Mercedes-Vertriebschef Ola Källenius will den Verkauf von bislang konzerneigenen Autohäusern zügig umsetzen. Das Interesse von Investoren sei groß, sagt Källenius im StZ-Interview.

Stuttgart - Der Mercedes-Vertriebschef Ola Källenius will den Absatz in diesem Jahr deutlich ausweiten. Der Verkauf von konzerneigenen Autohäusern in Deutschland wird nach Einschätzung des Vertriebschefs einen Investitionsschub auslösen, mit dem auch die Marktposition der Marke mit dem Stern gestärkt wird.

 
Herr Källenius, der Verband der Automobilindustrie rechnet damit, dass der Pkw-Weltmarkt in diesem Jahr nur um zwei Prozent wächst. Sie streben mit der Mercedes Car Group aber ein deutliches Absatzwachstum, also mehr als fünf Prozent an. Woher kommt dieser Schwung?
Unsere Produktoffensive ist die Basis für unser Wachstum. Wir erneuern beispielsweise fast unser gesamtes Angebot an Geländewagen, aber natürlich rechnen wir auch mit einer guten Konjunktur in wichtigen Märkten. Der stärkste Absatzschub kommt in diesem Jahr aus dem chinesischen Markt. Dort haben wir jetzt das erste Jahr der vollen Verfügbarkeit der C-Klasse mit langem Radstand. Zudem starten wir in Peking die Produktion des GLA. Mit diesem kompakten Geländewagen erschließen wir ein neues Segment in China. Dies sind zwei wesentliche Wachstumstreiber für diesen Markt. Wir sehen zudem gute Chancen in Nordamerika und wollen auch von der Erholung des westeuropäischen Markts nach der Krise profitieren.
Zu den Highlights von Mercedes in Genf zählt in diesem Jahr neben dem extralangen Mercedes-Maybach Pullman auch die C-Klasse mit Plug-in-Hybrid. Bremsen die niedrigen Spritpreise nicht den Absatz von Fahrzeugen mit alternativen Antrieben?
Wir erwarten, dass der Plug-in-Hybrid in den kommenden Jahren eine wichtige Rolle spielen wird. Im Herbst haben wir die S-Klasse mit diesem Antrieb auf den Markt gebracht, jetzt kommt die C-Klasse hinzu, und bis 2017 werden wir zehn Plug-in-Hybride auf dem Markt haben. Sehr viele Firmenkunden im europäischen Markt, die Fahrzeugflotten betreiben, achten beim Kauf sehr genau auf die CO2-Emissionen. Für diese Kunden ist der Plug-in-Hybrid das passende Angebot. Ich glaube nicht, dass das Kaufverhalten sich mit niedrigen Spritpreisen dramatisch verändert.
In Amerika lässt sich aber beobachten, dass gerade die großen Spritschlucker wieder sehr gefragt sind.
In Amerika mag es sein, dass die großen Geländewagen und Pick-ups wieder bevorzugt werden; in Europa ist der Trend zu verbrauchsärmeren Fahrzeugen dagegen ungebrochen.
Seit dem vergangenen Jahr verkaufen Sie auch im Internet Autos. Wie sind die ersten Erfahrungen?
Die sind sehr interessant. Wir haben Pilotprojekte in Hamburg und Warschau gestartet und festgestellt, dass sehr viele Menschen dieses Portal nutzen, um mit der Marke in Kontakt zu kommen. Sie haben sich im Internet informiert, mit uns gechattet, Fragen gestellt. Sehr viele haben einen Termin für eine Probefahrt gebucht. Einige haben einen Termin mit einem Verkäufer vereinbart, und einige haben sogar ein Auto bis zum letzten Klick im Internet gekauft. Es ist natürlich ein Unterschied, ob man ein Buch für zehn Euro oder ein Auto für 60 000 Euro mit einem Mausklick im Internet kauft.
Und wie geht es jetzt weiter?
Diese erste Phase verspricht mehr. Wir werten nun die Ergebnisse aus und werden in diesem Jahr entscheiden, ob wir hier größer einsteigen und dieses Angebot auf weitere Standorte ausdehnen.
Im Internet erwarten die Kunden ja generell Schnäppchenpreise. Ziehen Sie hier mit?
Das werden wir nicht machen. Wir werden das Internetportal nicht dazu nutzen, Autos günstiger zu verkaufen als im stationären Handel. Das Portal ist ein zusätzlicher Zugang zur Marke. Viele Menschen fahren am Samstag nach dem Frühstück nicht zum Händler raus. Aber sie haben ein Tablet, mit dem sie die Autos bequem anschauen, digital erleben und mit uns Kontakt aufnehmen können. Als Weg zum Handel hat sich das Portal schon bewährt.
Aber es klingt, als würde der Verkauf über das Internet eher die Ausnahme bleiben.
Es ist noch zu früh für eine Prognose.
Der Absatz ist im vergangenen Jahr weltweit gewachsen, aber gerade in Deutschland haben Sie sich schwer getan. Welche Gründe hatte das?
2014 waren wir Marktführer unter den Premiumherstellern in Deutschland. Mercedes-Benz hat in Deutschland einen sehr hohen Marktanteil von rund neun Prozent. Damit sind wir sehr gut positioniert.
Im vergangenen Jahr haben Sie aber Marktanteile verloren.
