Der Modesektor in Italien ist stark zersplittert. Zuletzt wurden etliche Häuser von Branchenriesen aus dem Ausland übernommen, was den Unternehmen im Süden Europas gut bekommen ist. Doch die großen Herausforderungen warten erst noch.

In Italiens Modebranche ist Bewegung gekommen. Ausländische Konzerne haben zuletzt gleich mehrere Unternehmen in Italien übernommen. Der französische Gucci-Eigner Kering übernahm von der katarischen Fondsgesellschaft Mayhoola für 1,7 Milliarden Euro 30 Prozent des römischen Modehauses Valentino – mit einer Kaufoption für den Rest. Zu Mayhoola gehört auch der Modekonzern Pal Zileri.

 

Richemont erwarb den Schuhhersteller Gianvito Rossi. Und Versace wurde amerikanisch. Die Modemarke gehörte bisher zu Capri Holdings, die für 7,7 Milliarden Euro von der New Yorker Tapestry übernommen worden ist. Bestandteil des neuen Modekonzerns, der auf einen Umsatz von zwölf Milliarden Dollar kommt, sind auch Jimmy Choo, Michael Kors, Kate Spade und Coach.

Die Ausgaben sind enorm

Italiens Modekonzerne erwirtschaften 1,3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts des Landes. Im ersten Halbjahr haben sie meist zweistellige Umsatzzuwächse verzeichnet und auch ihre Ertragslage weiter verbessert. Die Impulse kamen meist nicht mehr so sehr aus Nordamerika, dem weltweit größten Markt der Branche, sondern aus Europa und Asien.

Doch es gibt Anzeichen für eine Verlangsamung des Wachstums, meint die Mediobanca in ihrer jüngsten Studie zum italienischen Modemarkt. Hinzu kommt, dass die Ausgaben für die internationale Expansion, die Digitalisierung, die Diversifizierung, teurere Rohstoffe, neue Kollektionen sowie die Nachhaltigkeit von Produkten und Produktion enorm sind. Italienische Modeunternehmen sind aber im Vergleich zu Branchenriesen wie LVMH, Hermès, Kering und Richemont winzig.

Während etwa der französische Luxusgüterkonzern LVMH, zu dem weltweit mehr als 70 Marken gehören, auf eine Kapitalisierung von 408 Milliarden Euro kommt und Hermès (Frankreich) auf 204 Milliarden Euro, sind Kering (Frankreich) und Richemont (Schweiz) immerhin noch 63,9 bzw. 67,7 Milliarden Euro wert. Der teuerste italienische Konzern Moncler wird gerade einmal mit 17,7 Milliarden Euro bewertet, Prada mit 16,8 Milliarden Euro.

Die Franzosen haben besonders stark in Italien eingekauft

Bemühungen, in Italien, ähnlich wie in Frankreich, einen großen Modekonzern zu schaffen, sind gescheitert. Mit einem Umsatz von 4,2 Milliarden Euro ist Italiens Branchenprimus Prada klein im Verhältnis etwa zu LVMH (80 Milliarden Euro). Renzo Rosso gehört zu den wenigen, die es auf kleinerer Ebene probiert haben: Mit seiner OTB kontrolliert er Marken wie Diesel, Maison Margiela, Marni oder Jil Sander und kommt auf einen Umsatz von 1,7 Milliarden Euro.

Im Laufe der vergangenen 25 Jahre sind immer mehr italienische Marken von ausländischen Häusern aufgekauft worden. Der Mediobanca-Studie zufolge sind, gemessen am Umsatz, 43,6 Prozent der Unternehmen mit Jahreserlösen von mehr als 100 Millionen Euro in ausländischer Hand. Besonders stark haben die Franzosen in Italien eingekauft: Sie kontrollieren ein Viertel der 152 größten Unternehmen, vor allem im Luxussektor. So hat sich etwa LVMH den Schmuckhersteller Bulgari, Fendi, Pucci, Berluti und Loro Piana einverleibt und Kering die Marken Gucci, Brioni, Bottega Veneta und Pomellato.

Für Italiens Mode-Unternehmen waren die ausländischen Übernahmen nicht negativ – im Gegenteil. Gerade die Franzosen haben massiv investiert und zum Beispiel im piemontesischen Schmuckzentrum Valenza 2017 für die Marke Bulgari Europas größte Schmuckfertigung aufgebaut. Sie wird nun schon wieder erheblich erweitert. Kering hat gerade eine neue Firmenzentrale in Mailand eröffnet. Italiens Modekonzerne produzieren zu 68 Prozent im Land selbst und verfügen über großes Know-how, leiden jedoch zunehmend unter einem Mangel an qualifizierten Personal. Einige Firmen bauen eigene Ausbildungskapazitäten auf.

Durchschnittlich drei Viertel der Produktion wird exportiert. Dazu kommen gerade in diesem Jahr viele Verkäufe an ausländische Touristen in den Boutiquen in Rom, Florenz oder Venedig.

Wer soll die Nachfolge übernehmen?

Mediobanca erwartet eine Verlangsamung des Wachstums. Auch die Konsolidierung dürfte sich fortsetzen, denn die Herausforderungen der Branche sind groß und die steigenden Zinsen erschweren die Finanzierung von Projekten, zumal der Großteil der Unternehmen in Familienhand und nicht börsennotiert ist. Für viele Unternehmen stellt sich auch die Nachfolgefrage.

Diego Della Valle (69), Chairman und Gründer des börsennotierten Schuhherstellers Tod’s, hat während der Coronapandemie zehn Prozent des Unternehmens an LVMH abgegeben – wohl die Vorstufe zu einem späteren Verkauf. Und seit Jahren wird über die Zukunft von Armani spekuliert. Giorgio Armani, Chef und Eigentümer, ist 89. Gerüchten zufolge ist die Beteiligungsholding Exor der Familien Agnelli-Elkann, die die Mehrheit am chinesischen Modekonzern Shang Xia und 24 Prozent am französischen Schuhhersteller Christian Louboutin hält, interessiert.