Anwohner und SSB empfinden die Interimslinie zwischen Rüdern und Obertürkheim als Bedrohung. Das können die Politiker vor Ort nicht nachvollziehen.
Stuttgart - Der Verkehrsversuch mit einem Linienbus des Esslinger Verkehrsbetriebs am Donnerstag auf teils sehr engen Straßen zwischen Obertürkheim und Rüdern hat die Stuttgarter Ordnungsbehörde darin bestärkt, der ehemalige Freie Reichsstadt helfen zu können, indem sie ihr erlaubt, die Linie 109 zwischen diesen Stadtteilen pendeln zu lassen. Nötig wird die Nachbarschaftshilfe wegen einer Großbaustelle in der Geiselbachstraße in Esslingen, die dort 2019 längere Zeit für einen Dauerstau sorgen und den Bürgern auf dem Berg den letzten Nerv rauben dürfte. Damit wenigstens eine Alternative mit dem ÖPNV angeboten werden kann, soll die Buslinie die Bürger von Rüdern, Sulzgries, Krummenacker und Neckarhalde über Stuttgarter Gemarkung ins Neckartal nach Obertürkheim bringen.
Wenn es nur so einfach wäre. Die Verbindung zwischen Rüdern und dem Grenzort Uhlbach ist seit 1984 für den Individualverkehr gesperrt, was aber viele Autofahrer nicht davon abhält, den Schleichweg zu nutzen. Damit der Bus keine Schlange hinter sich her zieht, soll eine Schranke aufgestellt werden. Dazu hat jeder in der Umgebung eine eigene Meinung und argumentiert nach dem Motto: Ist an mich gedacht, ist an alle gedacht. Ob die Schranke die Zeit der Nachbarschaftshilfe überdauert, ist unklar. Die Stadt Stuttgart will das eigentlich so.
Buslinie wird zum Aufreger
Die Interimsbuslinie taugt im beschaulichen Uhlbach zum Aufreger, zumindest in der Tiroler Straße, durch die sich der Bus quälen wird. Es fallen Parkplätze weg, die Zahl schwankt zwischen allen 96, wie einem Flugblatt wutentbrannter Anwohner zu entnehmen ist, und 23. Diese offizielle Zahl nennt Ulf Weidle vom Ordnungsamt. Irgendwo müssen eben Ausweichmöglichkeiten geschaffen werden.
Der Verkehrsversuch zeigte: Der Busfahrer muss sein Metier beherrschen, es ist teils sehr eng, aber nach überzeugender Ansicht der Beamten aus den Rathäusern von Esslingen und Stuttgart ist es machbar. Bezirksvorsteher Peter Baier kann sich vorstellen, dass in den Schwachlastzeiten ein kleinerer Bus eingesetzt werden könnte.
Anwohner haben sich unglaubwürdig gemacht
Beim Test reiften beim Anblick eines entgegen kommenden Müllautos zwei Erkenntnisse: diese Begnungen sollten vermieden werden. Und diese Fahrzeuge sind auch nicht viel schmaler, ohne dass sich dagegen Widerstand geregt hätte. Das Problem jener Anrainer, die meinen, Esslingen solle sich gefälligst selbst helfen: man nimmt sie nicht mehr ernst, seitdem sich die Behauptung, dort wären täglich bis zu 1500 Schleichwegnutzer unterwegs, als Fehlinformation entpuppte. Tatsächlich sind es rund zehnmal weniger. Der Verkehrsverbund gibt die normale Fahrtdauer für die Strecke zwischen der Haltestelle „Glocke“ in Rüdern und dem Marktplatz in Uhlbach mit 51 Minuten an. Die Orte liegen aber nebeneinander, weshalb man zu Fuß nur 15 Minuten benötigt. Man muss sich nicht wundern, dass die Esslinger Bergbewohner das Auto nehmen. Die örtlichen Politiker gehen deshalb davon aus, dass die Interimslinie stark nachgefragt wird.
Bedenkenträger, wohin das Auge blickt
Dafür, dass sich Nachfrage und Attraktivität in Grenzen halten, wollen die Stuttgarter Straßenbahnen (SSB) AG sorgen. Der Bus solle nicht an den Haltestellen in Uhlbach Fahrgäste ihres 62er aufnehmen dürfen. Ein- und aussteigen verboten – das würden Bezirksbeiratsmitglieder und Stadträte als Schildbürgerstreich empfinden. Sie gehen auch fest davon aus, dass aus dem Provisorium eine Dauerlösung werden könnte, weil die Verkehrswende in der Stadt nur durch kleinräumige Angebote forciert werden könne. Die SSB bauen möglichen Forderungen vor, sagen, der Ersatzverkehr lasse keine Rückschlüsse auf die Auslastung im Regelbetrieb zu. Man gibt „zu bedenken“, dass es sich um ein Randgebiet handele. Und „zu bedenken“ sei beim weiter führenden Vorschlag, den Bus auch nach Rotenberg fahren zu lassen, wo an den Wochenenden regelmäßig ein Verkehrschaos herrscht, dass es sich „teilweise um Freizeitverkehr“ handele.
Von den SSB im Stich gelassen, fühlt man sich im „Randgebiet“ in einem weiteren Punkt: Hält der 62er in Obertürkheim, fährt der 101er in Richtung Esslingen den Umsteigern vor der Nase weg. Eine um zwei Minuten vorverlegte Abfahrt in Uhlbach würde das Problem nach Ansicht des Bezirksbeirats Christoph Hofrichter (Linke) lösen. Die SSB verweist auf negative Auswirkungen der Anschlüsse in Hedelfingen, die der Fahrplan aber gar nicht hergibt. Hilfsweise argumentiert der Verkehrsbetrieb mit einer längeren Übergangszeit vom 62er zur S-Bahn. „Wirklich gravierend“, sagen Hofrichter und Peter Aichinger (Freie Wähler). Man warte dann zwei Minuten länger auf die verspätete S-Bahn.