Kira Geiss hatte ihre Ausbildung zur Diakonin am theologischen Seminar der Missionsschule im Weissacher Tal unterbrochen, weil sie zur Miss Germany gewählt worden war. Wie hat sie das Jahr erlebt und was hat der Trubel um ihre Person mit ihr gemacht?

Rems-Murr : Frank Rodenhausen (fro)

Vor gut einem Jahr ist sie aus mehr als 15 000 Bewerberinnen zur Miss Germany gewählt worden. Nach einer „rasanten Mischung aus schön und anstrengend“ geht für Kira Geiss die Amtszeit nun zu Ende. Dass sie dafür eigens ihre an der Missionsschule im Weissacher Tal begonnene Ausbildung zur Religions- und Gemeindediakonin unterbrochen hatte, bereut die gläubige Christin nicht: „Es war ein absolut bereicherndes Jahr“, sagt die 21-Jährige.

 

Kein Schönheitswettbewerb mehr

Mit dem Miss-Germany-Team zusammenarbeiten zu dürfen, sei ein „Riesenprivileg“ gewesen und habe ihr viele Möglichkeiten eröffnet, sagt die gebürtige Ravensburgerin rückblickend. Doch dabei meint sie nicht etwa die Anbahnung einer Karriere als Unterwäsche-Modell oder die gewinnbringende Vermarktung anderer äußerlicher Vorzüge. Das komme für sie nicht infrage, denn sie habe sich schließlich auch nur beworben, weil der einstige Schönheitswettbewerb ein ganz neues Konzept verfolge, mit dem sie sich gut identifizieren könne. Statt des Aussehens stehe die Persönlichkeit von Frauen im Vordergrund und ihre Mission.

Bei Kira Geiss ist das nicht weniger als die eigene Generation. Ihr möchte sie Gehör verschaffen und (christliche) Jugendarbeit, die sie vor Jahren selbst aus einem unguten Freundeskreis herausgeholt und wieder auf die richtige Spur gebracht habe, vernetzen und stark machen.

Titel Miss Germany als Türöffner

Der Titel Miss Germany habe ihr zahlreiche Türen geöffnet. Kira Geiss hat bei verschiedensten Anlässen und Veranstaltungen, in Schulen, bei Workshops oder Talkrunden über ihre Sicht auf die Generation Z sowie ihren Glauben sprechen können. Sogar im österreichischen Parlament und im Deutschen Bundestag hat man sie um ihre Meinung gefragt.

Diskussion mit Mitgliedern des Deutschen Bundestags Foto: MG/Silas Blumenstock

Eine Art Tinder für Berufe

Auch die Familienministerin Lisa Paus hat Kira Geiss zur Jahreskonferenz des Bündnisses junger Generationen gebeten. Dabei hat sich nebenbei eine mögliche Kooperation für ein Projekt angebahnt: Kira Geiss will die 25 000 Euro, die mit ihrer Wahl zur Miss Germany verbunden waren, in die Entwicklung einer Software-Plattform investieren, die jungen Menschen einen guten Eintritt in die Arbeitswelt ermöglichen soll – „eine Art Tinder für Berufe“, wie sie sagt. Die Ministerin habe Interesse signalisiert, sich mit ihrer Behörde dabei einzubringen.

Stolz ist die junge Frau mit der langen blonden Strähne auch auf ein Titel-Cover für ein Magazin des Drogeriemarkts dm. Das war anlässlich einer von dem Unternehmen veranstalteten Zukunftswoche gemacht worden. Dabei seien sehr schöne Fotos entstanden, die Kira Geiss aber nicht wegen ihres Aussehens für schön hält, sondern wegen des Inhalts, für das sie stehen.

Ein wenig ärgert sie es nämlich schon, dass sie immer wieder auf so etwas hinweisen müsse. Die Schönheitshistorie des Miss-Germany-Wettbewerbs stecke leider noch in zu vielen (Männer-)Köpfen drin. „Das muss sich noch ändern, und darüber sollte man reden“, sagt Kira Geiss, „denn da ist noch viel Luft nach oben.“

Entsetzt über Anfeindungen ihrer Nachfolgerin

Entsetzt sei sie in dem Zusammenhang, womit sich ihre Nachfolgerin habe auseinandersetzen müssen. Auf die 39-jährige Apameh Schönauer ist nach ihrer Wahl zur Miss Germany 2024 in den sogenannten sozialen Medien ein wahrer Shitstorm niedergeprasselt. Vornehm zusammengefasst: zu alt, nicht schön und zu wenig deutsch mutet die Berliner Architektin und Mutter den Kritikern des neuen Konzepts an. Bilder von Burkas werden geteilt, mit dem Hinweis, dass die Miss Germany wohl künftig so aussehen werde.

„Das ist unglaublich“, sagt Kira Geiss, „Api ist eine so bewundernswerte, gestandene Frau!“ Die Reaktionen aber zeigten wohl auch, dass genau die Richtige gewählt worden sei, zumal sich die Gründerin der Organisation Shirzan für Selbstbestimmung und gegen Unterdrückung von Frauen einsetze. Der Titel Miss Germany eröffne ihr dabei noch eine neue Dimension der Aufmerksamkeit – wenn diese freilich leider auch unschöne Begleiterscheinungen zeitige.

Apameh Schönauer ist Miss Germany 2024 Foto: dpa/Philipp von Ditfurth

Zurück in die Missionsschule?

Kira Geiss selbst tritt jetzt wohl eher ein bisschen in die zweite Reihe zurück, wenngleich ihr Vertrag mit Miss Germany noch ein weiteres Jahr läuft. Wozu will sie das nutzen? Sie wolle vor allem Jugendevents begleiten, sagt Kira Geiss, eventuell mit der deutschen Sportjugend zu den Olympischen Spielen nach Paris reisen. Sie habe in ihrem Jahr als amtierende Miss Germany durchaus eine gewisse Freude an Moderationen entdeckt.

Und die Missionsschule? An das theologische Seminar nach Unterweissach wird Kira Geiss, die seit einiger Zeit ihren Lebensmittelpunkt in Magdeburg gefunden hat, wohl nicht zurückkehren. Zwar sei die Aussicht, einmal Pastorin einer Gemeinde zu sein, nach wie vor reizvoll, doch ihr sei durch den Miss-Germany-Kosmos die Möglichkeit eröffnet worden, ihren Aktionskreis „größer zu denken“, sagt Kira Geiss.

Entsprechende Bewerbungsgespräche liefen, doch sie bitte um Verständnis, noch nicht über ungelegte Eier sprechen zu wollen. Nur so viel: Ihr Grundthema werde erhalten bleiben: „Kirche und Jugendliche werden mich weiter begleiten.“ Denn an den Miss-Germany-Erfahrungen sei sie in ihrer Persönlichkeitsentwicklung sicherlich gewachsen, an der Grundhaltung als Mensch habe sich jedoch nichts geändert. „Ich bin die Kira geblieben, die ich vor einem Jahr war.“