Wes Andersons neuer Film kommt in gewohnt malerischer Ausstattung und Präsentation daher. „Asteroid City“ besticht mit liebevollen Details, mehreren Rahmenhandlungen und Stars wie Scarlett Johansson und Tom Hanks. Doch ist es das alles zu viel?

Nicht nur das Bild, sondern auch der Rahmen ist in den Filmen von Wes Anderson von großer Bedeutung. Das gilt nicht nur für die zahllosen Einstellungen mit ihren liebevollen Details, die wie gerahmte Bilder wirken, welche man sich gerne ins Wohnzimmer hängen möchte. Auch in die filmische Erzählung selbst werden immer wieder Umrahmungen eingearbeitet, die das Geschehen auf der Leinwand als fiktives, künstlerisches Produkt kenntlich machen. In seinem neuen Film „Asteroid City“ legt er gleich mehrere Rahmenhandlungen ineinander. In deren Innerem befindet sich das Wüstenstädtchen Asteroid City, das Handlungsort eines Theaterstückes des Bühnenautors Conrad Earp (Edward Norton) ist, über dessen Inszenierung am New Yorker Broadway durch Regisseur Schubert Green (Adrien Brody) wiederum der Moderator einer TV-Show (Bryan Cranston) berichtet.

 

Fenstergespräche wahren die Distanz

Während im Jahre 1955 am fernen Horizont über der Wüste Nevadas die Rauchpilze der Atombombenversuche malerisch in den Himmel steigen, soll in Asteroid City der jugendliche Wissenschaftsnachwuchs ausgezeichnet werden. Der Ort ist zu bescheidenem Ruhm gekommen, weil hier vor 3 000 Jahren ein Asteroid niedergegangen ist, der nun als Touristenattraktion ausgestellt wird. Zur Preisverleihung reist der ehemalige Kriegsfotograf Augie (Jason Schwartzman) mit seinem hochbegabten Sohn Woodrow (Jake Ryan) und den drei jüngeren Töchtern an.

Der kürzlich verwitwete Vater hat es noch nicht übers Herz gebracht, den Kindern die Nachricht vom Tod der Mutter mitzuteilen. Die Familie bezieht im Motel direkt gegenüber der Schauspielerin Midge Campbell (Scarlett Johansson) und ihrer Tochter Dinah (Grace Edwards) Quartier.

Während sich die jugendlichen Wissenschaft-Nerds direkt zueinander hingezogen fühlen, bewahren die Schauspielerin und der Fotograf bei ihren Gesprächen von Fenster zu Fenster zunächst eine gewisse räumliche Distanz. Und natürlich sehen die beiden dabei aus, als würden sie sich gegenseitig aus gerahmten Bildern heraus anschauen. Der Eindruck wird verstärkt dadurch, dass Augie seine Nachbarin fotografiert und die entwickelten Abzüge am nächsten Tag von dem Hollywood-Star absegnen lässt. Der touristische Alltag in Asteroid City verwandelt sich in den militärischen Ausnahmezustand, als ein UFO vor versammelter Gemeinde niedergeht, ein Alien herausklettert und den Asteroiden klaut. General Grif Gibson (Jeffrey Wright) stellt sofort den ganzen Ort unter Quarantäne und verhängt eine Informationssperre. Die Begegnung mit den Außerirdischen lässt Einheimische wie Gäste das eigene Sein auf sehr verschiedene Weise neu überdenken. Dazwischen wird das farbenfrohe 50er-Jahre-Ambiente immer wieder zur Seite geschoben, um in kontraststarken Schwarzweiß-Aufnahmen hinter die Kulissen der Theaterproduktion zu schauen, wo Regisseur und Schauspielende über das Wesen ihrer Figuren sinnieren.

Ein Film, der am besten Szene für Szene verkostet werden sollte

War Wes Andersons letztes Werk „French Dispatch“ als kreatives Feuerwerk und dramaturgische Loseblattsammlung angelegt, wirkt sein neuer Film etwas strukturierter und zugleich komplexer. Aber auch wenn sich die Erzählebenen kunstvoll ineinander verschlingen und gegenseitig reflektieren, ist „Asteroid City“ ein Film, der am besten Szene für Szene verkostet werden sollte. Denn wieder einmal steckt in jeder Sequenz, jeder Figur, jeder Einstellung und jedem Interieur eine unbändige kreative Energie und Originalität, die ganz unmittelbar cineastische Glückshormone freisetzen.

Dabei stehen die Farb- und Bildkompositionen, mit denen Anderson das bunte 50er-Jahre-Dekor ins Surreale überhöht, im produktiven Kontrast zu den melancholischen Zentralfiguren. Jason Schwartzman, der seit „Rushmore“ (1998) fest zur Anderson-Familie gehört, spielt den tiefverunsicherten Kriegsreporter und Familienvater mit einer stilisierten Verletzlichkeit, die ihr passgenaues Gegenstück in der gelassenen Selbstsicherheit von Scarlett Johanssons Hollywood-Diva findet. Um die beiden herum oszilliert ein ganzes Universum aus nachhaltig eigenwilligen Figuren, die bis in die kleinsten Nebenrollen hinein prominent besetzt sind: Steve Carrell als windiger Motel-Besitzer, Tom Hanks als grummeliger Schwiegervater, Tilda Swinton als begeisterte Wissenschaftlerin, Rupert Friend als singender und tanzender Cowboy und vor allem Jeff Goldblum, der auch im Ganzkörper-Alien-Kostüm an seiner unverwechselbaren Körpersprache zu erkennen ist. Dabei überschreitet Anderson allerdings auch die Grenze zur schauspielerischen Überbevölkerung, was die Erzählung trotz dreifacher Rahmenhandlung zunehmend ausfasern lässt.

„Asteroid City“: USA, 2023, Regie: Wes Anderson. Mit Scarlett Johansson, Jason Schwartzman, Tom Hanks, 106 Minuten, ab 12.