Am Donnerstag eröffnet mit dem Milaneo das größte Einkaufszentrum in Baden-Württemberg. Schon am Mittwochabend fand eine Eröffnungsgala für geladene Gäste statt. Dabei mahnte der Stuttgarter OB Fritz Kuhn zur Zusammenarbeit zwischen den Betreibern und der Stadt.

Stuttgart - Der Betreiber des Milaneo, die ECE, beschreibt das Einkaufszentrum zwischen Stadtbibliothek und Wolframstraße als „eine der größten Quartiersentwicklungen der Republik“. Fest steht: das Milaneo ist das größte Shoppingcenter im Südwesten und eines der größten Projekte seiner Art in einer deutschen Großstadt. Während die Beteiligten ihre Freude nicht verbergen können, wird zur Eröffnung erneut Kritik an dem Megaprojekt geäußert.

 

Darauf geht Stuttgarts Oberbürgermeister Fritz Kuhn (Grüne) bei der Eröffnungsgala im Milaneo am Mittwochabend ein. Er mahnt eine Zusammenarbeit zwischen den Betreibern des Einkaufszentrums und der Stadt an: „Die Probleme, die es gibt, müssen wir gemeinsam lösen“, so Kuhn, „denn wir haben als Stadt ein elementares Interesse daran, dass es dem Milaneo gut geht.“ Kuhn sieht für die Zukunft drei große Herausforderungen. „Die Kapazität, die Stuttgart beim Verkehr verkraften kann, ist begrenzt.“ Zudem müsse der öffentliche Raum rund um des Shoppingcenter auch dann belebt werden, wenn die Läden am Abend und am Wochenende geschlossen haben. „Außerdem muss die ganze Stadt, vom Milaneo zum Gerber, von der Königstraße bis in die Nebenstraßen und hin zum Breuninger als Einkaufsstandort funktionieren.“

Alexander Otto, der Geschäftsführer der ECE, kann die Ängste der Händler in der Stuttgarter Innenstadt in Bezug auf die neuen Center nachvollziehen. „Wir müssen neue Kaufkraft in die Stadt holen, damit es nicht zu einer Verdrängung kommt“, so Otto. Aus Sicht des ECE-Chefs wird der große Konflikt im Handel nicht zwischen Einkaufszentren wie dem Milaneo und der Innenstadt ausgetragen. „Viel wichtiger ist die Auseinandersetzung zwischen dem stationären Handel und dem Internet. Denn damit müssen wir alle fertig werden.“

Betreiber rechnen mit 120.000 Kunden am ersten Tag

Während am Mittwochabend nur geladene Gäste einen Einblick in das Milaneo bekommen, startet der eigentliche Betrieb des Einkaufszentrums am Donnerstag: Um 8 Uhr öffnen sich die Tore, der Media Markt macht sogar zwei Stunden früher auf. Ein regelrechter Ansturm, hauptsächlich wohl in Richtung der irischen Modekette Primark, wird erwartet. „Wir rechnen mit bis zu 120 000 Menschen am ersten Tag“, sagt die Center-Managerin Andrea Poul. Doch selbst eine Viertelmillion Kunden an einem Tag verkraftet das Milaneo nach ihrer Meinung. „Wie viele Menschen tatsächlich in den ersten Tagen kommen werden, können wir nicht abschätzen“, erklärt sie.

Doch dass das Projekt selbst für die ECE, den europäischen Platzhirsch in Sachen Einkaufszentren, etwas Besonderes ist, beweisen die Kennziffern. 550 Millionen Euro beträgt das Investitionsvolumen inklusive der 415 Wohnungen auf dem Dach, der Büroflächen und des geplanten Hotels. Pünktlich zur Eröffnung des Milaneo ist auch der 80 Meter lange Brunnen vor dem Konsumtempel fertig geworden. Den Werbeetat des Milaneo beziffern Insider auf rund drei Millionen Euro pro Jahr. „Und selbst für ECE-Verhältnisse wurde hier laut getrommelt“, berichtet ein Kenner des Konzerns. Zudem wurde eine Vielzahl der Center-Manager aus Süddeutschland nach Stuttgart beordert, um für eine reibungslose Eröffnung zu sorgen.

Verkehrsprobleme befürchtet

Das neue Shoppingcenter rühmt sich damit, für seine mehr als 43 000 Quadratmeter Einkaufsfläche neun sogenannte Magnetmieter versammelt zu haben – dazu zählen bekannte Namen wie Media Markt oder Zara. Die Aufmerksamkeit wird jedoch auf der Billigmodekette Primark liegen. „Wir haben eine Auffangzone im Untergeschoss eingerichtet“, erzählt Andrea Poul. Dorthin soll die Warteschlange umgeleitet werden. Poul fügt an: „Zusätzlich zu unseren eigenen Sicherheitsleuten wird Primark mit etwa 30 Mann vor Ort sein.“ Das wegen fragwürdiger Produktionsbedingungen umstrittene Modellabel soll Frequenz bringen.

Bereits am ersten Verkaufstag könnte der Verkehr zu einem Problem werden. Eine mehrfach angeregte Kooperation zwischen Milaneo und dem öffentlichen Nahverkehr wird es zur Eröffnung nicht geben. „Ich habe bei allen Mietern angefragt, ob sie dabei wären, Fahrscheine der Kunden zu subventionieren“, berichtet Center-Managerin Poul. „Doch ich warte noch auf Rückmeldung.“ Kritiker befürchten ein Verkehrschaos. Das Center rechnet mit 25 000 Kunden täglich. Ein Gutachten der Stadt prognostiziert bis zu 40 Prozent mehr Verkehr auf den bereits stark belasteten Straßen in der Umgebung.

1000 Gäste bummeln vorab durchs Milaneo

Lange Wege, tropische Hitze, schlechte Tonqualität – und dennoch ist der Tenor bei den Eröffnungsgästen im Milaneo überwiegend positiv ausgefallen. Während sich der frühere Breuninger-Chef Willem van Agtmael in Ruhe umschauen wollte, war der Stuttgarter Kaufhof-Geschäftsführer Thomas Benedetti sicher: „Das gibt ein entweder-oder.“ Den Zick-Zack-Kurs vom Milaneo zur Königstraße lege kein Kunde mit Tüten zurück.

Die Tagesschau-Moderatorin Judith Rakers hat ihre Entscheidung schon gefällt. „Ich fühle mich hier sehr wohl“, sagte sie bei der Begrüßung der Gäste. Ein Einkaufszentrum sei für sie „artgerechte Haltung“. Das habe mit der Evolution zu tun: „Hier kann ich vieles sammeln, was ich in meine Höhle schleppen kann.“

Oberbürgermeister Fritz Kuhn verzichtete auf die „Jägerperspektive“. Nicht jedoch auf die Replik auf einen Artikel in der Stuttgarter Zeitung. Er habe nie zu seinen Söhnen gesagt, sie sollten nicht bei Primark einkaufen. „So doof bin ich nicht. Wenn ich sage, „kauf das nicht“, ist das ja gerade ein Anreiz, sie dorthin zu treiben.“ Getrieben oder nicht: nach der Talkrunde herrschte am Buffet (Maultaschen, Zander, Rinderfiletsteifen) Gedränge. Nebenbei tat Alexander Otto Gutes: Im Auftrag der ECE überreichte er einen Scheck in Höhe von 60 000 Euro, von dem die Kinderspielstadt Stutengarten profitiert. (ma)