Für den Erhalt der Verkehrswege will Berlin in Zukunft verstärkt private Partner einbeziehen. Die Grünen befürchten den Autobahn-Ausverkauf.

Korrespondenten: Thomas Wüpper (wüp)

Berlin - Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt will bei der Verkehrswegefinanzierung einen doppelten Systemwechsel durchsetzen. Zum einen sollen die Verkehrswege verstärkt von den Nutzern und nicht mehr aus Steuern finanziert werden. Im ersten Schritt wird die vor zehn Jahren eingeführte Lkw-Maut, die pro Jahr vier Milliarden Euro einbringt, ausgeweitet. Noch in diesem Jahr werden weitere 1100 Kilometer Bundesstraßen und auch leichtere Lastwagen mautpflichtig. Das soll ab 2016 zusammen 380 Millionen Euro pro Jahr zusätzlich einspielen. Von 2018 an soll die Lkw-Maut auf allen rund 32 000 Kilometern außerörtlichen Bundesstraßen erhoben werden, was zwei Milliarden Euro jährlich brächte. Die umstrittene Pkw-Infrastrukturabgabe, mit der ab 2016 zunächst nur Ausländer belastet werden sollen, wird 500 Millionen Euro netto bringen.

 

Ein weiterer Systemwechsel soll noch mehr Geldquellen erschließen. Mit einer „neuen Generation“ von öffentlich-privaten Partnerschaften (ÖPP) will Dobrindt private Geldgeber für Verkehrsprojekte mobilisieren. Banken, Versicherer und Fonds sollen künftig langfristig in die deutsche Verkehrsinfrastruktur investieren können – und zwar besonders in das viel befahrene und dadurch lukrative Autobahnnetz. Für die Geldgeber wird das nur dann ein gutes Geschäft, wenn sich genügend zahlungskräftige Nutzer finden. Beispiele für Verlustgeschäfte gibt es im In- und Ausland aber zuhauf. In Deutschland, wo die Verkehrswege bis vor zwanzig Jahren fast nur aus öffentlichen Etats finanziert wurden, liefen die ersten privaten Projekte – der Warnow-Tunnel in Rostock und der Herrentunnel in Lübeck – ebenfalls schief.

Die schärfste Kritik kommt vom Bundesrechnungshof

Lukrativer sind für private Geldgeber die bisher rund ein Dutzend ÖPP-Projekte zum Ausbau und Betrieb einiger Autobahnabschnitte wie zwischen Stuttgart und München, die durch die Einnahmen aus der Lkw-Maut sicher refinanziert werden und ein Projektvolumen von mehr als elf Milliarden Euro haben. Die schärfste Kritik an diesen Modellen kommt seit Jahren vom Bundesrechnungshof. Die Aufseher warnen die Bundesregierung regelmäßig, dass privat statt öffentlich finanzierte Verkehrswege für die Steuerzahler und Nutzer am Ende meist viel teurer sind. Zum einen, weil die Geldgeber eine Rendite und einen Risikozuschlag für ihr Engagement wollen. Zum anderen, weil kein Investor Kredite so günstig erhält wie der deutsche Staat.

Trotzdem gilt auch Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) als Freund solcher ÖPP-Modelle. Denn das private Kapital entlastet den klammen Verkehrsetat, so dass sich Projekte schneller realisieren lassen. Auch Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) soll deshalb Ideen nicht abgeneigt sein, die derzeit in Berliner Ministerien laut einem Bericht des „Handelsblatts“ die Runde machen.

Vorbild ist die staatliche Asfinag in Österreich

Demnach erwägt die Bundesregierung, mittelfristig gleich das fast 13 000 Kilometer lange Autobahnnetz und mehr als 41 000 Kilometer Bundesstraßen in eine neue Betriebsgesellschaft zu übertragen, an der sich private Geldgeber beteiligen könnten. Als Vorbild gilt die staatliche Asfinag in Österreich, die dort die Autobahnen zentral verwaltet.

Im föderalen Deutschland ist die Sachlage komplizierter. Autobahnen und Bundesstraßen gehören zwar dem Bund, der sie auch finanziert, der Unterhalt läuft aber in der Regie des jeweiligen Bundeslandes. Zudem sind die Aufgaben auf etliche Behörden und Dienstleister wie die Projektfirma Deges, den privaten Lkw-Mautbetreiber Toll Collect und die Verkehrsinfrastrukturfinanzierungsgesellschaft (VIFG) verteilt.

Sogar das Grundgesetz müsste geändert werden

Wie und wann eine zentrale Betriebsgesellschaft für die deutschen Fernstraßen entstehen könnte, gilt als völlig offen. Zumal Änderungen im Grundgesetz nötig wären, weil die Länder auf Rechte verzichten müssten. Die Regierungskoalition aus Union und SPD könnte zwar im Bundestag eine Verfassungsänderung durchsetzen, im Bundesrat wäre jedoch mit kaum zu überwindendem Widerstand zu rechnen, da Grüne und Linke in vielen Bundesländern mit an der Macht sind und solche Ideen kritisch sehen.

Der Fraktionschef der Grünen im Bundestag, Anton Hofreiter, hält die Pläne der Bundesregierung für „grotesk und peinlich“. Anstatt die Zeit mit absurden Privatisierungsplänen für die Autobahnen, fragwürdigen ÖPP-Projekten oder der unsinnigen Pkw-Maut für Ausländer zu verschwenden, hätte Dobrindt längst die überfällige Ausweitung der Lkw-Straßengebühren vorantreiben können, kritisierte der Verkehrsexperte im Gespräch mit der Stuttgarter Zeitung.

Das Interesse der privaten Geldgeber gilt den Autobahnen

„Gemessen an den externen Kosten des Lkw-Verkehrs ist die Maut ohnehin um mindestens ein Drittel zu niedrig“, sagt Hofreiter. Die Belastung durch den wachsenden Schwerverkehr sei zudem maßgeblich für Straßenschäden und steigende Unterhaltskosten verantwortlich. Wie seine Fraktion sieht er in Dobrindts Plänen keine Antwort auf Schlaglöcher und bröselnde Brücken. Das sei nur der durchsichtige Versuch, weitere Schattenhaushalte zu schaffen, die Schuldenbremse zu umgehen und neue Anlagemöglichkeiten für die Finanzbranche zu kreieren, moniert er.

Für entlarvend hält es der grüne Verkehrsexperte, dass nur die Autobahnen bei privaten Geldgebern auf Interesse stoßen, die lediglich fünf Prozent des deutschen Straßennetzes ausmachen, aber rund 40 Prozent des gesamten Verkehrs bewältigen. Hier könnten private Betreiber ihren Reibach machen, während der teure Unterhalt von 95 Prozent aller Straßen weiter dem Staat überlassen bliebe. „Die Privatisierung von Autobahnen“, sagt Hofreiter, „ist daher nichts anderes als Rosinenpickerei und Diebstahl am Steuerzahler.“

Ein Dutzend Projekte wurden schon auf den Weg gebracht

Minister Dobrindt will trotz solch massiver Kritik zumindest weitere ÖPP-Projekte mit privatem Kapital durchsetzen. Helfen soll dabei das Investitionsprogramm der Europäischen Union, das in Deutschland den Neubau von 670 Kilometern Autobahn für rund 7,5 Milliarden Euro umfassen soll. Hinzukommen sollen weitere Projekte zum Erhalt und zum Betrieb von Fernstraßen, die nochmals den gleichen Umfang haben und für 30 Jahre vergeben werden sollen. Bisher hat die Bundesregierung rund ein Dutzend ÖPP-Projekte bei Autobahnen auf den Weg gebracht.