Vintage boomt: So berechnete PwC, dass das Volumen des Secondhand-Modemarktes in Deutschland von rund 3,5 Milliarden Euro im Jahr 2022 auf fünf bis sechs Milliarden Euro bis 2025 ansteigen wird. Ob aus finanziellen Gründen, Umweltschutz oder weil man einen nachhaltigen Lebensstil hat – besonders junge Menschen lieben Schnäppchen. So gaben sogar 64 Prozent der zwischen den 90er- und Ende der 2000er-Jahre geborenen an, bereits gebrauchte Kleidung gekauft zu haben. Und dieser Trend findet bei Weitem nicht nur im Netz statt: Flohmärkte und stationäre Secondhandläden, wie die kürzlich eröffnete Secontique in der Eberhardstraße (wir berichteten), bieten Verkäufer:innen die Möglichkeit gebrauchte Artikel zu vertreiben, zu erwerben und auch zu spenden.
Wer sich ein Bild dieses Trends machen wollte, musste am Samstag nur ins Studio Amore gehen. Im ehemaligen Hotel am Schlossgarten fand auf zwei Geschossen von 12 bis 17 Uhr ein Flohmarkt statt. Überwiegend Kleidung, Schuhe, Accessoires und vereinzelte Dekoartikel erfreuten viele Besucher und Besucherinnen.
Retro-Ambiente im Studio Amore
„Wir sind sehr glücklich mit dem Publikum“, berichtet die sichtlich zufriedene Evelyn, die sich zusammen mit ihrer Freundin Tina einen Stand im Erdgeschoss des Hotelfoyers teilt. Ihre Freundin unterstreicht das tolle Ambiente und vor allem die Musik. „Die Retro-Musik macht richtig Stimmung“, sind sich die beiden einig. Seit zehn Uhr sind die beiden Frauen mit ihren ausgemusterten Teilen schon im Studio Amore. Kurz vor 17 Uhr ist dann Schluss. Während draußen noch Leute beim Foodtruck anstehen, um Smashed Burger und Pommes zu essen, werden drinnen Kleiderstangen und Kartons zusammengepackt. Die Shopping-Bilanz der 21-jährigen Besucherin Noemi: „Ich habe fast ungetragene Sneaker und eine Bluse gefunden, jetzt geht es weiter zu den Wagenhallen.“
Vom Hauptbahnhof in den Stuttgarter Norden
Noemi und ihre Freundinnen sind nicht die einzigen, die sich vom Hauptbahnhof Richtung Pragfriedhof aufmachen. Dort eröffnet um 18 Uhr der Nachtflohmarkt in den Wagenhallen. Zwei Euro Eintritt, ein Stempel auf den Handrücken und schon geht es los in die große Halle, wo schon launige Musik von DJ Turnbeutelvergesser läuft. Um die 100 Stände laden hier bis 23.59 Uhr zum Trödeln, Stöbern und Feilschen ein. Das Angebot der Waren kann sich sehen lassen: Von Klamotten aus den 90ern über Dekoartikel, Kruscht aus dem Keller, Spielwaren, Elektronikartikel bis hin zu Kinderkleidung und Büchern – manche Stände wirken wie Wunderkammern, an denen man sich kaum sattsehen kann.
Trikots, Bücher und Babykleidung
Das gefällt auch dem generationenübergreifenden Publikum an diesem Abend: Familien mit kleinen Kindern, ältere Paare und vor allem sehr viele Teenager und Vertreter der Gen Z wühlen sich durch alte Trikots, Kleiderständer und Plattenkisten, vor der Halle kann man sich mit Getränken und Snacks versorgen. Susanne ist mit zwei Freundinnen zum ersten Mal dabei und hat gerade Babyhandschuhe verkauft. „Vor allem unsere 1-Euro-Kiste kommt gut an – und wir sind der einzige Stand mit so viel Kinder- und Babykleidung“, verrät die Stuttgarterin, die an diesem Abend mindestens 25 Euro einnehmen will. „Die werde ich vielleicht sogar gleich an einem anderen Stand reinvestieren“, sagt die Stuttgarterin lachend und freut sich auf ihre Runde durch die Halle. Schöne Dinge gibt es hier zur Genüge, und das scheint sich herumgesprochen zu haben. Gegen etwa 20 Uhr gibt es sogar einen Einlassstopp. Das scheint die Flohmarkt-Liebhaber aber nicht abzuhalten, denn die Schlange an Menschen reicht an diesem lauen Märzabend fast bis zur Heilbronner Straße.