Die Mehrheit der Stuttgarter Bürger gehört nicht mehr zu den christlichen Großkirchen. Diese müssen sich ändern, kommentiert Michael Trauthig

Familie, Bildung, Soziales : Michael Trauthig (rau)

Stuttgart - Auf den ersten Blick ist es nur eine Zahl, auf den zweiten Blick markiert diese jedoch eine Epochenwende: 50,1 Prozent der Stuttgarter gehören mittlerweile weder zur evangelischen Landeskirche noch zur katholischen Diözese Rottenburg-Stuttgart. So melden es die Statistiker. Erstmals seit Jahrhunderten geraten die beiden großen Kirchen damit in der Landeshauptstadt in eine Minderheitenposition. Der religiöse Traditionsabbruch, gegen den die Kirchen seit Jahren tapfer, aber vergeblich ankämpfen, spielt dabei ebenso eine Rolle wie der Mitgliederschwund der Glaubensgemeinschaften aufgrund ihrer Überalterung oder der Vertrauensverlust von Großinstitutionen, aber auch die multikulturelle Ausdifferenzierung der Gesellschaft.

 

Diese Trends, die das Land stetig verändern, sind nicht neu. Sie sind in anderen Teilen der Republik sogar weiter fortgeschritten als im Südwesten. Man kann den Kirchen schwerlich vorwerfen, dass sie auf die Veränderungen nicht reagieren – im Gegenteil. Sie passen ihre Strukturen an und verstehen Deutschland zunehmend als Missionsgebiet. Doch ob sie die Tragweite des Wandels wirklich begriffen haben, bleibt zweifelhaft, denn auf ihre Privilegien, die aus alten Zeiten rühren – etwa der Sonderstellung im Arbeitsrecht – pochen sie weiter. Da sollten sie noch dazulernen.