Fruchtsäfte mit dem Qualitätszeichen des Landes sind bei den aktuellen Herkunftskontrollen nicht beanstandet worden. Ministerium und Verbraucherschützer würden gerne die schwarzen Schafe nennen, dürfen es aber nicht.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Angesichts des verbreiteten Etikettenschwindels bei angeblich regionalen Fruchtsäften kritisieren Politiker und Verbraucherschützer, dass die betroffenen Hersteller nicht namentlich genannt werden können. Agrarminister Peter Hauk (CDU) und die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg begrüßen zugleich, dass die neue Koalition in Berlin hierfür eine eindeutige Rechtsgrundlage schaffen will. Das Ministerium und der zuständige Verband teilten mit, von den Verstößen seien keine Produkte betroffen, die unter dem Herkunfts- und Qualitätszeichen Baden-Württemberg (QZBW) vermarktet werden.

 

Durch einen Bericht unserer Zeitung war vorige Woche bekannt geworden, dass es bei einer Schwerpunktaktion des Landeskontrollteams Lebensmittelsicherheit im vorigen Jahr bei Fruchtsäften und Saftschorlen eine hohe Quote von Auffälligkeiten gegeben hatte. Fast in jedem zweiten Fall fanden die Prüfer laut dem Agrarressort „Hinweise auf möglicherweise unzutreffende oder irreführende Angaben zur Herkunft der Rohrware“. Landesweit waren daher vier Staatsanwaltschaften eingeschaltet sowie Rückrufe und Umetikettierungen veranlasst worden. Aus rechtlichen Gründen hatte das Ministerium keine Firmennamen genannt.

Keine Beanstandungen bei QZBW-Produkten

Auf Nachfrage teilte eine Sprecherin Hauks nun mit, bei Produkten mit dem QZBW-Siegel habe es im Zuge der Schwerpunktaktion keine Beanstandungen gegeben. Sie unterliegen einer besonderen Dokumentationspflicht und Herkunftskontrollen. Allerdings seien „vereinzelt“ Säfte oder Schorle von Betrieben moniert worden, die daneben auch Erzeugnisse gemäß dem Herkunftszeichen herstellten und vermarkteten. Bei Zusatzkontrollen der Produkte mit dem QZBW habe sich in den Jahren 2017 und 2018 gezeigt, dass die besonderen Kriterien durchweg eingehalten wurden.

Auch der Verband der Agrargewerblichen Wirtschaft gab Entwarnung für seine Mitgliedsbetriebe, die das Zeichen nutzen. Die 17 Betriebe, die ihre Verträge über den Verband abgeschlossen haben, seien erst im Januar kontrolliert worden, berichtete die Geschäftsführerin Brigitte Hüttche. Dabei hätte 15 Betriebe die Höchstzahl von 100 Punkten erreicht, in einem Fall waren es wegen einer unvollständigen Doumentation des Hygienekonzepts 97 Punkte, in einem weitere wegen eines fehlenden Schulungsnachweises 95 Punkte. Bei der Herkunft des Rohware sei es noch nie zu Beanstandungen gekommen, berichtete Hüttche. Neben der Kontrolle vor Ort gebe es noch eine sensorische und analytische Bewertung. In dem Verband sind knapp 50 der landesweit 120 Fruchtsaft-Keltereien zusammengeschlossen.

Verbraucherschützer von GroKo enttäuscht

Die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg lobte die Arbeit des erst vor zwei Jahren gegründeten Landeskontrollteams. „Erschreckend“ nannte es die Lebensmittelexpertin Christiane Manthey allerdings, „dass Verbraucher nun wieder nicht erfahren, um welche Produkte es sich handelt“. Das Ministerium hatte dies mit dem Fehlen einer rechtssicheren Grundlage begründet. Die Gesetzesklausel wird seit vier Jahren nicht angewendet, weil ein Verfahren dagegen beim Bundesverfassungsgericht anhängig ist. Aus Verbrauchersicht sei dies „nicht akzeptabel“, betonte Manthey.

Skeptisch beurteilte sie die Pläne der Großen Koalition in Berlin. Union und SPD wollen laut ihrem Vertrag nach dem Karlsruher Urteil die „rechtssichere Veröffentlichung“ von Verstößen ermöglichen; Grundlage solle ein „einheitlicher Bußgeldkatalog“ sein. Die Betriebe sollten die Ergebnisse von Kontrollen „auf freiwilliger Basis“ offenlegen. Bei der Veröffentlichung von amtlichen Kontrollen wolle man „Raum für landesrechtliche Regelungen“ lassen. Manthey nannte dies aus Verbrauchersicht „enttäuschend“, für mehr Transparenz werde so wieder nicht gesorgt. Der Umfang der Information sei bei einem solchen „Flickenteppich“ dann davon abhängig, in welchem Bundesland ein Verbraucher wohne. An die Landesregierung appellierte sie, sich in Berlin für eine sofortige bundeseinheitliche Neuregelung einzusetzen.

Hauk hält wenig von freiwilliger Information

Agrarminister Hauk begrüßte die Ankündigung im Koalitionsvertrag grundsätzlich. Laut seiner Sprecherin hat er sich in den vergangenen Jahren auf Bundesebene mehrfach für „die von Verbraucherseite zu Recht eingeforderte Transparenz der Kontrollergebnisse“ eingesetzt. Nötig sei eine langfristig tragfähige Lösung und ein schlüssiges Gesamtkonzept. Auch Hauk plädierte aber für bundeseinheitliche Regeln; sonst drohe ein „für die Verbraucher nicht nachvollziehbarer Flickenteppich“. Von der freiwilligen Information durch die Betriebe hält er wenig: Verbraucher würden dabei nur „sehr lückenhaft und ungenügend“ informiert, „schwarze Schafe können mit einem derartigen System nicht erkannt werden“. Skeptisch bewertet er auch einen starren Bußgeldkatalog; besser wäre ein Rahmen, um auf die unterschiedlichen Konstellationen angemessen reagieren zu können.