Es geht mal hoch und mal runter. Das vergangene Jahr war ein Übergangsjahr bei der C-Klasse, in dem der Generationswechsel stattgefunden hat. Das T-Modell, also die Kombi-Variante der C-Klasse ist unser meistverkauftes Modell in Deutschland. Im September ist die neue Generation gestartet, und der Auftragseingang sieht sehr gut aus. Deshalb bin ich ganz zuversichtlich für das laufende Jahr. Wir wollen den Marktanteil halten.
Daimler-Betriebsratschef Michael Brecht hat darüber geklagt, dass es im deutschen Vertrieb eine große Unruhe gebe, weil die konzerneigenen Niederlassungen zu Verbünden zusammengefasst werden und viele Autohäuser verkauft werden sollen. Brecht hat gefordert, dass die Mitarbeiter möglichst bald Klarheit bekommen sollen, wie es weitergeht. Müssen sie sich auf eine lange Phase der Ungewissheit einstellen?
Wir haben entschieden, unser konzerneigenes Vertriebsnetz in Deutschland neu aufzustellen. Ein Teil dieser Neuordnung ist der Verkauf einiger unserer Autohäuser an externe Partner. Aus historischen Gründen hatte der konzerneigene Vertrieb in Deutschland eine dominierende Position. Rund 60 Prozent der Fahrzeuge wurden über den eigenen Handel abgesetzt, was in der Branche unüblich ist. Wir geben jetzt rund 60 Standorte ab. In diesem Zuge haben wir sehr klare und gute Regelungen für die Mitarbeiter vereinbart. Wenn sie zu einem neuen Partner wechseln, haben sie Planungssicherheit beispielsweise bei den Sozialleistungen. Es ist auch unser Ziel, dass diese Umstrukturierung so schnell wie möglich umgesetzt wird. Die Mitarbeiter sollen Klarheit bekommen. Darin sind wir uns mit dem Betriebsrat einig. Gleichzeitig ist es aber auch so, dass man in einem Verkaufsprozess die Marktkräfte wirken lassen und darauf achten muss, dass man die richtigen Erwerber als neue Vertriebspartner für die Standorte findet. Daran arbeiten wir sehr intensiv.
Heißt das, dass der Verkauf in diesem oder im nächsten Jahr abgeschlossen wird?
Wir haben bereits kurz vor Weihnachten Vereinbarungen für die ersten beiden Betriebe in Wiesbaden und Erfurt getroffen. Wie lange es insgesamt dauern wird, hängt vom Markt und von den Interessenten ab. Wir sind aber guten Mutes. Das Interesse ist groß.
Wie sieht der Kreis der Interessenten aus?
Einige unserer deutschen Vertriebspartner haben Interesse bekundet. Es melden sich auch Unternehmen, die wir bereits in anderen Ländern als Partner haben und die noch nicht in Deutschland aktiv sind. Zudem melden sich weitere starke und erfahrene Unternehmen aus dem Automobilhandel, die noch nicht Mercedes-Benz- Händler sind. Namen werden wir erst nennen, wenn die Vereinbarungen abgeschlossen sind.
Zur Jahrespressekonferenz ist veröffentlicht worden, dass Sie in diesem und im nächsten Jahr mit finanziellen Belastungen von bis zu einer halben Milliarde Euro für den Umbau rechnen. Ist dieses Geld vor allem dafür geplant, dass Mitarbeiter ihren sozialen Besitzstand auch beim Wechsel des Arbeitgebers halten können oder werden mit einem Aufgeld unattraktive Standorte aufgehübscht?
Unsere Personalkosten in den Niederlassungen passen nicht zu einer nachhaltig wettbewerbsfähigen Position. Damit die Erwerber mit einer handelsüblichen Kostenposition einsteigen können, haben wir gemeinsam mit den Arbeitnehmern eine Betriebsvereinbarung abgeschlossen. Bei den Aufwendungen in Höhe von 500 Millionen Euro handelt es sich beispielsweise um Abfindungen für ausscheidende Mitarbeiter, Pensionszusagen und Nachteilsausgleiche für Mitarbeiter. Damit müssen die Erwerber diese Kostennachteile nicht übernehmen. Wir hören von den potenziellen Investoren, dass sie ihr Marktgebiet weiterentwickeln wollen. Deshalb rechnen wir damit, dass es einen Investitionsschub geben wird, was sowohl für die Investoren als auch für unsere Marktposition und nicht zuletzt für unsere Mitarbeiter gut sein wird.
Für die Mitarbeiter im Osten gibt es keine spezielle Vereinbarung zur Sicherung des Besitzstands bei einem Verkauf von Standorten wie im Westen. Deshalb fordern sie eine Vereinbarung zur Arbeitsplatz- und Standortsicherheit, haben damit aber bisher kein Gehör gefunden. Wird hier mit zweierlei Maß gemessen?
Nein, keineswegs. Die ostdeutschen Standorte gehören mit Ausnahme des bereits verkauften Unternehmens in Erfurt, das eine eigenständige GmbH war, alle zu einer Gesellschaft, der Mercedes-Benz Vertriebsgesellschaft mbH. Bei einem so genannten „share deal“, also einem kompletten Verkauf einer Gesellschaft mit sämtlichen Standorten, wie wir es vorhaben, entstehen den Mitarbeitern dadurch keine Nachteile. Die bisherigen Regelungen gelten dann weiter. Deshalb wird nicht mit zweierlei Maß gemessen.