Dirk Niebel droht auf dem Parteitag der Liberalen eine Abreibung. Der Grund: Der Spitzenkandidat der Südwest-FDP sagte vor der Niedersachsen-Wahl zu laut, was die meisten dachten – nämlich dass es Parteichef Philipp Rösler nicht bringt.

Berlin - Am nächsten Mittwoch trifft der Liberale Dirk Niebel in seinem Ministerium Peter Maffay, weil dessen Stiftung sich in der Entwicklungshilfe engagiert. Maffay singt bekanntlich auch. Überliefert sind von dem Rockstar folgende Textzeilen aus dem Kindermusical „Tabaluga oder die Reise zur Vernunft“ : „Ich wollte nie erwachsen sein, hab’ immer mich zur Wehr gesetzt. Von außen wurd’ ich hart wie Stein. Und doch hat man mich oft verletzt.“ In der FDP dürfte es nicht wenige geben, die mit dieser Strophe Niebels Verhalten passend umschrieben fänden. Vielleicht zählt sogar er selbst dazu.

 

Niebel wird sich am Wochenende auf dem Bundesparteitag der FDP zur Wehr setzen. Er wird wohl wieder kandidieren für den Posten eines Beisitzers im Präsidium und zweifelnde Delegierte davor warnen, mit ihm den Bundestags-Spitzenkandidaten des liberalen Stammlandes Baden-Württembergs zu demontieren. Aber seine Karten sind schlecht. Aus Nordrhein-Westfalen und Bayern hört man, dass Niebels Chancen dort gegen Null tendieren. Die niedersächsischen Delegierten kann er ohnehin abhaken. Seine Kritiker werfen Niebel vor, dass er auf dem Dreikönigstreffen keine Lust mehr hatte, das Lied von der heilen liberalen Welt zu singen und damit kurz vor der niedersächsischen Landtagswahl offen Parteichef Rösler gegenübertrat. Außerdem eckt er damit an, dass er noch immer mit Inbrunst seine Ära als Generalsekretär – mit Guido Westerwelle an der Spitze – als die erfolgreichsten FDP-Jahre aller Zeiten verkauft. Es nervt die Partei, dass Niebel wie zu Zeiten bester Spaßparteitage mitunter den Hauptstadtclown gibt. So kam es gar nicht gut an, dass der Minister seine umstrittene Bundeswehrmütze, die er auf seinen Auslandsreisen zu tragen pflegt, dem Bonner Haus der Geschichte überantworten will.

Niebel muss deshalb mit mindestens einem, wenn nicht sogar zwei Gegenkandidaten rechnen. Es wird erwartet, dass Wolfgang Kubicki, der die FDP in Schleswig-Holstein in den Landtag rettete, auf dem Parteitag gegen Niebel antritt. Weil aber Kubicki bisher nicht als Teamspieler auffällig wurde, sorgt auch dessen Kandidatur zumindest in NRW nicht für Begeisterung. Mehrere Mitglieder des dortigen Landesvorstands haben deshalb am Montag den Gesundheitsminister Daniel Bahr ermuntert, gegen die beiden anzutreten. Bahr ist in der Partei bisher nicht als Kämpfer wahr genommen worden. Deshalb ist ungewiss, ob er diesen Schritt wagt.

Einer für alle, keiner für einen

Gleichwohl wird es eng für Niebel. Man darf vermuten, dass sich der ehemalige Fallschirmjäger als einzigen Aufrechten in einem Haufen von Drückebergern wahr nimmt, die allesamt zum Jahreswechsel nicht offen sagten, was in der FDP fast alle dachten: Dass es Parteichef Philipp Rösler nicht bringt und dass mit ihm an der Spitze die Partei den Einzug in den Bundestag aufs Spiel setzt – und damit die eigene Existenz. Niebel vertrat die Meinung, dass Fraktionschef Rainer Brüderle an der Spitze die bessere Alternative sei. Und er war mit dieser Auffassung in der FDP nicht allein. Noch am Abend der Niedersachsen-Wahl haben dem Vernehmen nach alle drei Vizevorsitzenden Rösler in vertraulichen Gesprächen nahe gelegt, den Parteivorsitz an Brüderle abzugeben – trotz des fulminanten FDP-Ergebnisses von 9,9 Prozent.

Es kam anders. Brüderle wurde zwar zum Spitzenkandidaten ausgerufen, aber den Parteivorsitz nahm er am nächsten Morgen in der entscheidenden Präsidiumssitzung aus noch immer unklaren Motiven nicht an, obwohl Rösler ihm das Amt angeboten hatte. Wieder war es Niebel, der in dieser Sitzung klar und offen Position für Brüderle als Parteichef bezog. Nur eine umständliche Äußerung von Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger wurde später ebenfalls als Votum für Brüderle interpretiert. Alle anderen schwiegen. Dann kniff Brüderle überraschend, Rösler obsiegte. Niebel fand sich auf der Seite eines Verlierers wieder, der jetzt für die FDP die Bundestagswahl gewinnen soll. Und die anderen wollten mit einem Mal nichts gesagt haben.

Nicht auch noch der!

Man kann wohl davon ausgehen, dass all dies Niebel verletzt und enttäuscht hat. Ihm wird in der FDP eine übergroße Sehnsucht nach Anerkennung nachgesagt. Aber nicht einmal sein Ex-Chef Guido Westerwelle sprang ihm energisch bei, dessen Erbe Niebel glaubt, retten zu müssen. Aber aufgeben wird Niebel nicht. Er will Minister bleiben – wenn der Wähler Schwarz-Gelb bestätigen sollte. Letztlich geht es also am Wochenende bei all dem Gerangel nicht um einen Posten im Präsidium, sondern darum, nach der Bundestagswahl aus der Parteihierarchie einen Anspruch auf ein Ministeramt ableiten zu können.

Landesvorsitzende Birgit Homburger, die erneut als Vizechefin kandidieren will, kann dem Wochenende entspannter als Niebel entgegen blicken. Aber kompliziert ist die Lage auch für sie. Denn mit NRW-Chef Christian Lindner kandidiert ein Vierter für drei Vizeposten. Lindner und Leutheusser-Schnarrenberger gelten als gesetzt, Homburger wird deshalb voraussichtlich gegen den Sachsen Holger Zastrow antreten müssen. In NRW und Bayern heißt es, Homburger könne mit Unterstützung rechnen. Die Delegierten Niedersachsens dürften auch für Homburger stimmen. Rösler, selbst Niedersachse, steht bei Homburger im Wort. Er hat ihr als Kompensation für den Verlust des Fraktionsvorsitzes vor zwei Jahren den Vizechefposten bis zum Ende der Wahlperiode zugesichert. Homburger wird also vermutlich ihre Position verteidigen. Was Niebels Lage umso aussichtsloser erscheinen lässt. Denn wenn die zwar respektierte, aber nicht bei allen beliebte Homburger für Baden-Württemberg bestätigt werden sollte, dürfte bei vielen Delegierten bei Niebel das Gefühl vorherrschen: nicht auch noch der!