulation. Und so ging es der Maisenburg wie anderen alten Burgen: „Je weniger man von ihnen wußte, umso mehr beschäftigten sie die Fantasie“, wie es Emil Höschele formuliert.

Welche Mythen ranken sich um die Burg?

Einer der bekanntesten Mythen um die Maisenburg erzählt von einem unterirdischen Gang, der von der Burg bis ins Dorf führen soll – auf den es allerdings keine Hinweise gibt. Ein anderer handelt von einem verwunschenen Schatz, den zu heben einen jungen Mann der Sage nach das Leben gekostet haben soll. Die Sage ist im Heimatbuch für den Bezirk Leonberg von Johannes Binder aus dem Jahr 1924 beschrieben.

Einst sollen in dem Gemäuer Raubritter gelebt haben. Der Schlossherr zahlte seinen Untergebenen nur einen Hungerlohn – und selbst den nahm er ihnen später dann wieder ab, indem er sie beim Kartenspiel betrog. Das Geld verwahrte er in einer großen Truhe im Keller auf. Nachdem die Burg zerstört worden war, hieß es, die Truhe sei noch immer da. Um unbeschadet in das verfluchte Gemäuer zu gelangen und den Schatz zu heben, musste man, so die Legende, zwei Regeln beachten: Zum einen musste eine Jungfrau dabei sein. Und es durfte die ganze Zeit über kein Wort gesprochen werden.

Ein paar junge Leute wagten den Versuch. Einer von ihnen wurde mit einem Seil zum „Rüstloch“ hinabgelassen. Wenn er daran zog, sollten seine Freunde ihn wieder hinaufziehen. Das taten sie dann auch. Doch als sie ihn wieder nach oben holten, war er kreidebleich und brachte kaum ein Wort heraus. Unten habe er einen Saal gesehen, erzählte er schließlich. Ein Tisch stand da, Schüsseln und Krüge darauf und Stühle davor. Auf den Stühlen saßen menschliche Gerippe wie bei einem Trinkgelage. Es habe ein Modergeruch geherrscht, daran sei er schier erstickt. Seine Freunde brachten ihn nach Hause, doch er erholte sich nicht mehr und starb nach wenigen Tagen an dem Schrecken.

Geheimnisvolle Orte in der Region

Lost Places
Der Begriff beschreibt verlassene Orte, oftmals handelt es sich um aufgegebene, dem Verfall überlassene Gebäude. Nicht immer haben diese historische Bedeutung. Gemein ist ihnen jedoch ihre geheimnisvolle Aura. Die Bezeichnung Lost Places ist ein Pseudoanglizismus, der sich im deutschsprachigen Raum etabliert hat.

Serie
In loser Folge stellen wir in den kommenden Wochen Lost Places in der Region vor, erzählen ihre Geschichte und dokumentieren fotografisch ihr morbides Ambiente. Manche dieser Orte sind offen sichtbar, andere verfallen – teils seit Jahrzehnten – unbemerkt von der Öffentlichkeit.