Der Regisseur ist bekannt für seine großen, illustren Ensembles – doch bei seinem neuen Film „Asteroid City“ setzt er noch einen drauf – auch bei seinen Einfällen.
Die Abwesenheit einiger mit Spannung erwarteter US-Produktionen im diesjährigen Cannes-Programm hatte im Vorfeld des Festivals noch dazu geführt, dass mancher einen Mangel an Stars befürchtete. Total unbegründet, wie sich zur Festspiel-Halbzeit nun feststellen lässt. Die Liste der prominenten Gäste, die allein in den letzten Tagen für Glamour auf dem roten Teppich sorgten, reicht von Oscar-Gewinnerin Jennifer Lawrence, die als Produzentin des afghanischen Dokumentarfilms „Bread and Roses“ angereist war, bis hin zu den Popstars The Weeknd, Troye Sivan und Jennie Kim, die wie Lily-Rose Depp an der Serie „The Idol“ beteiligt sind und nach deren Weltpremiere noch lange auf der Afterparty feierten.
Besucher aus dem All
Niemand hatte allerdings mal wieder mehr Stars im Schlepptau als Wes Anderson. Der amerikanische Regisseur ist bekannt für seine großen, illustren Ensembles, doch bei seinem neuen Film „Asteroid City“ übertrifft er sich nun selbst: Neben langjährigen Mitstreitern wie Jason Schwartzman, Tilda Swinton, Bryan Cranston, Jeffrey Wright und Adrien Brody spielen dieses Mal auch Tom Hanks, Matt Dillon und Scarlett Johansson mit. Und fast alle von ihnen reihten sich nun zur Premiere eines Films auf, der neben viel Prominenz auch jede Menge schräge Ideen zu bieten hat: Im fiktionalen Wüstenörtchen Asteroid City, gelegen im Nirgendwo des amerikanischen Südwestens, findet 1955 ein Wochenende für Nachwuchsweltraumforscher statt. Die Location ist passend gewählt, direkt neben dem Einschlagkrater eines Meteoriten und in Sichtweite immer neuer Atombombentests. Doch als außer den Kids und ihren Familien sowie etlichen Wissenschaftlern auch noch ein Besucher aus dem All auftaucht, befindet sich die versammelte Truppe zwischen Motel und Diner plötzlich im von der Regierung verhängten Lockdown.
Viel Plot ist es wie immer nicht, was das von Anderson selbst zusammen mit Roman Coppola verfasste Drehbuch auffährt. Doch wichtiger als die Handlung sind bei ihm ja schon seit je sein ganz eigener, nicht nur optischer Stil. Nach dem Nachkriegsfrankreich in „The French Dispatch“ nimmt er sich dieses Mal die Fifties in den USA vor, wo sich mit rotem Wüstensand, leuchtenden Neonzeichen und Space-Ikonografie ein schier unermesslicher visueller Fundus auftut.
Kunterbunt-künstliche Welt
Noch immer ist das in erster Linie eine Ansammlung toller Bilder, schräger Einfälle und besagter prominenter Schauspielerinnen und Schauspieler, die eher amüsiert als berührt. Doch die Atmosphäre ist dieses Mal wärmer, was auch daran liegen dürfte, dass ähnlich wie zuletzt in „Moonrise Kingdom“ die Kinder und Jugendlichen einen großen Raum in der Handlung einnehmen. Dass Andersons Filme in gewisser Weise stets eine eher oberflächliche Angelegenheit sind, stört dieses Mal weniger als beim Vorgänger mit seinen intellektuelleren Figuren und realeren historischen Bezügen. Um kreative Schaffensprozesse geht es aber auch dieses Mal: Zu den reizvollsten Kniffen gehört die Rahmenhandlung rund um die Entstehung eines Theaterstücks namens „Asteroid City“, die einen immer wieder herausreißt aus der kunterbunt-künstlichen Welt der Binnenerzählung. Wer mit all solchen Anderson-Spielereien noch nie viel anfangen konnte, wird auch dieses Mal nicht zum Fan bekehrt. Aber alle anderen dürfen sich freuen.