Freizeit & Unterhaltung: Anja Wasserbäch (nja)
„Welt in Klammern“ klingt nach Rieger, aber anders als der Sound der Nerven. Das hat bestimmt mit der Arbeitsweise zu tun, oder?
Zweifellos. Die Arbeitsweise ist komplett anders. Während wir bei Die Nerven die Songs im gemeinsamen Spielen erarbeiten, fange ich bei Null an. Ich schichte Stück für Stück, während bei Die Nerven alles gleichzeitig passiert. Ich habe die Platte hunderttausend Mal gewendet und umgestellt, wahrscheinlich klingt sie deshalb so anders.
Machen Sie wirklich alles alleine?
Als ich die Credits geschrieben habe, musste ich feststellen, dass ich wirklich jede Spur eingespielt habe. Das war gar nicht so beabsichtigt, sondern hat sich einfach so ergeben. Ich habe das Album auch produziert und gemischt. Die einzige Person, die dann da noch involviert war, war Ralv Milberg, der die Platte natürlich gemastert hat, weil er der beste Mastering Engineer ist, der mir bekannt ist.
Wie muss man sich Ihr Songwriting vorstellen? Was ist die Ausgangsidee bei einem Song?
Ich habe oft eine Fläche, die auf einem Grundton schwebt. Ich muss es dann nur noch herausschälen. Es passiert irgendwie, ich kann es gar nicht genau beschreiben.
Es sind auch murmelnde Menschen, Tierstimmen, das Geräusch einer Stadt zu hören. Haben Sie stets ein Aufnahmegerät dabei?
Inzwischen habe ich immer eins dabei. Diese Feldaufnahmen von den murmelnden Menschen sind teilweise mit zwei Jahren Abstand voneinander aufgenommen. Ich bin am Schluss gezielt losgegangen und habe Stimmen im Café Weiß und am Hans-im-Glück-Brunnen aufgenommen. Ich habe mal ein Jahr über dem Vegi Voodoo King in der Steinstraße gewohnt. Das war eine krasse Zeit. Damals haben mich diese Stimmen begleitet.
Als zentrale Inspirationsquelle nennen Sie den amerikanischen Minimal-Music-Komponisten Steve Reich. Wie kamen Sie mit seinem Werk in Kontakt?
Ich weiß es nicht mehr so richtig. Ich beziehe mich auf ihn, weil ich diese Hamburger-Schule-Vergleiche nicht mehr hören kann. Ich texte nicht auf Deutsch, weil das andere gemacht haben, sondern weil es sich richtig anfühlt – und nicht weil ich das cool finde. Ich würde es mir wohl nicht anhören, wenn ich es nicht selber gemacht hätte. Ich finde im Deutschen nun mal die richtigen Worte. Bei All diese Gewalt geht es vordergründig nicht um den Text oder um eine Message, es geht mehr um einen Klang. Das ist bei Steve Reich auch so. Was Steve Reich gemacht hat, das hat niemand sonst gemacht.
Sie möchten nichts machen, was es schon mal gab?
Durchaus. Auch wenn ich weiß, dass es vergebene Liebesmüh’ ist. Ich will immer neue Wege ausprobieren. Das ist der Anspruch.
Wie werden die Songs live umgesetzt? Auch alleine?
Ich habe eine Supergroup gegründet. Thomas Zehnle von Wolf Mountains und Levin goes Lightly, Dennis Melster, der bei der Blue Angel Lounge gespielt hat und Jannis Petterson von der Band Walls and Birds. Ich bin selbst gespannt, wie es wird. Es kann auch sein, dass es die ultimative Katastrophe wird. Im Idealfall wird es natürlich keine.
In wie vielen anderen Bands spielen Sie derzeit?
Derzeit nur bei Die Nerven und bei All diese Gewalt. Ich bin bei Levin Goes Lightly live gerade nicht dabei, das ist zeitlich nicht machbar. Es gibt einige Platten, die ich produziert habe, die bald erscheinen werden wie zum Beispiel Friends of Gas aus München. Es kommt auch bald die neue Karies-Platte, die ich zusammen mit Ralv Milberg produziert habe. Wir werden Anfang nächsten Jahres ein neues Album von Fabian produzieren, und ich werde wohl Mitproduzent der neuen Drangsal-Platte sein. Außerdem werden wir natürlich ein neues Die-Nerven-Album machen. Auch ein neues Album von All diese Gewalt habe ich schon grob im Kopf. Es wird nicht langweilig.
       

Das Album „Welt in Klammern“ von All diese Gewalt erscheint am 23. September. Am 26. Oktober ist Max Rieger mit Band live in der Manufaktur in Schorndorf.