Für die Entdeckung zweier Medikamente gegen Tropenerkrankungen wurde in diesem Jahr der Nobelpreis für Medizin vergeben. Die drei Forscher William Campbell, Satoshi Omura und Youyou Tu erhalten die begehrte Auszeichnung.

Stuttgart - Mit dem Medizinnobelpreis in diesem Jahr werden drei Forscher geehrt, die sich mit den Krankheiten der ärmsten Menschen dieser Welt beschäftigen: Dank der Arzneimittel, welche die diesjährigen Preisträger entdeckten, konnten Millionen von Menschenleben vor allem in Entwicklungsländern gerettet werden. Drei Parasitenforscher hat das Nobelpreiskomitee in Stockholm ausgezeichnet. Der gebürtige Ire William Campbell und der Japaner Satoshi Omura teilen sich die Hälfte des Preises für die Erforschung von lebensgefährlichen Fadenwürmern, die Chinesin Youyou Tu erhält die zweite Hälfte für ihre Arbeiten an einer Malaria-Therapie. Bis zum Jahr 2011 erhielten die Preisträger noch zehn Millionen schwedische Kronen. Aus finanziellen Gründen wurde die Summe vor drei Jahren auf acht Millionen schwedische Kronen gesenkt, das entspricht 850 000 Euro. „Nach Jahrzehnten begrenzten Fortschritts bei der Entwicklung haltbarer Therapien für Parasitenkrankheiten haben die Entdeckungen der diesjährigen Preisträger die Situation radikal verändert“, lobt das Nobelkomitee die Forschungsarbeiten.

 

Die chinesische Pharmakologin Youyou Tu entdeckte und entwickelte aus einer chinesischen Heilpflanze einen Wirkstoff, der einen der gefährlichsten Erreger der Malaria zerstört. In den frühen 1970er Jahren isolierte sie aus Artemisia annua, dem Einjährigen Beifuss, die Substanz Artemisinin. Sie suchte dabei gezielt nach einem Stoff, der gegen die Parasiten einer besonders schwer verlaufenden Form der Erkrankung, der Malaria tropica wirkt. Diese Art des Sumpffiebers ist für etwa 80 Prozent aller Malariafälle weltweit verantwortlich und tritt vor allem in afrikanischen Ländern auf. Wird dieses Leiden nicht rechtzeitig behandelt, sterben die meisten der Betroffenen. Jedes Jahr erkranken rund 250 Millionen Menschen an Malaria, zwischen 580 000 und knapp einer Million Menschen sterben daran. Kinder unter fünf Jahren sind am häufigsten betroffen.

Parasiten lösen Malaria aus

Der Erreger der Malaria ist ein einzelliger Parasit mit dem Namen Plasmodium. Er führt ein kompliziertes Dasein während seines gesamten Lebenszyklus, wozu der Parasit nicht nur den Menschen, sondern auch Mücken als Wirte braucht. Die weiblichen Stechmücken der Gattung Anopheles übertragen den Einzeller durch einen Stich in den Menschen. Die Plasmodien wandern zunächst in die Leber, vermehren sich dort und gelangen dann in die Blutbahn. Hier bevorzugen sie die roten Blutkörperchen, die aufgrund der massenhaften Teilung platzen und die Einzeller wiederum ins Blut schwemmen, so dass bei einem blutsaugenden Stich der Anopheles die Erreger von der Mücke aufgenommen und somit weiter verbreitet werden.

Der rote Blutfarbstoff Hämoglobin der roten Blutkörperchen enthält Eisen, das bei der Vermehrung von den Einzellern aufgenommen wird. Hier setzt die Wirkung von Artemisinin an – zumindest glaubt man dies, denn bis heute ist der exakte Wirkmechanismus nicht endgültig geklärt. Man geht davon aus, dass Artemisinin durch eine chemische Besonderheit, eine sogenannte Peroxidstruktur, den Einzeller zerstört. Diese Struktur zerfällt in freie Radikale, wenn sie auf sehr viel Eisen trifft – welches die Parasiten enthalten. Zudem scheint das Mittel einen wichtigen Ionenkanal in der Zellwand des Erregers lahm zu legen. Artemisinin wirkt schnell und zuverlässig. Das unterschied die Substanz von allen bis dahin wirksamen Mitteln gegen Malaria. Heute wird das Medikament nicht mehr mühsam aus den Pflanzen Südostasiens gewonnen. Vielmehr kann man es synthetisch in Hefezellen produzieren, indem man die nötigen Pflanzengene in das Erbgut der Hefe eingebaut hat. Nun setzt man in der Malariaforschung vor allem auf die Entwicklung eines Impfstoffes: Für die besonders gefährdeten Menschen in Afrika wird wohl bald ein Vakzin auf den Markt kommen, das zumindest einen Teil der Krankheitsfälle verhindert.

Medikament gegen Parasiten

Auch William Campbell und Satoshi Omura haben ein Medikament gegen Parasiten entdeckt. Das Mittel Ivermectin, isoliert aus Bakterien, macht Fadenwürmer unschädlich. Diese Würmer werden als Parasiten mit dem Stich einer Mücke auf den Menschen übertragen und siedeln sich dann an unterschiedlichen Stellen des Körpers an. Bei der Flussblindheit spucken Kriebelmücken winzige Würmer namens Onchocerca volvulus in den Menschen. Diese nisten sich in der Unterhaut ein, die Larve wächst zu einem Wurm heran und die Weibchen produzieren massenhaft Nachkommen. Bei der nächsten Blutmahlzeit nehmen die Mücken diese auf und geben sie weiter. Im menschlichen Körper wandern die Würmer unter anderem ins Auge. Betroffene werden langsam blind. In abgelegen Orten Afrikas mit schlechter medizinischer Versorgung sind mehr als ein Drittel der Dorfbewohner blind. Rechtzeitig behandelt, wird ihnen dieses Schicksal erspart. Eine andere schwere, von derartigen Parasiten verursachte Erkrankung ist die Elephantiasis. Die Würmer siedeln sich bei dieser Tropenkrankheit in den Lymphgefäßen und Lymphknoten an. Bei unbehandelten, über Jahrzehnte verlaufenden Fällen kann die Parasitose zum Zustandsbild der Elephantiasis führen. Das Mittel Ivermectin bindet bei den Würmern an bestimmte durch Botenstoffe gesteuerten Kanäle in deren Nervensystem. Die neurotoxische Substanz lähmt die Parasiten zunächst und schließlich sterben sie. Zudem wird durch die Substanz die Bildung der Eier der Würmer und die Larvenentwicklung gestört.

Diese beiden schweren Fadenwurminfektionen werden von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) als vernachlässigt eingestuft. Denn obwohl es die wirksamen Medikamente gibt, sind diese Infektionen in armen afrikanischen und asiatischen Ländern weiterhin ein großes Problem, weil Ärzte und entsprechende Medikamente fehlen. Daher ist der diesjährige Nobelpreis auch ein Signal für die eher vergessenen Erkrankungen in den Tropen.