Das alles überzeugte die Richter freilich nicht. Auch eine Vorschrift, die im Jahr 1986 ins Baugesetzbuch eingefügt wurde, änderte nichts am Urteil des VGH. Dies sollte vor allem Gemeinden entlasten und hat zum Inhalt, dass Fehler in Bebauungsplänen nicht mehr ins Gewicht fallen, wenn sie nicht bis zu einem bestimmten Stichtag nach Inkrafttreten der Vorschrift, in diesem Fall lag dieser im Jahr 1994, geltend gemacht werden. Diese sogenannte Generalbereinigung taucht bereits einmal in einer Entscheidung des VGH auf. Im Jahr 1993 ging es um die Ortsbausatzung Stuttgart aus dem Jahr 1935. „Das war damals aber nicht entscheidungsrelevant, weil vor 1994 Einwände geltend gemacht wurden“, weiß Thomas Schönfeld, der Rechtsanwalt der Eigentümergemeinschaft.

 

Juristisch von grundsätzlicher Bedeutung

Im Streit um den Neubau in Kaltental ist es dies aber anders und damit auch juristisch von grundsätzlicher Bedeutung. Dies dürfte auch der Grund sein, warum die Richter eine Revision beim Bundesverwaltungsgericht in Leipzig zugelassen haben, was eher selten vorkommt. Das vollständige Urteil wird der Stadt und den Klägern in den nächsten Wochen zugestellt, dann bleiben der Kommune vier Wochen Zeit, Revision einzulegen. Ob sie diese tun wird, steht noch in den Sternen. Am Freitag war dazu keine Stellungnahme zu erhalten.

Offen gelassen haben die Richter auch die Frage, ob der Bebauungsplan aus dem Jahr 1935 überhaupt rechtskräftig ist, weil der Gemeinderat daran nicht beteiligt war. Auf diesen seiner Meinung nach „handwerklichen Fehler“ hatte Schönfeld in beiden Verhandlungen hingewiesen – und damit vor allem das VG überrascht.

Unstrittig ist dabei, dass 1935 die Deutsche Gemeindeordnung gegolten hat, die die Gemeinderäte entmachtete und ihre Kompetenzen dem von der NSDAP berufenen Oberbürgermeister übertrug. Schönfeld hatte aber argumentiert, dass zu dieser Zeit immer noch die Württembergische Bauordnung gegolten habe, die die Mitwirkung der Gemeinderäte an Bebauungsplänen vorsah. Die Stadt hatte darauf hingewiesen, dass die Gemeinderäte im Jahr 1935 ohnehin keine demokratische Legitimation mehr gehabt hätten.