Weil sich die CDU im Landtag quer legt, verlangen mehrere Verbände von der grün-roten Koalition, im Alleingang die Bürgerbeteiligung im Land zu verbessern. Bei der Volksabstimmung bliebe dann alles wie gehabt.

Stuttgart - Mehrere Verbände haben die grün-rote Koalition aufgefordert, in Sachen Bürgerbeteiligung rasch Ergebnisse vorzulegen – notfalls ohne Einbindung der CDU. Dies hätte allerdings zur Folge, dass Volksabstimmungen auf Landesebene auch künftig kaum zu gewinnen wären. „Die CDU will keine Fortschritte, sie blockiert nur“, kritisierte der DGB-Landeschef Nikolaus Landgraf am Montag. Neben dem Gewerkschaftsdachverband haben sich die Naturschützer vom BUND sowie der Verein Mehr Demokratie zu einem Bündnis zusammengeschlossen. Die BUND-Landesvorsitzende Brigitte Dahlbender warf der CDU „oppositionelle Selbstdarstellung vor, Edgar Wunder von Mehr Demokratie sagte, Baden-Württemberg bilde bei der Bürgerbeteiligung das Schlusslicht in Deutschland.

 

In der Sache sind sich die Fraktionen fast einig

Dabei hatten die Reformbemühungen recht vielversprechend begonnen. Alle vier Landtagsfraktionen bestückten eine Arbeitsgruppe, die eine Paketlösung für mehr Bürgerbeteiligung entwickeln sollte. Damit reagierten die Regierungs- wie auch die Oppositionsfraktionen auf die Vertrauenskrise der parlamentarischen Demokratie im Zuge der Auseinandersetzungen um Stuttgart 21. Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) verlangte verschiedentlich nach „neuen Formaten“ der Bürgerbeteiligung, um die repräsentative Demokratie zu stärken.

Es geht um drei Komplexe: Erstens sollen Volksabstimmungen erleichtert werden. Gegenwärtig reicht für den Abstimmungserfolg nicht die Mehrheit aus, zugleich muss ein Drittel der Wahlberechtigten zustimmen. Eine hohe Hürde. Weil für eine Reform eine verfassungsändernde Zweidrittelmehrheit im Landtag erforderlich ist, geht ohne die größte Fraktion, die CDU, nichts. Im Prinzip sind sich alle Fraktionen einig, Das Quorum auf 20 Prozent zu senken.

Zweitens strebt Grün-Rot an, die Hürden für Bürgerentscheide in den Kommunen zu senken. Zum Beispiel, in dem das Zustimmungsquorum von 25 Prozent auf ebenfalls 20 Prozent herabgesetzt wird. Das ist zwischen den Fraktionen konsensfähig. Jedoch gibt es bei den Kommunalreformen an einigen Ecken Dissens zwischen SPD und Grünen.

SPD zögerlich bei der Bauleitplanung

Letztere pochen darauf, dass die Bauleitpläne aus dem so genannten Negativkatalog heraus genommen werden. An diesem Punkt ist die SPD zurückhaltender. Im Prinzip geht es den Genossen darum, die Gemeinderäte nicht zu stark in ihren Kompetenzen zu beschneiden. Sie fragen: Wer sollte sich sonst noch für das Ehrenamt im Gemeinderat hergeben?

Drittens schließlich kreist die Debatte um den Planungsleitfaden, der mehr Bürgerbeteiligung bei großen Infrastrukturprojekten herstellen soll. Staatsrätin Gisela Erler legte den Entwurf vor der Sommerpause vor, allerdings befindet sich das Papier noch in der Ressortabstimmung. Damit ist der Leitfaden für die CDU nicht verlässlich; er könnte sich ja noch ändern. Der CDU-Abgeordnete Bernd Hitzler hält den Leitfaden deshalb noch nicht für zustimmungsfähig. Solange sich dies nicht ändere – Hitzler bewegt sich da ganz auf der von CDU-Fraktionschef Peter Hauk vorgegebenen Linie – gebe es kein Plazet für das Gesamtpaket.

Vorbild Bayern

Innerhalb der Grünen wächst daher die Bereitschaft, auf die CDU und damit auf die Reform der Volksabstimmung zu verzichten und sich dafür auf die Bürgerbeteiligung in den Kommunen zu konzentrieren. Dazu ist lediglich eine Änderung der Gemeindeordnung nötig. Dafür reicht die einfache Mehrheit im Landtag. „Wir lassen uns nicht am Nasenring durch die Manage ziehen“, sagte Sitzmann. FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke betonte zuletzt, an den Liberalen läge es nicht, wenn es zu keiner Einigung käme. Kommende Woche tagt die interfraktionelle Arbeitsgruppe erneut.

BUND-Landeschefin Dahlbender sagte: „Wir sind zunehmend befremdet.“ Sie verweist auf das bayerische Vorbild. Dort gibt es etwa für einfache Gesetze gar kein Zustimmungsquorum. „Ich wüsste nicht, dass Bayern in Volksabstimmungen versinkt und massenhaft Bauleitplanungen verhindert werden“ sagte Dahlbender.